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Dieser Artikel wurde am 13. Februar 2020 erstellt und am 1. sowie am 9. Juli aktualisiert
Taner Kılıç, Ehrenvorsitzender von Amnesty Türkei, wurde zu 6 Jahren und 3 Monaten wegen "Mitgliedschaft der Terrororganisation Fethullah Gülen" verurteilt; İdil Eser, ehemalige Direktorin von Amnesty International Türkei, und zwei weitere Angeklagte, Özlem Dalkıran und Günal Kurşun, zu 25 Monaten Haft wegen Unterstützung einer Terrororganisation.
Die Menschenrechtsverteidiger*innen wurden alle zu Unrecht angeklagt. Auch nach drei Jahren konnten die Ankläger*innen nicht einen einzigen Beweis für irgendein Fehlverhalten nachweisen. Taner, Idil, Özlem und Günal wurden nur für ihre wichtige Arbeit für die Menschen und ihre Rechte bestraft und verfolgt.
Sie haben nichts Unrechtes getan. Sie haben sich für die Menschenrechte in der Türkei eingesetzt.
Taner, Idil, Özlem und Günal sind vier von insgesamt elf Menschenrechtsverteidiger*innen, darunter Aktivist*innen für Frauenrechte und Gleichberechtigung, die in der Türkei mit absurden Vorwürfen im Zusammenhang mit „Terrorismus“ konfrontiert und angeklagt wurden. In allen Anhörungen konnten die Ankläger*innen keinerlei glaubwürdige Beweise vorlegen.
Nach ihrer Festnahme im Jahr 2017 haben weltweit mehr als zwei Millionen Menschen, darunter unter anderem der Künstler Ai Weiwei und die Schauspielerin Whoopi Goldberg, Gerechtigkeit für die elf Menschenrechtsverteidiger*innen gefordert.
Taner Kılıç, der damalige Vorstandsvorsitzende von Amnesty Türkei, wurde in den frühen Morgenstunden des 6. Juni 2017 in seinem Haus in İzmir festgenommen. Drei Tage später wurde er unter dem Vorwurf in Untersuchungshaft genommen, Mitglied der Gülen-Bewegung zu sein, die von den türkischen Behörden als Terrororganisation bezeichnet wird. Die Regierung beschuldigt die Gülen-Bewegung, Drahtzieherin des gewaltsamen Putschversuchs von 2016 zu sein. Ohne jeglichen Beweis behaupteten die Behörden, Taner Kılıç habe die Messenger-App „ByLock“ heruntergeladen, die der Regierung zufolge von der Gülen-Bewegung verwendet wurde.
Fast einen Monat später, am 5. Juli 2017, wurden zehn Menschenrechtsverteidiger*innen (die sogenannten „Istanbul 10“) in einem Hotel auf der Insel Büyükada in Istanbul festgenommen, wo sie an einem routinemäßigen Menschenrechtsworkshop teilnahmen. Die Behörden warfen ihnen vor, an einem geheimen Treffen teilzunehmen. Acht der zehn Aktivist*innen wurden aufgrund dieser Beschuldigungen in Untersuchungshaft genommen.
İdil Eser, Peter Steudtner, Günal Kurşun, Özlem Dalkıran, Veli Acu, Ali Gharavi, Nalan Erkem und İlknur Üstün wurden nach 99 Tagen in Untersuchungshaft bei der ersten Anhörung ihres Falls am 25. Oktober 2017 in Istanbul aus der Haft entlassen.
Das Gericht in Istanbul beantragte, das Verfahren gegen Taner Kılıç nach Istanbul zu verlegen und mit dem der Istanbul 10 zusammenzulegen. Als Begründung führte es an, Taner Kılıç habe das „geheime Treffen auf Büyükada“ geleitet, obwohl er sich zum Zeitpunkt des Treffens im Gefängnis befand. Bei der ersten Anhörung von Taner Kılıç in Izmir, die am nächsten Tag, dem 26. Oktober 2017, stattfand, gab das dortige Gericht dem Antrag des Istanbuler Gerichts auf Verlegung statt und fasste die beiden getrennten Strafverfahren zu einem Fall in Istanbul zusammen. Das Gericht ordnete auch die Verlängerung der Untersuchungshaft von Taner Kılıç an. Der Fall wird seitdem auch „Büyükada-Prozess“ genannt.
Als „Beweismaterial“ legte die Staatsanwaltschaft Informationen und Dokumente vor, die auf den beschlagnahmten Computern der „Istanbul 10“ gefunden wurden. Die Dokumente belegen jedoch lediglich legitimes menschenrechtliches Engagement, wie zum Beispiel eine Kampagne gegen den Verkauf von Tränengas an die Türkei sowie weitere Dokumente von Amnesty International, ein Förderantrag für ein Menschenrechtsprojekt und eine Kampagne für die Freilassung inhaftierter Lehrkräfte im Hungerstreik.
Amnesty International hat eine umfassende Analyse der Anklageschrift (in englischer Sprache) mit Informationen zu allen Vorwürfen gegen die elf Angeklagten zusammengestellt.
Beim Prozesstag im November 2019 legte der Staatsanwalt sein Schlussplädoyer vor. Er forderte, Taner Kılıç wegen der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ und İdil Eser, Özlem Dalkıran, Günal Kurşun, Veli Acu und Nejat Taştan wegen der „wissentlichen und bereitwilligen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ schuldig zu sprechen. Des Weiteren forderte er Freisprüche für Peter Steudtner, Nalan Erkem, Ali Gharavi, İlknur Üstün und Şeyhmus Özbekli.
Das Resümee des Staatsanwalts liest sich wie eine Kopie der Anklageschrift. All die haltlosen Anschuldigungen, die in den vorherigen Anhörungen widerlegt wurden, werden darin wiedergegeben, als ob der gesamte Prozess gar nicht stattgefunden hätte.
Im Februar 2020 haben wir bereits ein Urteil erwartet. Doch die Anhörung wurde erneut, auf den 3. April 2020 verschoben. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde die Anhörung kurzfristig erneut verschoben – auf Anfang Juli 2020. Bei der Urteilsverkündung am 3. Juli wurden schließlich Taner, Idil, Özlem und Günal zu hohen Haftstrafen verurteilt. Amnesty International kritisiert das Urteil scharf. Der Mitangeklagte Peter Steudtner und fünf weitere Menschenrechtsverteidiger*innen wurden freigesprochen.
Das war von Anfang an ein politisch motivierter Prozess, genau wie so viele weitere gegen andere Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen, Anwält*innen, Akademiker*innen und Aktivist*innen.
Idil Eser, ehemalige Direktorin von Amnesty Türkei
Der Fall hat weltweit für Aufsehen gesorgt und zu zahlreichen internationalen Solidaritätsbekundungen mit den Menschenrechtsverteidiger*innen geführt. Mehr als zwei Millionen Menschen haben die Petition unterschrieben, in der ihre Freilassung und das Fallenlassen der absurden Anschuldigungen gefordert wird.
Neben Regierungen, Institutionen und Politiker*innen aus der ganzen Welt forderten zahlreiche Künstler*innen und Prominente wie Ai Weiwei, Sting, Whoopi Goldberg, Bono, Ben Stiller, Jane Birkin, Juliette Binoche und Zoë Kravitz, die Angeklagten aus der Untersuchungshaft zu entlassen und die absurden Anschuldigungen gegen sie fallenzulassen.
Die weltweite Unterstützung hat den Menschenrechtsverteidiger*innen viel bedeutet und sie ermutigt, ihre Arbeit fortzusetzen.