Amnesty International hat vor kurzem erfahren, dass der Oberste Gerichtshof Saudi-Arabiens die Todesurteile gegen Abdullah al-Derazi und Jalal Labbad im Geheimen aufrechterhalten hat, nachdem das Sonderstrafgericht sie wegen ihrer Teilnahme an Protesten gegen die diskriminierende Behandlung der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien durch die Regierung wegen terrorbezogener Straftaten für schuldig befunden hatte. Beide Männer wurden in grob unfairen Prozessen verurteilt, die keine verfahrenstechnische Schutzmaßnahmen enthielten. Sie hatten während ihrer Untersuchungshaft keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand und berichteten vor Gericht, dass sie gefoltert wurden, um zu "gestehen". Das Gericht hat ihre Folter- und Misshandlungsvorwürfe jedoch nicht untersucht.
Mit der Verurteilung der beiden Männer zum Tode haben die saudischen Behörden ihr eigenes Versprechen gebrochen, die Todesstrafe für Verbrechen, die von Personen unter achtzehn Jahren begangen wurden, nicht mehr anzuwenden. Jalal Labbad war zum Zeitpunkt der Tat zwischen 15 und 17 Jahre alt, Abdullah al-Darazi 17 Jahre alt.
Da es in Saudi-Arabien keine transparenten Informationen über Gerichtsverfahren gibt, insbesondere in Fällen, in denen die Todesstrafe verhängt wird, erfahren die Familien nur über die Medien vom Schicksal ihrer Angehörigen.
Am 16. Oktober 2023 äußerte sich der UN-Sonderberichterstatter für summarische, außergerichtliche oder willkürliche Hinrichtungen besorgt über die bevorstehende Hinrichtung von Abdullah Al-Derazi. Die saudische Menschenrechtskommission teilte Amnesty International in einem Schreiben vom Mai 2023 mit, dass "die Verhängung der Todesstrafe gegen Jugendliche bei Ta'zir-Verbrechen vollständig abgeschafft worden ist". Bei den Ta'zir-Verbrechen, für die beide jungen Männer zum Tode verurteilt wurden, handelt es sich um Verbrechen, für die nach islamischem Recht die Todesstrafe nicht verpflichtend ist. Zudem hat Saudi-Arabien die Konvention über die Rechte des Kindes ratifiziert, die die Anwendung der Todesstrafe gegen Personen, die zum Zeitpunkt des ihnen vorgeworfenen Verbrechens unter 18 Jahre alt waren, untersagt.
Hintergrundinformationen
Abdullah al-Darazi wurde am 27. August 2014 festgenommen und am 20. Februar 2018 vom Sonderstrafgericht (SCC) zum Tode verurteilt, weil er sich an "Unruhen in al-Qatif und dem Rufen von Parolen gegen den Staat und dem Verursachen von Chaos" beteiligt hatte, "an einem terroristischen Netzwerk ... beteiligt war, das darauf abzielt, die innere Sicherheit zu stören", und "Sicherheitsbeamte mit Molotowcocktails angegriffen hat". Er berichtete vor Gericht, dass er drei Jahre lang in Untersuchungshaft gehalten worden war und während dieser Zeit keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand hatte. Aus den von Amnesty International eingesehenen Gerichtsunterlagen geht hervor, dass Abdullah al-Darazi vor Gericht Folgendes vorbrachte: "Ich verlange ein unabhängiges medizinisches Gutachten, um die Folter nachzuweisen, der ich ausgesetzt war ... Die Aufzeichnungen der Klinik der Ermittlungseinheit in Dammam beweisen, dass ich aufgrund von Schlägen auf die Ohren während meines Verhörs immer noch in Behandlung bin". Das Gericht führte keine Untersuchung der Foltervorwürfe durch. Stattdessen bestätigte ein Berufungsgericht am 8. August 2022 das Todesurteil.
Jalal Labbad wurde am 23. Februar 2019 festgenommen und am 31. Juli 2022 vom SCC zum Tode verurteilt, weil er "an Protesten und Unruhen teilgenommen und gegen die öffentliche Ordnung rebelliert sowie bei Beerdigungen von Personen, die von Sicherheitskräften getötet wurden, Slogans skandiert und geäußert hat, die die Regierunden beleidigen und gegen sie aufhetzen" und "an einem terroristischen Netzwerk beteiligt war, das darauf abzielt, den Staat zu korrumpieren, indem es einen Richter entführte und ermordete, auf Sicherheitsbeamte schoss ... und Molotowcocktails auf Sicherheitsbeamte warf". Nach von Amnesty International eingesehenen Gerichtsunterlagen berichtete er vor Gericht, er sei fast drei Jahre lang in Untersuchungshaft gehalten worden und habe körperliche und psychische Folter erlitten, darunter "neuneinhalb Monate Isolationshaft in einem kleinen, engen Raum", "schwere Schläge" und "Elektroschocks am ganzen Körper, insbesondere an den Genitalien". Er sagte dem Gericht, ihm sei wiederholt die medizinische Behandlung verweigert worden sei. Am 4. Oktober 2022 bestätigte ein Berufungsgericht das Todesurtel von Jalal Labbad.
Todesstrafe in Saudi-Arabien
Saudi-Arabien hat eine der höchsten Hinrichtungsraten weltweit. Zwischen Januar und Oktober 2023 haben die saudischen Behörden bereits 112 Menschen hingerichtet. Im Jahr 2022 wurden dort 196 Menschen exekutiert, das ist die höchste von Amnesty International erfasste Zahl an Hinrichtungen in einem Jahr in Saudi-Arabien seit 30 Jahren.
Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld der Person oder der Hinrichtungsmethode. Bis heute haben 112 Länder die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft, und mehr als zwei Drittel aller Länder haben sie per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.