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Ägypten: Gewaltlose politische Gefangene und andere durch Corona-Virus gefährdete Inhaftierte freilassen!

24. März 2020

In den überbelegten Gefängnissen Ägyptens droht sich das Coronavirus (COVID-19) immer weiter auszubreiten. Amnesty International fordert daher von den ägyptischen Behörden, umgehend und bedingungslos, alle Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen freizulassen, die nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert sind.

Um die Zahl der Gefängnisinsassen zu reduzieren und unnötiges Leid zu verhindern, sollten die Behörden zudem in Erwägung ziehen, alle diejenigen aus der Haft bzw. Untersuchungshaft zu entlassen, die besonders gefährdet sind, unter anderem Personen mit Vorerkrankungen und ältere Menschen. Für Inhaftierte, denen gewaltfreie Straftaten vorgeworfen werden, könnten Alternativen zum Freiheitsentzug erwogen werden.

Die ägyptischen Behörden sollten die Gefahr ernst nehmen, die COVID-19 für in Gefängnissen Inhaftierte darstellt. Sie müssen ihren internationalen Verpflichtungen nachkommen und Tausende Aktivist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und friedliche Kritiker*innen freilassen, die nur deshalb inhaftiert sind, weil sie ihre Meinung geäußert oder friedlich protestiert haben.

Philip Luther, Experte für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Amnesty International

„Diese Menschen hätten erst gar nicht inhaftiert werden dürfen“, so Philip Luther, und sagt weiter: „Hinzu kommt, dass die in ägyptischen Gefängnissen herrschende Überbelegung, unzureichende Gesundheitsversorgung und mangelnde Hygiene wohlbekannt und gut dokumentiert sind. Die Behörden sollten daher in Erwägung ziehen, Untersuchungshäftlinge zu entlassen und andere Gefangene, für die das Virus eine besondere Gefahr darstellt, wie beispielsweise ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen, ebenfalls auf freien Fuß zu setzen. Die Behörden sind verpflichtet, für alle Personen in ihrem Gewahrsam eine angemessene medizinische Versorgung sicherzustellen."

Auch in Ägypten fordern mehrere Gruppen wie zum Beispiel Free Zyad Elelaimy und Free Ramy Shaath ebenfalls die Freilassung bestimmter Häftlingsgruppen wie Untersuchungshäftlinge sowie gewaltfreie Straftäter*innen und Inhaftierte mit Vorerkrankungen.

Hintergrund

Laut Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sind Gefängnisinsassen ganz besonders von Infektionskrankheiten wie COVID-19 bedroht, und die Haftbedingungen können diese Risiken noch weiter verstärken. So besteht zum Beispiel das Risiko höherer Ansteckungsraten, insbesondere in überfüllten Einrichtungen und wenn die Gesundheitsversorgung im Gefängnis schlechter ist als extern. Amnesty International hat in der Vergangenheit die unmenschlichen Haftbedingungen in einigen Gefängnisse dokumentiert, auch was die unangemessene medizinische Versorgung angeht.

Am 18. März wurden Laila Soueif, Ahdaf Soueif, Mona Seif und Rabab el-Mahdi vor dem Kabinettsgebäude in Kairo von Sicherheitskräften festgenommen. Die Staatsanwaltschaft warf den vier Frauen „Anstiftung zu einem Protest“, „Verbreitung falscher Informationen“ und „Besitz von Materialien mit falschen Informationen“ vor. Der Staatsanwalt ordnete an, sie gegen eine Kaution von umgerechnet knapp 300 Euro für die Dauer der Ermittlungen wieder auf freien Fuß zu setzen. Obwohl sie die Kautionszahlung noch am selben Tag leisteten, behielt man die Frauen ohne triftige Rechtsgrundlage über Nacht in Haft. Am 19. März wurde Laila Soueif zum Büro der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit in New Cairo gebracht, wo eine Kaution von umgerechnet knapp 180 Euro festgesetzt wurde. Alle vier Frauen kamen am Abend frei.

Am selben Tag ordnete die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit die Freilassung von 15 Politiker*innen und Aktivist*innen an, die sich seit Monaten willkürlich in Haft befunden hatten.

In den vergangenen sechs Jahren sind Tausende Menschen willkürlich über lange Zeiträume hinweg in Untersuchungshaft gehalten worden, häufig über die rechtlich festgelegte Obergrenze von zwei Jahren hinweg. Amnesty International hat vor Kurzem einen Bericht über die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit veröffentlicht, der aufzeigt, wie die ägyptischen Behörden die Untersuchungshaft als Alternative zur Verwaltungshaft einsetzen, um Tausende Andersdenkende und Kritiker*innen zu inhaftieren.

Internationale Menschenrechtsnormen geben vor, dass nur als letztes Mittel auf Untersuchungshaft zurückgegriffen werden darf und sie nur dann zulässig ist, wenn keine andere Maßnahme verfügbar ist, z. B. bei erheblicher Fluchtgefahr, zur Verhinderung der Schädigung Dritter, und wenn die Gefahr unzulässiger Einflussnahme zur Verhinderung der Strafverfolgung besteht. Die Möglichkeit einer Freilassung gegen Kaution bis zum Gerichtsverfahren basiert auf dem Prinzip der Unschuldsvermutung, das im Völkerrecht sowie in der ägyptischen Verfassung verankert ist.