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Ein neuer Bericht von Amnesty International zeigt die repressiven Praktiken und die Straflosigkeit des ägyptischen Inlandsgeheimdiensts NSA auf, der versucht jede kritische Stimme im Land zu unterdrücken. Die National Security Agency (NSA) schikaniert Anwält*innen, Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen, um sie zum Schweigen zu bringen. Betroffen sind zunehmend auch Studierende, wie etwa der Fall des Studenten einer Wiener Uni Ahmed Samir Santawy zeigt. Bei einem Familienbesuch in Ägypten wurde er zu seiner Forschung im Bereich der Frauenrechte verhört, wenig später verhaftet und völlig willkürlich zu 4 Jahren Haft verurteilt.
Im neuen Bericht This will only end when you die dokumentiert Amnesty International, wie der Geheimdienst Menschenrechtsaktivist*innen systematisch zu rechtswidrigen Zwangsverhören vorlädt. Diese Praxis kommt einer grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Strafe gleich.
Diese neue NSA-Taktik der ständigen Einschüchterung und Schikane zerstört Leben. Sie hindert die Betroffen daran, zu arbeiten und zu reisen und bedeutet, dass sie in ständiger Angst vor Verhaftung leben.
Philip Luther, Direktor für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International
"Die Fragen und Drohungen der NSA-Bediensteten lassen ein klares Ziel erkennen: die Unterdrückung von Menschenrechten und von Aktivismus", sagte Philip Luther, Direktor für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.
Der Bericht dokumentiert, wie der Geheimdienst das Leben von 19 Männern und sieben Frauen zwischen 2020 und 2021 massiv beeinträchtigt hat. Die befragten Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen berichteten, dass sie regelmäßig vom Geheimdienst vorgeladen wurden. Bei den Verhören wurde ihnen mit Inhaftierung, Strafverfolgung, Folter und anderer grausamer Behandlung gedroht, sollten sie Vorladungen nicht Folge leisten oder sich weigern, dem Geheimdienst Informationen mitzuteilen. Telefone und Social-Media-Konten wurden ohne rechtliche Grundlage ausgelesen. Bei denjenigen, die nicht zum Verhör erschienen, wurden die Wohnungen durchsucht.
Diese Einschüchterungen und Bedrohungen durch die NSA führen dazu, dass Aktivist*innen, Anwält*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen der Möglichkeit beraubt werden, ein normales Leben in Freiheit und Sicherheit zu führen. Nachdem sie teilweise mehrere Jahre im Gefängnis saßen, werden sie nun ein zweites Mal für ihren friedlichen Einsatz für die Menschenrechte bestraft. Amnesty International fordert vom ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi ein, diese Form der außergerichtlichen Drangsalierung sofort zu beenden.
Die befragten Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen waren in der Vergangenheit bereits bis zu drei Jahre lang inhaftiert, weil sie friedlich ihre Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hatten. Die Polizei forderte sie nach ihrer Freilassung auf, sich regelmäßig beim Geheimdienst zu melden. Bei den Verhören, die entweder in den NSA-Büros einer Polizeiwache oder in separaten Räumen des Geheimdienstes stattfanden, wurde ihnen stunden- oder tagelang ohne rechtliche Grundlage die Freiheit entzogen. Dieses Vorgehen wurde weder von den Justizbehörden überwacht noch hatten die Betroffenen die Möglichkeit, Rechtsmittel dagegen einzulegen oder Entschädigungen zu beantragen.
Diese außergerichtlichen polizeilichen Bewährungsmaßnahmen, die vom Geheimdienst als "Kontrolle" bezeichnet werden, kommen einer willkürlichen Freiheitsberaubung gleich. Das Völkerrecht, die ägyptische Verfassung und das Strafgesetzbuch verbieten Folter und andere Misshandlungen sowie willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, die Familie, die Wohnung oder die Post einer Person.
Neben Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen laufen in Ägypten auch Studierende und Forschende zunehmend Gefahr, ins Visier der Behörden zu geraten. Ahmed Samir Santawy, auch bekannt als Ahmed Samir Abdelhay Ali, studiert Anthropologie an der Central European University (CEU) in Wien, wo er vor allem zu Frauenrechten und der Geschichte der reproduktiven Rechte in Ägypten forscht. Nachdem Ahmed Samir für die Ferien zu seiner Familie nach Ägypten gereist war, erhielt er eine Vorladung der Polizei in Kairo. Als er der Vorladung am 1. Februar 2021 folgte, nahmen ihn Beamt*innen fest. Fünf Tage lang wurde Ahmed Samir ohne Kontakt zu seiner Familie oder einem Rechtsbeistand festgehalten und verhört. Während des Verhörs wurde ihm auf den Kopf und in den Bauch geschlagen. Die Beamt*innen befragten ihn zu seinen Studien und seiner akademischen Forschung. Am 22. Juni 2021 verurteilte das Notstandsgericht für die Sicherheit des Staates (Emergency State Security Court) Ahmed Samir wegen „Verbreitung von Falschmeldungen auf Social Media“ zu vier Jahren Gefängnis.
Ahmed Samirs Verlobte Souheila setzt sich unermüdlich für die Freilassung ihres Verlobten ein. Seine völlig willkürliche Verhaftung sieht sie als Folge der mehr und mehr um sich greifenden Repression in Ägypten.
Es fühlt sich an, als gäbe es eine neue Situation in Ägypten. Als ob sich die Repression verhärtet und ausweitet: Nicht nur diejenigen, die das Regime kritisieren, sondern auch diejenigen, die potenziell Kritik äußern könnten, können ihr zum Opfer fallen. Es werden vorgefertigte Anschuldigungen aus der Luft gegriffen, Student*innen, Akademiker*innen und Journalist*innen werden verhaftet und hinter Gitter geworfen.
Souheila, Verlobte von Ahmed Samir Santaway
Amnesty International fordert von der ägyptischen Staatsanwaltschaft ein, gründliche und unabhängige Ermittlungen zu den missbräuchlichen Praktiken des Geheimdienstes einzuleiten. Die Verantwortlichen müssen umgehend zur Rechenschaft gezogen werden. Präsident Abdel Fattah al-Sisi muss den Innenminister anhalten, die außergerichtlichen Schikanen und Vorladungen von Menschenrechtsverteidiger*innen und anderen Aktivist*innen unverzüglich zu beenden, und diese Praxis öffentlich anprangern.
Die dokumentierten Einschüchterungen und Bedrohungen sind ein Beispiel dafür, wie Mitarbeiter*innen des NSA ihre Macht missbrauchen, um grundlegende Freiheits- und Menschenrechte mit den Füßen zu treten. Da Verantwortliche offenbar der politische Wille fehlt, die grassierende Straflosigkeit zu beenden, fordert Amnesty International von den Mitgliedern des UN-Menschenrechtsrats ein, die Einrichtung eines Überwachungs- und Berichterstattungsmechanismus zu Ägypten einzuleiten.
10 Jahre nach dem Arabischen Frühling ist die Menschenrechtslage in Ägypten an einem Tiefpunkt angelangt. Amnesty International fordert deshalb von der Bundesregierung ein, die ägyptische Zivilgesellschaft entschieden zu unterstützen und sich für den Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen einzusetzen. Die Bundesregierung darf die eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Ägypten nicht aus wirtschaftlichen Gründen oder Sicherheitsinteressen ausblenden, sondern muss von der ägyptischen Regierung einfordern, die Praxis der Unterdrückung zu beenden.