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Die Rechte von 24h-Betreuer*innen werden in Österreich nicht ausreichend geschützt. Amnesty International Österreich hat im Rahmen einer Dialogveranstaltung mit Betreuer*innen, Interessensvertretungen und Fachministerien Lösungen diskutiert.
Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird ein Viertel der österreichischen Bevölkerung im Jahr 2040 über 65 Jahre alt sein. Altern im vertrauen Umfeld, im eigenen Zuhause – das ist für viele Menschen in Österreich ein großes Anliegen. Ermöglicht wird das unter anderem von derzeit etwa 60.000 24h-Betreuer*innen, die im Stillen wichtige Arbeit leisten: Rund um die Uhr tragen sie Sorge und Verantwortung für andere Menschen, die sich nicht mehr alleine um sich selbst kümmern können. Die Arbeit der sogenannten „24-Stunden-Betreuer*innen“ ist unverzichtbar, für die Menschen, die sie betreuen, aber auch für die gesamte Gesellschaft. Doch die Betreuer*innen arbeiten häufig unter unfairen, unsicheren und prekären Bedingungen, wie der Amnesty-Bericht „Wir wollen nur ein paar Rechte“ aufzeigt. Die Rechte der Betreuer*innen, insbesondere ihr Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, einschließlich fairen Lohns, und ihr Recht auf soziale Sicherheit, werden in Österreich nicht ausreichend geschützt.
Amnesty International fordert, dass politische Entscheidungsträger*innen geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Menschenrechte aller Betreuer*innen zu schützen. Um die Wirksamkeit und Treffsicherheit solcher Maßnahmen zu erhöhen, müssen dabei die Stimmen der Betreuer*innen gehört und die Betreuer*innen in Reformprozesse effektiv eingebunden werden.
Um einen solchen ersten Schritt hin zu mehr Dialog und Austausch zu setzen, lud Amnesty International Österreich am 15. September 2021 im Rahmen der Kampagne “24 Stunden unverzichtbar” Betreuer*innen, Interessensvertretungen, Expert*innen und Vertreter*innen der relevanten Fachministerien zu einer Dialogveranstaltung ins Albert-Schweitzer-Haus ein.
Die Dialogveranstaltung, an der sechs Betreuerinnen sowie Vertreter*innen aller zuständigen Fachministerien und Vertreter*innen von IG24, CuraFAIR und des ÖGB Projekts für muttersprachliche Beratung teilnahmen, zielte darauf ab, gemeinsam Herausforderungen in der Betreuung zu Hause zu besprechen und erste Lösungsansätze zu diskutieren.
Im Sinne des menschenrechtlichen Grundsatzes der Partizipation betroffener Menschen, wurde damit erstmals ein geschützter Rahmen für einen direkten Austausch zwischen Betreuerinnen und den zuständigen Fachministerien geschaffen. Die Stimmen der Betreuer*innen, ihre Erfahrungen, Herausforderungen im Alltag und Wünsche, standen im Mittelpunkt der Veranstaltung.
Die teilnehmenden Betreuerinnen gaben persönliche Einblicke in ihre tägliche Arbeit und konnten durch den geschützten Rahmen der geschlossenen Veranstaltung Probleme direkt ansprechen. Dazu zählen die körperliche und psychische Belastung durch ihre Arbeit sowie die falschen Vorstellungen, die über ihren Aufgabenbereich aufgrund der missverständlichen Bezeichnung als „24-Stunden-Betreuer*in“ herrschen. Angesprochen wurde auch die Abhängigkeit der Betreuer*innen von Agenturen und fehlende Unterstützungsangebote. Eine Betreuerin berichtete von berufsfremden Tätigkeiten, die sie ausführen musste, wie beispielsweise Arbeiten im Garten oder in der Landwirtschaft. Konkrete Beispiele aus dem Alltag wie diese zeigten auf, dass Betreuer*innen, obwohl sie offiziell als Selbstständige arbeiten, nicht selbstständig über ihre Arbeit entscheiden können. Gleichzeitig wurde von einer Betreuerin anerkannt, dass Agenturen den betreuten Personen und ihren Angehörigen Sicherheit bieten können und Betreuer*innen eine Ausbildung und Qualifizierungen benötigen, um den Menschen zuhause eine bestmögliche Betreuung zu ermöglichen.
Im zweiten Teil der Dialogveranstaltung fanden direkte Gespräche zwischen den Betreuer*innen, den Vertreter*innen der zuständigen Fachministerien und den Expert*innen und Interessensvertretungen statt. In Kleingruppen wurden Lösungen für die, zuvor von den Betreuer*innen geschilderten, Probleme gesammelt, etwa zur Beziehung zwischen Agenturen und Betreuer*innen, die auf struktureller Ebene intensiv diskutiert wurde. Mehrere konkrete Lösungsansätze wurden ausführlich besprochen wie die Etablierung einer Stelle zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verträgen, vor allem hinsichtlich sittenwidriger Klausen; die Einführung verpflichtender Qualitätszertifikate für Agenturen, die die Situation von Betreuer*innen miteinschließen; die Überprüfung alternativer Modelle zur Vermittlung zwischen Betreuer*innen und Klient*innen; sowie die notwendige Ausweitung der Finanzierung der Pflege allgemein sowie staatlicher Kontrollen der Betreuung zuhause.
Mit der Dialogveranstaltung konnte ein erster Schritt gesetzt werden, um die Menschenrechte der Betreuer*innen in Österreich zu stärken. Lösungsansätze liegen auf dem Tisch, jetzt sind konkrete Maßnahmen dringend notwendig. Die zuständigen Entscheidungsträger*innen sind aufgefordert, in einem nächsten Schritt alle relevanten Akteur*innen – die zu betreuenden Menschen, Pflege- und Betreuungskräfte, Vermittlungsagenturen und Interessensvertretungen – einzubeziehen, um ein menschenrechtskonformes Pflege – und Betreuungssystem für alle in Österreich zu garantieren. Die angekündigte Pflegereform ist dafür der geeignete Moment. Amnesty International wird weiterhin dranbleiben und Seite an Seite mit den Betreuer*innen in Österreich ihre Rechte einfordern.