Omoyele Sowore und Olawale Adebayo Bakare wurden gegen Kaution aus dem Gewahrsam des Staatssicherheitsdienstes in Abuja freigelassen, doch Agba Jalingo sitzt weiterhin im Gefängnis von Calabar im südnigerianischen Bundesstaat Cross River in Haft. Omoyele Sowore und Olawale Adebayo Bakare werden beschuldigt, eine unter dem Hashtag #RevolutionNow geplante Protestveranstaltung zur Einforderung einer regelkonformen Regierungsführung und der Achtung der Menschenrechte in Nigeria geplant zu haben. Dies betrachtet die Regierung als Landesverrat und als Aufruf, die Regierung auf undemokratische Weise zu stürzen.
Am 22. August 2019 nahmen Polizist*innen Agba Jalingo, fest. Er ist Journalist der Nachrichten-Website CrossRiverWatch. Er hatte einen Artikel veröffentlicht, in dem er die Regierung des Bundesstaates Cross River aufforderte, Rechenschaft über den Verbleib von 500 Millionen Naira (etwa 1,25 Millionen Euro) abzulegen, die für die Cross River Mikrokreditbank zugesagt und bereitgestellt wurden. Agba Jalingo verbrachte 33 Tage in Polizeigewahrsam ohne Zugang zu seinem Rechtsbeistand und seiner Familie. Dann wurde er angeklagt, Landesverrat und landesverräterische Verbrechen begangen sowie falsche Informationen veröffentlicht und zu Terrorismus aufgewiegelt zu haben. Gegen ihn läuft zurzeit ein Gerichtsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor der Zweigstelle des Hohen Bundesgerichts in Calabar.
Am 23. Oktober 2019 gestattete das Hohe Bundesgericht der Staatsanwaltschaft, Zeug*innen aufzurufen und ordnete an, das Verfahren gegen Agba Jalingo unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiterzuführen. Das bedeutet, dass die Öffentlichkeit den Prozess nicht beobachten kann und es wirft Fragen hinsichtlich der Transparenz und Fairness des Gerichtsverfahrens auf. Nachdem ein Audiomitschnitt aufgetaucht war, in dem zu hören ist, wie der vorsitzende Richter Simon Amobeda sagt, dass Agba Jalingo genauso wie Ken Saro-Wiwa behandelt werden würde, gab er den Fall ab. Der Menschenrechtsaktivist Ken Saro-Wiwa war 1995 nach einem Todesurteil gehängt worden. Nach seinem Rückzug aus dem Fall hätte Richter Simon Amobeda die Fallakten umgehend an das Oberste Gericht zur Neuzuweisung zurückgeben müssen. Das tat er nicht. Stattdessen hielt er die Akten nach seinem Rückzug noch einen Monat zurück; vermutlich, um das Verfahren hinauszuzögern.
Amnesty International ist der Ansicht, dass die Anklagen gegen Omoyele Sowore, Olawale Adebayo Bakare und Agba Jalingo der Versuch sind, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Hintergrundinformationen
Der Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft wird in Nigeria immer mehr eingeschränkt, da die nigerianischen Behörden immer drastischer gegen die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung vorgehen. Behörden schüchtern Journalist*innen, Blogger*innen, Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen mittels verbalen und körperlichen Angriffen, willkürlichen Festnahmen, Inhaftierungen und Strafverfolgungsmaßnahmen ein. Viele der Betroffenen sehen sich mit Anklagen wie „Verleumdung“, „Terrorismus“, „Cyberstalking“, „Entführung“, „Hausfriedensbruch“ oder „Diebstahl von Staatsdokumenten“ konfrontiert. Für die Strafverfolgung dieser Anklagen werden – neben anderen Gesetzen – auch das Gesetz gegen Internetkriminalität und das Gesetz gegen Terrorismus herangezogen. Im Falle einer Verurteilung nach dem Terrorism Act droht die Todesstrafe.
Momentan prüft der nigerianische Senat zwei strenge Gesetzesvorlagen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet betreffen. Eine davon sieht in Fällen von „Hassrede“ die Todesstrafe vor. Die beiden Gesetzesvorlagen werden von der nigerianischen Regierung unterstützt. Sie stellen eine neue, alarmierende Eskalationsstufe des Versuchs seitens der Regierung dar, Nutzer*innen der Sozialen Medien zu zensieren und freie Meinungsäußerungen zu unterbinden.