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Bangladesch: Willkürliche Inhaftierungen treiben Indigene in die Flucht

25. Mai 2024

Seit dem 7. April sind in der Bergregion der Chittagong Hill Tracts im Südosten von Bangladesch mehr als 100 Angehörige der indigenen Gemeinschaft der Bawm willkürlich festgenommen und inhaftiert worden. Ihnen wird "Terrorismus" vorgeworfen und sie werden verdächtigt, der bewaffneten Gruppe KNF nahezustehen, die am 2. und 3. April zwei Banken ausgeraubt und einen Bankdirektor als Geisel genommen haben soll. Zahlreiche Bawm sind aus Angst vor Festnahme in die Dschungelgebiete nahe der Dörfer geflüchtet oder haben das Land verlassen. Die Inhaftierten müssen umgehend freigelassen und die Schikanen gegen die Bawm beendet werden. 

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Seit dem 7. April sind im Rahmen eines Militäreinsatzes in Dörfern der Chittagong Hill Tracts mehr als 100 Angehörige der indigenen Gemeinschaft der Bawm willkürlich festgenommen und inhaftiert worden, darunter auch Kinder und eine schwangere Frau. Einige Tage zuvor, am 2. und 3. April, hatte die bewaffnete Gruppe Kuki-Chin National Front (KNF) dem Vernehmen nach zwei Banken ausgeraubt und einen Bankdirektor als Geisel genommen. Die Behörden gehen pauschal davon aus, dass die gesamte Gemeinschaft der Bawm der KNF angehört oder die Gruppe unterstützt. Die festgenommenen Menschen werden gemäß Abschnitt 13 des drakonischen Sicherheitsgesetzes (Special Powers Act) der Aufwiegelung beschuldigt. Zudem wird ihnen u. a. Raubüberfall und Entführung vorgeworfen. 

Die Betroffenen bleiben in den Polizeiunterlagen ungenannt und werden als "130-150 bewaffnete terroristische Räuber" bezeichnet. Einige von ihnen sind bereits vor Gericht erschienen und haben neue Untersuchungshaftanordnungen erhalten. Andere sind noch keinem Gericht vorgeführt worden. Es gibt Überwachungsaufnahmen von dem Raubüberfall, auf denen zu sehen ist, wer die Banken ausgeraubt hat. Anstatt diese Aufnahmen zu nutzen, um die Verantwortlichen zu identifizieren, verfolgt die Regierung pauschal alle Bawm und Amnesty International betrachtet mit Sorge, dass die Gemeinschaft der Bawm Gefahr läuft, von den Behörden kollektiv bestraft zu werden. Die Festgenommenen wurden einen ganzen Tag lang unter der sengenden Sonne verhört und bekamen nichts zu essen. Die willkürlichen Masseninhaftierungen, bei denen Kleinkinder mit ihren Müttern ins Gefängnis geschickt wurden, da sich sonst niemand um sie kümmern konnte, zeigen das Ausmaß der Militäroperation. In Bangladesch leben etwa 11.000 Bawm, und die meisten von ihnen müssen derzeit befürchten, festgenommen zu werden, nicht genügend zu essen zu erhalten und keinen Zugang zu Bildung und Beschäftigung zu haben. Militärangehörige haben in einigen Dörfern Lager aufgeschlagen, wo sie die Mobiltelefone der Dorfbewohner*innen konfiszieren und ihnen so den Kontakt zu ihren Familienangehörigen verwehren.

Hintergrund

Indigene Gemeinschaften in Bangladesch werden seit jeher verfolgt und sozioökonomisch und politisch diskriminiert. Vor mehr als 25 Jahren unterzeichneten die Regierung und die Organisation Parbatya Chattagram Jana Samhati Samiti ein Friedensabkommen für die Chittagong Hill Tracts. Die Parbatya Chattagram Jana Samhati Samiti war gegründet worden, um die Interessen der indigenen Bevölkerungsgruppen in der Region zu vertreten. Mit dem Friedensabkommen sollte der Konflikt beendet und die systematische Ungleichbehandlung in der Region beseitigt werden. Dennoch ist die Lage heute derart eskaliert, dass Menschen aus ihren Dörfern fliehen mussten. 

Am 8. April gegen 5.30 Uhr morgens kamen Militärangehörige in das Dorf Bethel, das einer der ausgeraubten Banken am nächsten lag. Sie gingen davon aus, dass die Dorfbewohner*innen über den Überfall bzw. die Räuber Auskunft geben könnten, und griffen entsprechend hart durch. Nach Angaben eines Familienmitglieds einer festgenommenen Person forderten die Streitkräfte die Anwohner*innen auf, sich auf dem Schulgelände zu versammeln, trennten die Männer von den Frauen und nahmen dann wahllos Menschen fest. Die Festgenommenen, unter denen sich auch 50- bis 60-Jährige befanden, wurden gegen 20.30 Uhr auf die Polizeiwache der Stadt Bandarban gebracht.

Der KNF wird neben dem Raubüberfall auch vorgeworfen, 14 Waffen gestohlen zu haben. Laut Angaben der Dorfbewohner*innen sagten die Militärangehörigen, die Massenfestnahmen würden aufhören, sobald die Waffen wieder auftauchten. Bawm-Aktivist*innen gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Festnahmen höher liegt als 100, da sie nur von den Fällen wissen, von denen sie durch Kontakte erfahren haben. 

Im Rahmen des Einsatzes ordnete das Militär an, dass jede Person nur 5 kg Reis kaufen und mit sich führen durfte. Diese Menge wurde inzwischen auf 1 kg reduziert, was für die Bawm nicht ausreicht, um ihre Familien zu ernähren. Armeeangehörige haben Kontrollpunkte eingerichtet, an denen Menschen stichprobenartig durchsucht und willkürlich festgenommen werden. Auch Schüler*innen und Studierende haben unter den Folgen des Einsatzes zu leiden. Laut Angaben eines Sprechers der Bawm gibt es ca. 200-300 Bawm, die Schulen und Universitäten in Dhaka und anderswo besuchen. Sie befanden sich für das Fest des Fastenbrechens (Eid al-Fitr) gerade zuhause, als der Militäreinsatz begann, und waren bisher nicht in der Lage, an ihren Bildungsort zurückzukehren. Einige von ihnen sind ebenfalls willkürlich festgenommen worden. 

Ähnlich wie andere indigene Gemeinschaften in Bangladesch leben auch die Bawm vom Wanderfeldbau, was bedeutet, dass die Felder für einen bestimmten Zeitraum genutzt und dann andere Felder erschlossen werden. Zur jetzigen Jahreszeit müssten eigentlich die Feldflächen vorbereitet und bestellt werden, was für die Bawm jedoch nur schwer möglich ist, da so viele von ihnen in den Dschungel fliehen mussten oder inhaftiert wurden. 

Der Militäreinsatz betrifft fünf Dörfer in den Unterbezirken Ruma, Bandarban und Rowangchari der Chittagong Hill Tracts: Bethel, Pankhyang, Suanlu, Faruk, Eden und Darjeeling. 

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Bitte bis 22. August unterschreiben.