Die damals 17-jährige Dipti Rani Das, die der hinduistischen Minderheit in Bangladesch angehört, wurde im Oktober 2020 wegen eines Facebook Posts festgenommen. Seither befindet sie sich in Haft. Ihr wird unter dem drakonischen Gesetz zur digitalen Sicherheit vorgeworfen, „religiöse Gefühle verletzt“ und „Recht und Ordnung gestört“ zu haben.
Am 28. Oktober 2020 postete Dipti Rani Das ein Foto einer Frau mit einem Koran zwischen den Beinen auf ihrem Facebook-Profil. Aus Sorge über die Folgen, die der Post für seine Tochter haben könnte, ging ihr Vater am Nachmittag gemeinsam mit ihr und weiteren Familienmitgliedern zu einer Polizeiwache. Dort wollte er eine Lösung für die Situation finden, bevor sie eskalieren würde. Stattdessen sah sich die Familie einer Versammlung von etwa 100 religiösen Geistlichen gegenüber, die eine Klage gegen Dipti Rani Das einreichen wollten. Daraufhin entschuldigten sie sich für den Facebook-Post, sowohl bei den Anwesenden auf der Polizeiwache als auch bei der muslimischen Gemeinschaft insgesamt. Diese Entschuldigung wurde von einigen der Anwesenden per Livestream auf Facebook übertragen. Außerdem entschuldigte sich die Familie schriftlich beim örtlichen Polizeichef. Die per Livestream übertragene Entschuldigung erregte zahlreiche Menschen aus ihrer Nachbarschaft, die dann später das Haus von Dipti Rani Das und ihrer Familie angriffen und forderten, dass die Teenagerin herauskommen solle.
Aus Angst vor weiteren Angriffen versuchte der Vater von Dipti Rani Das, seine Tochter für einige Tage mit dem Zug zu einer Verwandten zu schicken. Im Zug wurde sie jedoch erkannt. Mehrere Personen stoppten den Zug, hielten Dipti Rani Das fest und brachten sie auf eine Polizeiwache. Dort forderten sie, dass sie für die Veröffentlichung des Fotos bestraft wird. Die Polizei nahm die damals 17-Jährige fest und beschuldigte sie unter dem drakonischen Gesetz zur digitalen Sicherheit von 2018 der vagen Vorwürfe „religiöse Gefühle verletzt“ sowie „Recht und Ordnung gestört“ zu haben. Seither ist sie in einer Justizvollzugsanstalt in Rajshahi – einem nördlichen Distrikt von Bangladesch – in Haft.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung darf nur eingeschränkt werden, wenn es für ein legitimes Ziel unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist. Der Schutz religiöser Überzeugungen ist kein zulässiger Grund dafür. Auch das Verbot von respektlosen Äußerungen gegenüber einer Religion ist nicht vereinbar mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat Bangladesch ist.
Dipti Rani Das hatte sich zum Zeitpunkt ihrer Festnahme bereits für ihr erstes Studienjahr eingeschrieben, doch nun kann sie ihr Studium nicht anfangen. Aufgrund der gegen sie erhobenen Vorwürfe ist sie auch zukünftig in Gefahr, schikaniert und diskriminiert zu werden. Dipti Rani Das sollte jetzt in der Ausbildung sein, nicht im Gefängnis.
Hintergrundinformationen
Dipti Rani Das‘ Antrag auf Freilassung gegen Kaution wurde bereits dreimal abgelehnt, bevor er am 11. Mai 2021 vom Obersten Gerichtshof bewilligt wurde. Doch nachdem der stellvertretende Bezirkskommissar ihres Heimatdistrikts Dinajpur Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einlegte, wurde ihre Freilassung ausgesetzt.
Laut dem UN-Menschenrechtsausschuss ist es mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unvereinbar, das Zeigen von mangelndem Respekt für eine Religion oder ein anderes Glaubenssystem gesetzlich zu untersagen, beispielsweise mittels Blasphemiegesetzen. Ausgenommen von dieser Regelung sind lediglich solche Situationen, in denen die Respektlosigkeit Hass fördern soll und zu Gewalt, Feindseligkeit oder Diskriminierung aufruft.
Dipti Rani Das liebt die Romane von Humayun Ahmed. Sie malt gerne und schreibt Erzählungen. Sie wollte eigentlich Naturwissenschaften studieren, doch ihre Familie konnte die Kosten dafür nicht aufbringen. Stattdessen hatte sie sich im August 2020 für ein Kunststudium am Government College von Parbatipur eingeschrieben. Ihr Vater sagte gegenüber Amnesty International: „Ich wünsche mir, dass meine Tochter die Möglichkeit hat, sich frei in der Gesellschaft zu bewegen, ihre Ausbildung abzuschließen und sich eine Zukunft aufzubauen. Ich fordere die Regierung auf, sie mit Rücksicht auf ihre Zukunft freizulassen.“
In einem Bericht vom Juli 2021 dokumentierte Amnesty International eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen durch die bangladeschischen Sicherheitsbehörden, die diese unter dem Vorwand begingen, gegen falsche, beleidigende, verleumderische oder herabsetzende Online-Inhalte vorzugehen. Amnesty International forderte die Regierung von Bangladesch auf, das Gesetz zur digitalen Sicherheit von 2018 dringend aufzuheben oder grundlegend zu ändern, sowie die Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Internet aufzuheben.