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© Alexander Pohl / Action Press / picturedesk.com
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Deutschland: Selbstbestimmungsrecht ist Meilenstein, es bleibt aber noch viel zu tun

Amnesty International begrüßt die Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetz im deutschen Bundestag am 12. April 2024 als Meilenstein. Das Gesetz ist die Errungenschaft von vielen queeren Organisationen und Aktivist*innen, die sich unermüdlich dafür eingesetzt haben. Es bleibt aber aus menschenrechtlicher Sicht noch einiges zu tun.

Das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt das diskriminierende Transsexuellengesetz, das 1981 in Kraft trat und bereits mehrfach vom Bundesverfassungsgericht als in Teilen verfassungswidrig erklärt worden ist. Grundlegende Menschenrechte wie das Verfügen über den eigenen Körper und die eigene Gesundheit wurden bisher verletzt sowie die rechtliche Anerkennung der Geschlechtlichkeit und der Geschlechtsidentität erschwert.

Die Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetz ist aus Sicht von Amnesty International ein wichtiger und längst überfälliger Schritt für die Rechte von trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen. Das Gesetz bleibt aber gleichzeitig hinter manchen menschenrechtlichen Anforderungen zurück.

Claude Beier, Expert*in für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "Es war höchste Zeit, die veralteten, diskriminierenden Regelungen für die rechtliche Anerkennung des Geschlechts mit einem menschenrechtskonformen Gesetz abzulösen. Die Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetz ist ein Meilenstein für trans, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Das Gesetz ist die Errungenschaft von queeren Organisationen, die sich unermüdlich dafür eingesetzt haben.

Es bleibt noch viel zu tun

"Dennoch bleibt das Gesetz hinter den menschenrechtlichen Erfordernissen zurück. Zwar bedarf es nun grundsätzlich keiner erniedrigenden und diskriminierender Gutachten für eine Angleichung der Geschlechtsidentität mehr. Jedoch bleibt die historische Pathologisierung und Fremdbestimmung von trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen in einigen Paragraphen bestehen, so zum Beispiel in den Änderungen zum Passgesetz.

Für minderjährige Personen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, bedarf es nicht nur der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters, sondern auch der Versicherung einer erfolgten Beratung. Dies missachtet die freien Ansichten und sich entwickelnden Fähigkeiten von Jugendlichen. Leider sagt das Gesetz auch nicht, wie Kinder unterstützt werden können, deren gesetzliche Vertreter*innen nicht zustimmen oder die an eine Beratung geraten, die nicht diskriminierungsfrei arbeitet.

Weiterhin betont das Gesetz fälschlicherweise einen potenziellen Missbrauch der selbstbestimmten Namens- und Personenstandsangleichung. In mehreren Regelungen spiegeln sich Vorurteile und Misstrauen gegenüber trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen wider. Diese Vorurteile wurden während der öffentlichen Debatte rund um das Gesetz geschürt und verfestigt. Dabei geriet immer wieder aus dem Fokus, dass es beim Selbstbestimmungsgesetz um Menschenrechte geht – wie das Verfügen über den eigenen Körper und die eigene Gesundheit sowie die rechtliche Anerkennung der Geschlechtlichkeit und der Geschlechtsidentität."

Vorschläge für Nachbesserungen liegen auf dem Tisch

Amnesty International hat bereits im Mai 2023 in einer Stellungnahme an das Bundesjustizministerium Nachbesserungen angemahnt. Positiv ist, dass das "Offenbarungsverbot" gestärkt wurde. Leider kam es zu neuen Textpassagen, die aus menschenrechtlicher Sicht bedenklich sind. So gilt es nur für Menschen mit bestimmten Aufenthaltstiteln, wodurch beispielsweise Asylsuchende in Duldung oder staatenlose Personen von den Regelungen des Gesetzes ausgeschlossen sind.

Beier sagt: "Queere Geflüchtete gehören zu einer besonders vulnerablen Gruppe – ihr Schutz und Zugang zu einem schnellen und transparenten Verfahren zur Angleichung der Geschlechtsidentität muss gewährleistet sein."

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