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Wenn junge Menschen auf die Straße gehen, um Maßnahmen für drängende Probleme zu fordern, fordert dieser Aktivismus seinen Tribut, auch in Hinblick auf das psychische Wohlbefinden. Ein Besuch bei der Letzten Generation.
Es ist Anfang April, es hat 25 Grad, und die Nachrichten sind voll von Meldungen über Rekordtemperaturen. Die Sonne prallt mir auf den Kopf, als ich auf der vierspurigen Straße vor dem Museumsquartier in Wien stehe. Nach und nach versammeln sich Jugendliche und Erwachsene, um für eine lebenswerte Zukunft zu protestieren.
Lilith Ondas, Aktivistin der Letzten Generation, war bereits frühmorgens unterwegs. Sie kommt extra von Graz nach Wien, um an der Protestaktion teilzunehmen. Auch wenn es für die 17-Jährige neben der Schule stressig ist, politisch aktiv zu sein, ist eines für sie klar: „Ich kann etwas tun und darum muss ich auch etwas tun.“ Die Grazerin hilft fleißig beim Aufbauen mit. Es ist für alles gesorgt: reichlich Getränke, Sonnencreme, Reden werden gehalten, sogar eine Testklebestation wird errichtet.
Während Lilith meine Finger mit Superkleber auf den Boden befestigt, erzählt sie, wie es für sie war, das erste Mal auf der Autobahn festgeklebt zu sein: „Ich habe am Anfang gezittert. Ich war richtig nervös. Aber es sind genug Menschen um einen herum, die darauf achten, dass alles passt und nichts passieren kann. Am Ende des Tages ist es ein tolles Gefühl, wenn man aktiv für den Klimaschutz kämpft.“
Seit 2018 ist Fridays For Future in Österreich aktiv und auch Lilith war Teil davon. Seit sie 14 Jahre alt ist, kämpft die Schülerin für Klimaschutzmaßnahmen. Die Pandemie legte die Proteste lahm und Lilith stieg aus. Sie brauchte eine Pause. Ihre psychische Gesundheit litt während der Pandemie und unter den unzureichenden Maßnahmen gegen die Klimakrise.
Deswegen ist der emotionale Support der Letzten Generation ein wichtiges Organ für die Aktivist*innen. Sie sind auch heute bei der Protestaktion vor Ort.
Aktivist*innen der Letzten Generation stoßen auf sehr viel Unverständnis seitens ihrer Familie oder Freund*innen, erleben zum Teil auch Gewalterfahrungen bei Protesten und fühlen sich sehr hilflos und ohnmächtig. Dafür sind wir dann da, um ihnen zuzuhören, sie zu unterstützen und Verständnis für ihre Erfahrungen zu zeigen.
Peter Baumann, Leiter des emotionalen Supports der Letzten Generation
Außerdem komme auch außerhalb des Aktivismus viel Verzweiflung und Frustration auf, weil sich trotz ihrer Bemühungen politisch so wenig ändere. „Oft kommen Aktivist*innen zu mir und fragen sich: ‚Bringt das alles überhaupt etwas?‘“, führt der Psychotherapeut weiter aus.
Die negativen Auswirkungen der Klimakrise auf die mentale Gesundheit junger Menschen sind unbestreitbar. Die letzte Shell-Jugendstudie von 2019 bestätigt, dass die Hauptsorge junger Menschen zwischen 12 und 25 Jahren die Umweltverschmutzung ist.
Dies spiegelt sich auch in der Klimabewegung der letzten Jahre wider, die vor allem durch junge Menschen getragen wird. „Die junge Generation hat ein Bedürfnis, aktiv zu sein und unmittelbar zu handeln“, erklärt Protestforscher Felix Butzlaff. Die große Zahl junger Beteiligter an Protestbewegungen sei laut ihm in allen aktivistischen Bewegungen zu beobachten. Einen Nachteil hat die Generation Z im Gegensatz zu früheren Generationen.
„Die Generation Z ist anteilsmäßig viel kleiner als die älteren Generationen. Selbst wenn sie wählen können, haben sie weniger Einfluss. Und das obwohl ihre Zukunft davon abgehängt“, fügt Baumann hinzu.
Nach ihrer Pause kehrte Lilith nicht zu Fridays For Future zurück. Sie schloss sich der Letzten Generation an: „Ich hatte das Gefühl, ich müsste mehr tun, noch aktiver sein, mehr aufrütteln. Es ist höchste Zeit, dass sich etwas ändert.“
Für Butzlaff ist es nicht überraschend, dass Aktivist*innen von Fridays For Future zur Letzten Generation wechseln: „Fridays For Future geht den repräsentativen politischen Weg. Die Letzte Generation ist in diesem Sinne viel attraktiver, weil sie auch das Gefühl der eigenen Hilflosigkeit bekämpft. Viel stärker als es andere Klimabewegungen tun. Ihre Art von Widerstand bringt das eigene Nicht-Einverstanden-Sein sehr stark zum Ausdruck. Es zeigt auch die Verzweiflung und die Ohnmacht der Aktivist*innen gegenüber der Politik.“
Diese Verzweiflung und Ohnmacht sind auch an Liliths Stimme zu hören: „Auf uns wird nicht gehört“, sagt sie enttäuscht. Die Schülerin hat das Gefühl, dass die Regierung Fridays For Future als Mittel zum „Greenwashing“ benutzt, um sich als klimabewusst zu präsentieren. Ihrer Ansicht nach wurden nicht genügend Maßnahmen gegen die Klimakrise seit 2018 eingeführt.
Greenwashing ist vielleicht nicht die richtige Bezeichnung. Aber was sehr wohl problematisch ist, ist die Verantwortungsabgabe der Parteien an Aktivist*innen, für eine politische Mehrheit zu sorgen. Die Willensbildung für den Klimaschutz ist eigentlich auch Aufgabe der Parteien.
Felix Butzlaff, Protestforscher
Durch die Letzte Generation betrat der zivile Ungehorsam die Bühne der öffentlichen Aufmerksamkeit – weniger politisch verträglich, allerdings mit klaren Forderungen: Die Regierung muss Klimaschutz in der Verfassung verankern und auf die Empfehlungen des österreichischen Klimarats hören.
Der Klimarat besteht aus 100 zufällig ausgewählten Bürger*innen aller Regionen und Teilen der Gesellschaft Österreichs. Gemeinsam haben sie Maßnahmen erarbeitet, um die Klimazukunft Österreichs aktiv mitzugestalten. So könnte politische Partizipation funktionieren und die Letzte Generation hätte somit ihre Ziele erreicht und würde mit Protesten aufhören.
Die Forderungen des Klimarats seien durchaus realistisch und umsetzbar. Doch auch wenn die Mehrheit der Menschen Klimaschutz befürwortet, sinkt die Zustimmung, sobald es um konkrete Maßnahmen gehe, erklärt Butzlaff.
Viele haben Angst, durch den Klimaschutz sozial oder ökonomisch benachteiligt zu werden. Es ist daher Aufgabe der Politik, Lösungen zu finden, die hier Vertrauen stiften.
Felix Butzlaff, Protestforscher
Diese Verschiebung von Verantwortung empfindet auch Lilith. Obwohl die Grazerin politisch sehr aktiv ist, wolle sie nicht in die Politik gehen. Sie würde ihre freien Tage lieber mit Fotografie verbringen und nach der Schule Psychologie studieren. Doch die unzureichenden Maßnahmen der Politik drängen sie zum Handeln: „Aktiv zu sein, hilft gegen die Panik. Zu sehen, dass so viele Menschen gemeinsam für den Klimaschutz kämpfen, beruhigt einen sehr.“
Dieser Zusammenhalt zwischen den Aktivist*innen der Letzten Generation und anderen Organisationen ist auch bei der Protestaktion an diesem Tag im April deutlich zu spüren. Inzwischen ist die vierspurige Straße vor dem Museumsquartier mit Menschen gefüllt, die sich austauschen und gemeinsam Musik hören.
Lilith und ich sitzen bei der Testklebestation und unterhalten uns mit Aktivist*innen und Protestteilnehmer*innen. Die Stimmung ist gut und fast vergesse ich, dass meine Handfläche am Betonboden klebt. Die Aktivistin schüttet Nagellackentferner über meine Hand und langsam löst sich der Kleber.
Text: Celeste-Sarah Ilkanaev
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