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Ein Londoner Gericht hat Julian Assanges Auslieferung von Großbritannien an die USA zumindest vorläufig gestoppt – der Wikileaks-Gründer darf in Berufung gehen. Assange hatte auf seiner Onlineplattform mögliche Kriegsverbrechen der US-Militärs öffentlich gemacht. Amnesty International fordert die Behörden auf, alle Anklagepunkte im Zusammenhang mit diesen Veröffentlichungen fallenzulassen.
Nach der heutigen Entscheidung des High Court in London kann Julian Assange gegen seine Auslieferung an die USA Berufung einlegen. Dort drohen Assange bis zu 175 Jahre Haft und möglicherweise Folter. Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks hatte unter anderem Dokumente über mögliche Kriegsverbrechen der USA veröffentlicht.
Der Fall von Julian Assange hat eine Tragweite, die weit über seine Person hinausgeht. Denn solange das Verfahren gegen ihn läuft, ist auch die Pressefreiheit weiter grundsätzlich bedroht. Wenn Militärs Menschen entgegen allen völkerrechtlichen Konventionen foltern und töten, müssen Medien darüber berichten dürfen, ohne dass sie selbst oder ihre Quellen verfolgt werden.
Amnesty International und andere Organisationen setzen sich seit Jahren dafür ein, dass die USA die Anklagen gegen Assange im Zusammenhang mit Wikileaks fallen lässt. Eine Verurteilung wäre ein verheerendes Signal für die Pressefreiheit weltweit. Die Berichterstattung über mögliche Verbrechen von Regierungen und Militärs gehört zum Tagesgeschäft für Investigativjournalist*innen.
„Die USA müssen ihre politisch motivierte Verfolgung von Assange einstellen, die Assange und die Pressefreiheit weltweit in Gefahr bringt. Mit dem Versuch, ihn zu inhaftieren, senden die USA eine unmissverständliche Warnung an Publizist*innen und Journalist*innen auf der ganzen Welt, dass auch sie ins Visier genommen werden könnten und dass es für sie nicht sicher ist, geheimes Material zu erhalten und zu veröffentlichen – selbst wenn dies im öffentlichen Interesse liegt,” sagt Simon Crowther, Legal Adviser bei Amnesty International.
Das Londoner Gericht will sich am 20. Mai erneut mit dem Fall Assange befassen und gibt den USA die Möglichkeit, neue diplomatische Zusicherungen vorzulegen, etwa Assange nicht zu foltern oder zu misshandeln. Es besteht allerdings jederzeit die Gefahr, dass die amtierende oder zukünftige US-Regierungen solche Zusagen widerrufen. Diplomatische Zusicherungen gegen Folter und andere Misshandlungen sind rechtlich nicht bindend und höchst problematisch. Die USA behalten sich das Recht vor, jederzeit ihre Meinung zu ändern. Internationale Menschenrechtsstandards enthalten ein absolutes Verbot, Personen in Länder zu überstellen, in denen sie der Gefahr von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt werden.
Die heutige Entscheidung lässt Julian Assange und alle Verfechter*innen der Pressefreiheit in der Schwebe – aber der Kampf geht weiter. Die US-Anwält*innen haben nun eine zweite Gelegenheit, diplomatische Zusicherungen zu machen, die das Gericht im Mai prüfen wird. Anstatt dieses langwierige Gerichtsverfahren fortzusetzen, sollten die USA alle Anklagen gegen Assange fallen lassen.
Simon Crowther, Legal Adviser bei Amnesty International