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Amnesty International hat neue Beweise dafür gesammelt, dass belarussische Sicherheitskräfte Asylsuchende, die in der Europäischen Union Schutz suchen wollen, auf grausame Weise erpressen, foltern und anderweitig misshandeln. Amnesty befragte insgesamt 75 Personen, die zwischen Juli und November 2021 mit dem falschen Versprechen, problemlos in die EU zu gelangen, nach Belarus gelockt wurden. Anschließend wurden sie von EU-Ländern, darunter Polen, zurückgewiesen.
Aus den erschütternden Zeug*innen-Aussagen geht hervor, dass Menschen, darunter Kinder, von belarussischen Sicherheitskräften mit Stöcken und Gewehrkolben geschlagen und mit Wachhunden bedroht wurden. Sie wurden sowohl von belarussischen als auch von polnischen Behörden gezwungen, die Grenze wiederholt und unter gefährlichen Bedingungen zu überqueren.
Zu den 75 Befragten zählen 66 irakische Staatsangehörige, sieben syrische Staatsangehörige, die aus Ägypten, dem Libanon und Syrien einreisten, ein Mann aus dem Libanon und ein Mann aus dem Sudan. Da mehrere der Befragten mit Familie und Freunden reisten, handelt es sich bei den Aussagen um insgesamt 192 Betroffene.
„Die Menschen an der polnisch-belarussischen Grenze sitzen in der Falle. Die Geflüchteten werden nach Polen gedrängt, wo sie von polnischen Beamten systematisch zurückgeschoben werden. Die gegnerischen Kräfte spielen ein schmutziges Spiel mit Menschenleben“, sagt Jennifer Foster, Researcherin für Flucht und Migration bei Amnesty International.
Die Geflüchteten leiden Hunger, sie bräuchten Hilfe – stattdessen gehen belarussische Sicherheitskräfte mit schockierender Brutalität gegen sie vor.
Jennifer Foster, Researcherin für Flucht und Migration bei Amnesty International
Die Recherchen von Amnesty International haben ergeben, dass Menschen geschlagen und auf andere Weise schwer gefoltert oder misshandelt wurden, unter anderem durch den Entzug von Nahrung, Wasser, Unterkunft und sanitären Einrichtungen. Den Menschen wurden Telefone und Geld gestohlen und Mitglieder der belarussischen Sicherheitskräfte erpressten Bestechungsgelder. Die befragten Personen sagten aus, dass sie diesen Misshandlungen durch belarussische Kräfte ausgesetzt waren, als sie von Minsk in faktische Sperrzonen an der belarussischen Grenze zu Polen, Lettland und Litauen gebracht wurden, die in der Regel umzäunt sind. Die Menschen wurden in Gruppen zu "Sammelstellen" innerhalb der umzäunten Zone eskortiert, bevor sie gewaltsam gezwungen wurden, die Grenze nach Polen zu überqueren, während sie von Hunden gejagt und von den belarussischen Behörden gezwungen wurden, durch eiskalte Flüsse zu laufen.
Ein Mann aus Syrien erzählte Amnesty, dass er zu einer Gruppe von etwa 80 Personen gehörte, die in einem Militärlastwagen zur Grenze gefahren wurden:
"Sie luden uns ab... Es waren etwa zehn [weißrussische] Soldaten und sie hatten vier Hunde dabei. Sie sagten, sie würden die Hunde loslassen, und wenn wir nicht schnell rennen würden, würden wir gebissen werden. Die Soldaten rannten hinter uns her und schlugen jede*n, die*der nicht schnell genug rannte, mit Schlagstöcken. Nachdem sie uns etwa 200 Meter weit gejagt hatten, drehten die Soldaten um und ließen uns in der Pufferzone mitten im Wald zurück. Familien waren getrennt worden. Diejenigen, die von den Hunden gebissen worden waren, bluteten."
Sobald die Menschen in einer "Sammelstelle" sind, dürfen sie diese nicht mehr verlassen oder in nicht eingezäunte, für Zivilist*innen zugängliche Gebiete zurückkehren und sind dort tage- oder wochenlang unter unmenschlichen Bedingungen gefangen. Die Menschen berichteten, dass sie tagelang ohne Nahrung oder mit minimalen Mengen an Wasser oder Brot zurückgelassen wurden und ohne Unterkunft oder sanitäre Einrichtungen. Mehrere Personen berichteten Amnesty International, dass sie die "Sammelstellen" und den Grenzstreifen nur nach Zahlung von Bestechungsgeldern verlassen durften.
Eine kurdische Familie aus Syrien, mit der Amnesty International gesprochen hat, hielt sich 20 Tage lang in der umzäunten Zone auf. Sie aßen nur einmal am Tag und hatten in einem Fall länger als 24 Stunden lang nichts zu essen für ihre beiden Kinder. Der Vater beschrieb die Tortur seiner Familie: "Wir waren manchmal fast ohnmächtig, hatten Hunger und Durst und konnten keine Hilfe finden, weder von polnischen Soldat*innen noch von belarussischer Seite."
Belarussische Sicherheitskräfte nutzten die Situation der Menschen aus, die in den umzäunten Zonen ankamen, schlugen sie heftig und stahlen ihnen oft Handys und Geld. Ein Asylsuchender berichtete, dass er mit Schlagringen geschlagen und mit Stahlkappenstiefeln getreten wurde. Ein kurdischer Iraker erzählte Amnesty International: "Einige hatten eiserne Fingerboxringe und Stiefel mit Stahlkappen. Sie traten uns, während wir auf dem Boden lagen. Sie zwangen uns zur Herausgabe von Geld und Telefonen. Mein Körper war schwarz und blau."
Die internationalen Menschenrechtsnormen schützen das Recht, Asyl zu beantragen, sowie das Recht auf Freiheit von Folter und anderen Misshandlungen. Belarus verstößt in eklatanter Weise gegen diese Rechte, obwohl es den einschlägigen internationalen Verträgen, die diese Rechte schützen, beigetreten ist.
Einige hatten eiserne Fingerboxringe und Stiefel mit Stahlkappen. Sie traten uns, während wir auf dem Boden lagen. Sie zwangen uns zur Herausgabe von Geld und Telefonen. Mein Körper war schwarz und blau.
Kurdisch-Irakischer Geflüchteter über Misshandlung an der Grenze
Die meisten derjenigen Menschen, die es über den Grenzzaun nach Polen geschafft haben, wurden von polnischen Soldaten nach wenigen hundert Metern sofort aufgegriffen und zurückgedrängt. Amnesty International dokumentierte auch mehrere Fälle von Personen, denen es gelang, weiter nach Polen vorzudringen. Sie waren zum Teil tagelang zu Fuß unterwegs, bevor sie von polnischen Strafverfolgungsbehörden aufgegriffen wurden, oder sie wandten sich selbst an die Behörden, nachdem sie tagelang ohne Nahrung oder Unterkunft verbracht hatten.
Mit einer Ausnahme wurden alle Personen, mit denen Amnesty International gesprochen hat, ohne ein ordnungsgemäßes Verfahren nach Belarus zurückgeschoben. Obwohl die Personen ihre Absicht bekundeten, in der EU Asyl zu beantragen, wurden sie in einer langen Reihe systematischer Massenabschiebungen gestoppt, bei denen die internationalen und EU-rechtlichen Verpflichtungen völlig ignoriert wurden.
Polnische Sicherheitskräfte konnten die Misshandlung von Asylsuchenden und Migrant*innen auf der belarussischen Seite deutlich beobachten und wiesen sie dennoch über den Grenzzaun zurück.
Die meisten Personen, mit denen Amnesty International gesprochen hat und die in jüngerer Zeit versucht hatten, die Grenze zu überqueren, gaben an, dass ihre Telefone von polnischen Sicherheitskräften beschädigt wurden, und dass die Menschen zuweilen gewalttätig behandelt wurden, unter anderem wurden Kinder mit Pfefferspray besprüht und Erwachsene in Flüsse gestoßen.
Wer nicht schwimmen konnte, ertrank.
Ein irakischer Jeside über Misshandlungen auf polnischer Seite der Grenze
Ein irakischer Jeside berichtete Amnesty International, dass er etwa eine Stunde nach seinem Grenzübertritt nach Polen von polnischen Soldat*innen aufgegriffen und zusammen mit mehreren anderen Männern zu einem kleinen Fluss an der Grenze zu Belarus gebracht wurde: "Der Fluss war nur etwa 10 oder 15 Meter breit, aber er war tief und schnell fließend. Sie zwangen uns, aus den Fahrzeugen auszusteigen und stießen uns ins Wasser. Jeder, der nicht ins Wasser ging, wurde mit Schlagstöcken verprügelt. [Sie] hatten auch Hunde dabei. Frauen und Kinder und auch einige Männer wurden woanders hingebracht. Ich sah, wie ein Mann von der Strömung mitgerissen wurde. Wer nicht schwimmen konnte, ertrank".
Trotz eklatanter Rechtsverletzungen durch die an Belarus angrenzenden EU-Staaten hat die Europäische Kommission (EK) es verabsäumt, rechtliche Schritte zur Durchsetzung der EU-Gesetze einzuleiten. Darüber hinaus schlug die Europäische Kommission am 1. Dezember 2021 vorläufige Sofortmaßnahmen vor, die es Lettland, Litauen und Polen erlauben könnten, von den EU-Vorschriften abzuweichen, indem sie Asylsuchende unter anderem 20 Wochen lang mit minimalen Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze festhalten und Abschiebungen erleichtern. Dieser Schritt ist nicht zu rechtfertigen und wird den Rechtsrahmen der EU für Migration und Asyl schwächen.
"Tausende von Menschen – darunter viele, die vor Krieg und bewaffneten Konflikten geflüchtet sind – sitzen im tiefsten Winter unter äußerst prekären Bedingungen in Belarus fest. Anstatt die nötige Hilfe zu erhalten, sind sie brutaler Gewalt ausgesetzt. Belarus muss die Gewalt sofort beenden. Die EU-Mitgliedstaaten müssen aufhören, den Menschen die Möglichkeit zu verweigern, der ungeheuerlichen Gewalt zu entkommen, statt sie nach Belarus zurückzuschicken, wo sie immer wieder neuer Gewalt ausgesetzt sind", sagt Jennifer Foster.