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© Srikandi Lestari
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Indonesien: Fischer wegen Umweltprotest vor Gericht

Ilham Mahmudi und Taufik, zwei Fischer aus der indonesischen Provinz Nordsumatra, stehen vor Gericht, weil sie ihr Küstendorf vor der Überflutung bewahren wollten. Ihnen drohen bis zu fünfeinhalb Jahre Gefängnis, nachdem sie wegen angeblicher Gruppengewalt und Sachbeschädigung angeklagt wurden. Lokale Nichtregierungsorganisationen und Rechtsbeistände betrachten die Anklage als ungerechte Kriminalisierung im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten als Umweltaktivisten.

Gemeinsam mit ihrer Gemeinde haben die beiden Fischer Ilham Mahmudi und Taufik lautstark gegen Eingriffe in den geschützten Mangrovenwald in ihrem Dorf Kwala Langkat, protestiert. Sie befürchten, dass die Eingriffe eines privaten Unternehmens in den Wald zu einer Küstenerosion führen könnte, die die Existenz ihres Dorfes gefährdet.

Am 15. Juli 2024 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Ilham Mahmudi und Taufik wegen angeblicher Beteiligung an Gruppengewalt und Sachbeschädigung während eines Protestes am 21. März 2024, bei dem eine behelfsmäßige Hütte im Wald beschädigt wurde. Sie wurden nach wochenlanger Untersuchungshaft vor Gericht gestellt, nachdem sie am 18. April bzw. 11. Mai 2024 getrennt festgenommen worden waren. Beide wurden ohne Haftbefehl von Polizeibeamt*innen in Zivil festgenommen, und hatten bei ihrem ersten Verhör keinen Rechtsbeistand an ihrer Seite.

Während Taufik seit dem 4. Juli aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, befindet sich Ilham Mahmudi nach wie vor im Gewahrsam der Staatsanwaltschaft. Ihnen drohen bis zu fünfeinhalb Jahre Gefängnis. Darüber hinaus haben die Dorfbewohner*innen berichtet, dass sie eingeschüchtert wurden und ihnen gedroht wurde, sie würden kriminalisiert, weil sie gegen den Eingriff protestierten.

Die Situation ist besorgniserregend, insbesondere vor dem Hintergrund der Bemühungen der Gemeinde, ihr Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt zu schützen, sowie des Rechts der Umweltaktivist*innen auf ein faires Gerichtsverfahren nach dem Rechtsstaatsprinzip.

Fordere jetzt mit uns von der Staatsanwältin des Regierungsbezirks Langkat, Ilhams und Taufiks Recht auf ein faires Verfahren zu gewährleisten und ihr Recht auf friedlichen Protest zu respektieren.

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Mehr Informationen zum Fall

Im Jahr 2014 begannen die Bewohner*innen des Dorfes Kwala Langkat im Bezirk Langkat in der Provinz Nordsumatra mit der Neuanpflanzung von Mangrovenbäume in dem Gebiet. Das Mangroven-Ökosystem ist für ihren Lebensunterhalt von entscheidender Bedeutung, da die Dorfbevölkerung auf den Fischfang angewiesen ist. In den darauffolgenden Jahren wurden die Schutzmaßnahmen jedoch durch Eingriffe der Palmölindustrie in das Gebiet behindert. Die Schäden am Mangroven-Ökosystem beeinträchtigten die Arbeit der örtlichen Fischer*innen, die nun weiter aufs Meer hinausfahren müssen, um zu ihrem Einzugsgebiet zu gelangen, und führten außerdem zu Überschwemmungen in ihrem Dorf. Die Dorfbewohner*innen befürchten weitere Erosion, zumal das benachbarte Dorf Tapak Kuda aufgrund des steigenden Meeresspiegels bereits überflutet wurde. 

Im Januar 2024 wurde ein weiterer Teil des Mangrovenwaldes für den Palmölanbau abgeholzt. Dies führte zu Protesten seitens der Dorfbewohner*innen, die den Eingriff in den Wald später der Regionalpolizei von Nordsumatra meldeten. Die Polizei begab sich daraufhin vor Ort und beschlagnahmte am 6. Februar 2024 einen Bagger, unternahm aber keine weiteren Schritte zur Untersuchung der Eingriffe. Aus Frustration über die Untätigkeit der Polizei rissen einige Anwohner*innen eine Hütte im Mangrovenwald ab, die von den Baggerfahrer*innen als Pausenunterkunft genutzt wurde. 

Am 22. März 2024 wurde Ilham Mahmudi bei der Polizei angezeigt, weil er an der Zerstörung einer Holzhütte durch einen Mann beteiligt gewesen sein soll, der mit den Eingriffen in Verbindung steht. Am 18. April 2024 nahmen Polizist*innen in Zivil Ilham Mahmudi ohne Haftbefehl in seinem Haus fest. Augenzeug*innen zufolge wurde er gefesselt und in ein Auto gezwungen. Bei seinem ersten Verhör war kein Rechtsbeistand anwesend. Später wurde er gezwungen, sich von einem von der Polizei ausgewählten Rechtsbeistand vertreten zu lassen, bevor Rechtsbeistände des Medan Legal Aid Institute (LBH Medan) am 26. April 2024 seinen Fall übernahmen. Noch am Tag der Festnahme von Ilham Mahmudi haben Dorfbewohner*innen Berichten zufolge das Haus eines Mannes, der mutmaßlich in Verbindung mit den Eingriffen steht, mit Steinen beworfen und dabei einige Fenster zerstört.

Taufik wurde zunächst am 11. Mai 2024 zusammen mit einem anderen Fischer, Safii, verhaftet,  und beschuldigt, an der Beschädigung des Hauses am 18. April beteiligt gewesen zu sein. Sie wurden von der Polizei verhaftet, als sie in einem Boot auf dem Meer nach Muscheln fischten. Polizist*innen in Zivil kamen mit einem Schnellboot, nahmen die beiden ohne Haftbefehl fest und drohten, sie zu erschießen, sollten sie sich weigern, ihnen Folge zu leisten. Auch ihnen stand bei ihrer ersten Vernehmung am Nachmittag des 11. Mai kein Rechtsbeistand zur Seite. Am Abend desselben Tages kamen Rechtsbeistände von LBH Medan vorbei, die von ihnen bevollmächtigt wurden, sie rechtlich zu vertreten. Nach Angaben von LBH Medan zeigte die Videoüberwachung, die der*die Hauseigentümer*in der Polizei als Beweismittel bereitgestellt hatte, dass Taufik am Tag des Vorfalls nur in der Nähe des Hauses gestanden hatte, während Safii versuchte, die Dorfbewohner*innen daran zu hindern, das Haus zu beschädigen.

Im Polizeigewahrsam wurde gegen Taufik auch wegen seiner angeblichen Beteiligung an der Zerstörung der Hütte im Wald ermittelt, und er wurde später als Verdächtiger in diesem Fall benannt. Am 4. Juli 2024 wurde die Anklage gegen Taufik und Safii in dem Fall vom 18. April fallen gelassen und das Verfahren eingestellt, nachdem sie einen Vergleich mit dem Hauseigentümer unterzeichnet hatten. Safii wurde daraufhin freigelassen. An diesem Tag sollte auch der Prozess gegen Ilham Mahmudi und Taufik beginnen. Er wurde verschoben, da ihr Rechtsbeistand erkrankt war. Am gleichen Tag ordneten die Richter*innen jedoch die Entlassung von Taufik aus der Untersuchungshaft an, während Ilham Mahmudi sich seit seiner Verlegung aus dem Polizeigewahrsam am 14. Juni 2024 im Gewahrsam der Staatsanwaltschaft Langkat befindet. Am 15. Juli 2024 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Ilham Mahmudi und Taufik gemäß Paragraf 170 Absatz 1 bzw. Paragraf 406 des Strafgesetzbuchs wegen Gruppengewalt und Sachbeschädigung. Lokale NGOs gehen davon aus, dass das Strafverfahren eine Form von Kriminalisierung darstellt, die darauf abzielt, die Arbeit der lokalen Gemeinschaft zur Erhaltung der Mangrovenwälder und zur Verteidigung ihres Rechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt zu unterdrücken.

Indonesien hat sich im Rahmen der Bemühungen zur Bewältigung der Klimakrise dazu verpflichtet, ökologische Nachhaltigkeit zu gewährleisten und "bis 2060 oder früher" Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Allerdings werden Umweltaktivist*innen in Indonesien zunehmend schikaniert und kriminalisiert, wenn staatliche und wirtschaftliche Akteure ihre Aktivitäten als Hindernis für die Umsetzung der Entwicklungspolitik wahrnehmen. Zwischen Januar 2019 und Juni 2024 hat Amnesty International mindestens 18 Fälle von Festnahmen, Angriffen und Einschüchterung von Umweltaktivist*innen, die ihre Rechte auf Land und eine gesunde Umwelt verteidigten, mit 24 Betroffenen verzeichnet.

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