Friedlich die eigene Meinung äußern, auf die Straße gehen und protestieren, lieben, wen sie wollen oder frei den eigenen Glauben wählen – für diese grundlegenden Menschenrechte kämpfen viele, vor allem junge Menschen im Iran bis heute. Seit Jahrzehnten herrschen im Iran Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung und Straflosigkeit für die Verbrechen des Regimes. Jeglicher Dissenz wird gnadenlos unterdrückt. Das Innenministerium sowie die Sicherheits- und Nachrichtendienste verbieten unabhängige politische Parteien, Menschenrechtsgruppen und andere zivilgesellschaftliche Initiativen. Alle Arten von Medien unterliegen der Zensur. Die Körper und Leben von Frauen und Mädchen werden staatlich kontrolliert und beschränkt. Jedes Jahr werden Tausende von Menschen willkürlich inhaftiert und zu Unrecht strafrechtlich verfolgt, weil sie friedlich ihre Menschenrechte ausgeübt hatten.
Wer im Iran versucht für Menschenrechte einzustehen, riskiert einen hohen Preis zu bezahlen. Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen sind im Iran weit verbreitet und werden systematisch angewendet, ohne geahndet zu werden. Gerichte verhängen Körperstrafen, die der Folter gleichkommen, wie Auspeitschungen und Amputationen. Das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren wird systematisch verletzt. Die Todesstrafe dient als Mittel der politischen Unterdrückung. Im Jahr 2022 ließen die iranischen Behörden mindestens 576 Menschen hinrichten.
Flucht aus dem Iran
Die katastrophale Menschenrechtslage hat in den letzten Jahrzehnten viele Menschen gezwungen, ihre Heimat Iran zu verlassen. Viele von ihnen hoffen, eines Tages in einen freien Iran zurückkehren zu können, in dem Menschenrechte geachtet und ein menschenwürdiges Leben möglich ist.
Heute kann selbst ein Familienbesuch in der Heimat für Exil-Iraner*innen gefährlich sein: Die iranischen Behörden nehmen seit Jahren ausländische und Doppelstaatsangehörige unter falschen Anschuldigungen ins Visier, um diplomatischen Druck auszuüben. Unter dem Vorwand einer vermeintlichen Gefährdung der nationalen Sicherheit werden unschuldige Menschen inhaftiert und der Spionage bezichtigt. Dieses grausame System der Geiseldiplomatie traf in den letzten Jahren auch Menschen aus Österreich, die ihre Familie im Iran besuchen wollten, verhaftet wurden und jahrelang unschuldig im Iran in Haft saßen.
Wir fordern, dass sich Österreich aktiv in internationalen Gremien und über diplomatische Kanäle engagiert, um Rechenschaft und Gerechtigkeit im Sinne des Weltrechtsprinzips für im Iran begangene Menschenrechtsverletzungen einzufordern.
Shoura Zehetner-Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
Massenproteste für Freiheit und Menschenrechte
Ab September 2022 wurde der Iran von einem noch nie dagewesenen Aufstand der Bevölkerung gegen das System der Islamischen Republik erschüttert. Die 22-jährige Mahsa (Zhina) Amini, die der kurdischen Minderheit angehört und von der sogenannten „Sittenpolizei“ wegen ihres Kopftuchs festgenommen wurde, starb drei Tage nach ihrer Festnahme, am 16. September 2022. Augenzeug*innen zufolge wurde die Frau brutal geschlagen. In Reaktion auf ihren Tod brachen im Iran weitgehend friedliche Proteste aus, die von den iranischen Sicherheitskräften gewaltsam niedergeschlagen werden. Die Sicherheitskräfte schossen unrechtmäßig mit scharfer Munition und Metallkugeln. Hunderte von Männern, Frauen und Kindern wurden getötet und Tausende verletzt. Tausende Menschen wurden willkürlich inhaftiert und/oder zu Unrecht strafrechtlich verfolgt, nur weil sie friedlich ihre Menschenrechte wahrgenommen hatten. Um die Menschen von Protesten abzuhalten, gehen die Behörden mit Misshandlungen und Folter vor, die sogar gegen Kinder eingesetzt wird. Amnesty International hat aufgedeckt, wie die iranische Behörden Folter wie Schläge, Auspeitschungen, Elektroschocks, Vergewaltigungen und andere sexualisierte Gewalt gegen Kinder im Alter von 12 Jahren angewandt haben, um ihre Beteiligung an landesweiten Protesten zu unterbinden. Diese abscheuliche Gewalt gegen Kinder offenbart eine gezielte Strategie, um den lebendigen Geist der Jugend des Landes zu unterdrücken und sie davon abzuhalten, Freiheit und Menschenrechte einzufordern.
Die internationale Gemeinschaft muss handeln
Amnesty International fordert die österreichische Regierung auf, konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft zu ergreifen. Dazu zählt etwa die humanitäre Aufnahme und Unterstützung von Personen, die aufgrund ihres Aktivismus und ihres Einsatzes für die Menschenrechte gefährdet sind oder dringend medizinische Hilfe benötigen. Darüber hinaus appelliert Amnesty International an Österreich, sich vehement für ein Ende der Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen im Iran einzusetzen.
„Die Dringlichkeit, sich mit der Menschenrechtskrise im Iran zu befassen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die iranische Bevölkerung hat schon viel zu lange unter einem System gelitten, das seine Grundrechte und Freiheiten unterdrückt. Es ist unerlässlich, dass Regierungen wie Österreich Position beziehen und ihren Einfluss nutzen, um positive Veränderungen herbeizuführen“, sagt Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, und sagt weiter: „Wir fordern die internationale Gemeinschaft, einschließlich Österreich, dazu auf, sich mit der iranischen Bevölkerung zu solidarisieren und sich für die Verteidigung der Menschenrechte einzusetzen.“
Amnesty fordert die österreichische Regierung auf, ihr Bekenntnis zu den Menschenrechten in ihrer Politik gegenüber dem Iran hinsichtlich der folgenden Maßnahmen umzusetzen:
- Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft: Bereitstellung von Ressourcen für die Interessensvertretung und den Aufbau von Plattformen für Dialog und Zusammenarbeit. Bestehende Dialogplattformen im Bereich des interreligiösen Austauschs könnten vermehrt als Plattformen für die Begegnung mit Vertreter*innen der iranischen Zivilgesellschaft, insbesondere mit Frauenrechtsaktivist*innen, genutzt werden.
- Aufnahme von gefährdeten Personen: Österreich sollte entsprechend seiner humanitären Tradition eine verstärkte Rolle beim Schutz von gefährdeten Menschenrechtsaktivist*innen einsetzen. In diesem Zusammenhang fordert Amnesty die kurzfristige Aufnahme von Personen, die von Mitgliedern des iranischen Regimes verwundet wurden und derzeit in den Nachbarländern des Irans auf medizinische Behandlung warten.
- Straflosigkeit beenden: Aktives Engagement Österreichs in internationalen Gremien und über diplomatische Kanäle, um Rechenschaft und Gerechtigkeit für Menschenrechtsverletzungen zu fordern. Das Weltrechtsprinzip sieht eine Strafverfolgung der schwersten Verbrechen auch außerhalb jener Staaten vor, in denen diese Verbrechen begangen werden. Österreich sollte sich, auch im Sinne seiner Rolle als Amtssitzstaat der Vereinten Nationen, für eine Strafverfolgung jener Vertreter*innen des iranischen Regimes einsetzen, die solche Verbrechen begangen haben.