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Action

Große Sorge um Nasrin Sotoudeh

Dieser Appell ist abgeschlossen.

Nasrin Sotoudeh befindet sich in Haftfreistellung aus medizinischen Gründen. Amnesty International fordert weiterhin ihre bedingungslose Freilassung.

Vielen Dank allen, die sich für Nasrin Sotoudehs Freiheit eingesetzt haben!

Die bekannte iranische Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh setzt sich seit Jahren gegen die diskriminierende Verschleierungspflicht und die Todesstrafe ein. Die iranischen Behörden verurteilten sie deshalb zu über 38 Jahren Gefängnis und zu 148 Peitschenhieben.

Nasrin Sotoudeh wurde am 13. Juni 2018 festgenommen. Aufgrund ihrer friedlichen Menschenrechtsarbeit wurde sie in zwei unfairen Verfahren 2016 und 2019 zu insgesamt 38 Jahren und sechs Monaten Haft sowie 148 Peitschenhieben verurteilt. Im August 2020 begann sie einen Hungerstreik, um gegen den fortgesetzten Missbrauch des Strafjustizsystems durch die iranischen Behörden zu protestieren. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich in der Folge sehr.

Seit ihrer unrechtmäßigen Festnahme und Verurteilung haben weltweit hunderttausende Menschen Nasrin Sotoudehs Freilassung gefordert. Der internationale Druck zeigt Wirkung – Nasrin Sotoudeh befindet sich derzeit in Haftfreistellung aus medizinischen Gründen.

Amnesty International beobachtet die Situation und fordert weiterhin von den iranischen Behörden, Nasrin Sotoudeh permanent und bedingungslos freizulassen.

Nasrin Sotoudeh war am 13. Juni 2018 in ihrer Wohnung in Teheran willkürlich festgenommen und ins Evin-Gefängnis gebracht worden, wo sie seitdem im Frauentrakt festgehalten wird. Ihr Prozess fand am 30. Dezember 2018 vor der Abteilung 28 des Teheraner Revolutionsgerichtes in ihrer Abwesenheit statt, da sie sich weigerte, an dem unfairen Gerichtsverfahren teilzunehmen. Der Zugang zu ihrem Rechtsbeistand war ihr verweigert worden.

In der Anklageschrift werden sieben Anklagepunkte aufgeführt. Vier davon beziehen sich auf ihren Widerstand gegen das iranische Verschleierungsgesetz: "Anstiftung zu Verdorbenheit und Prostitution", "öffentliche Begehung einer sündigen Handlung durch Nicht-Tragen des Hidschab", "Störung der öffentlichen Ordnung" und "Beeinflussung der öffentlichen Meinung". Die drei weiteren Anklagen gegen sie lauten auf "Gründung einer Gruppe zur Gefährdung der nationalen Sicherheit", "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit". Sie basieren ebenfalls auf friedlichen Aktivitäten, die von den Behörden als "kriminell" eingestuft werden, so zum Beispiel die Mitgliedschaft in Menschenrechtsgruppen wie dem Zentrum zur Verteidigung der Menschenrechte und der Gruppe Step by Step Abolition of the Death Penalty, die sich für die Abschaffung der Todesstrafe im Iran einsetzt.

Als Nasrin Sotoudeh im September 2016 in einem separaten Verfahren zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, geschah dies ebenfalls in ihrer Abwesenheit vor der Abteilung 28 des Teheraner Revolutionsgerichtes. Die Gerichtsbehörden verweigerten ihr mit der Behauptung, sie sei nicht angemessen islamisch gekleidet, den Einlass in das Gericht. Weitere Informationen finden sich in diesem englischen Bericht: www.amnesty.org/en/documents/mde13/0024/2019/en/.

Nasrins Erklärung

Nasrin Sotoudeh hat die folgende Erklärung veröffentlicht, als sie am 10. August in den Hungerstreik trat:

Liebe Menschenrechtsaktivist*innen,

mitten in der Corona-Krise, die den Iran und die ganze Welt im Griff hält, sind die Bedingungen für politische Gefangene so schwierig und problematisch geworden, dass ihre fortgesetzte Inhaftierung in dieser furchtbaren Situation nicht mehr möglich ist. Die Fälle der aus politischen Gründen Verurteilten basieren auf unglaublichen Anklagen wie Spionage, Verbreitung von Verdorbenheit auf Erden, Handlungen gegen die nationale Sicherheit, Korruption und Prostitution und die Gründung illegaler Gruppen auf [dem Messenger-Dienst] Telegram – Anklagen, die mit bis zu zehn Jahren Haft oder der Todesstrafe geahndet werden.

Vielen Angeklagten wird von Beginn des Verfahrens bis zur Urteilsverkündung der Zugang zu einem unabhängigen Rechtsbeistand verweigert bzw. die Möglichkeit, frei mit dem eigenen Rechtsbeistand zu kommunizieren. Die Richter am Revolutionsgericht teilen aus politischen Gründen Angeklagten [Inhaftierten] ohne jede Scham und wiederholt mit, dass sie ihre Urteile allein auf Berichte der Geheimdienste und anderer Sicherheitsbehörden stützen, und die Ermittler*innen sagen den Angeklagten schon bei der Festnahme, wie das Urteil lauten wird. Rechtsbeistände, die den Zorn der Richter*innen am Revolutionsgericht auf sich ziehen, werden inhaftiert. Angeklagte, die nicht nachvollziehbarer schwerer Straftaten angeklagt werden, erhalten die höchstmögliche Strafe, und in einigen Fälle sogar noch höhere Strafen als die Höchststrafe. Politische Gefangene, gegen die unter solch unfairen Bedingungen Strafen verhängt wurde, bleiben ungläubig zurück und hoffen, dass es noch einen rechtlichen Ausweg für sie gibt.

Versprochen worden sind Berufungsgerichte, Bewährungsstrafen, die Aussetzung oder Verschiebung von Strafen sowie ein neues Gesetz, das darauf abzielt, geringere Strafen zu verhängen, aber in diesen außergerichtlichen Verfahren liegt es im Ermessen der Verhörbeamt*innen, ob diese gesetzlich festgelegten Rechte gewährt werden, und somit sind die letzten Türen, die für rechtliche Schritte noch offen standen, für politische Gefangene geschlossen. Viele dieser Gefangenen haben inzwischen das Recht, auf Bewährung aus der Haft entlassen zu werden, und viele könnten unter Anwendung des neuen Gesetzes freigelassen werden, aber die Inhaftierten werden so behandelt, als gäbe es dieses Gesetz nicht, und ihnen wird das Recht verweigert, diese rechtlichen Möglichkeiten wahrzunehmen. Anträge von Gefangenen, die gesetzlich möglichen rechtlichen Schritte einzuleiten, bleiben unbeantwortet.

Damit diese Anträge bearbeitet werden und alle politischen Gefangenen freigelassen werden, gehe ich jetzt in den Hungerstreik. In der Hoffnung auf Gerechtigkeit in meinem Land, Iran.

Nasrin Sotoudeh, Frauentrakt im Evin-Gefängnis, 10. August 2020.