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Die philippinische Senatorin Leila de Lima sitzt seit 2017 im Gefängnis, weil sie Dutertes blutigen „Kampf gegen Drogen“ kritisiert.
von Leila de Lima
Ich frage andere immer wieder, wie es ihnen jetzt geht, und gleichzeitig fällt es mir schwer, diese Frage selbst zu beantworten. Für viele endete ihr Leben, wie sie es kannten, mit dem Beginn des Lockdowns.
Durch die Coronavirus-Pandemie sind die Straßen menschenleer, während die Krankenhäuser nach wie vor mit Kranken und Sterbenden überfüllt sind. Es könnte 12 bis 18 Monate dauern, bis ein Impfstoff für die breite Öffentlichkeit verfügbar sein wird. Bis dahin sind die Menschen gezwungen, in ihren Häusern zu bleiben. Sie fürchten die Ungewissheit.
Für mich persönlich ist die anhaltende unrechtmäßige Inhaftierung innerhalb des nationalen Polizeipräsidiums seit über drei Jahren meine neue Normalität. Ich sehe zwar, dass diese Pandemie das Leben auf schmerzhafte und hoffnungsvolle Weise verändert. Doch ich bin auf die Berichte meiner Mitarbeiter angewiesen, um zu verstehen, was außerhalb der hohen Mauern und des Stacheldrahts um mich herum geschieht.
Doch mit Anbruch der Woche 7 des Lockdowns auf den Philippinen sind die täglichen Berichte, die ich früher von 8.00 bis 17.00 Uhr erhielt, inzwischen seltener geworden, und kommen nur noch morgens; und in letzter Zeit hatte ich keinen direkten Kontakt mehr zu meinen Mitarbeiter*innen.
Obwohl ich mitten in dieser Krise von der kollektiven Erfahrung der Menschheit abgeschnitten bin, bin ich nicht immun gegen die Not der Leidenden. Schon früh habe ich zu Massentests aufgerufen – und zur frühzeitigen Freilassung von inhaftierten Personen, die keine Gefahr für die Gesellschaft darstellen, insbesondere von kranken oder alten Menschen. Ich habe zum Schutz von Gesundheitspersonal, Menschenrechtsverteidiger*innen und anderen gefährdeten Gruppen aufgerufen. Erst kürzlich habe ich angesichts der Berichte über Gewalt bei der Durchsetzung der Lockdown-Bestimmungen bessere und klarere Einsatzregeln gefordert.
Ich fordere weiterhin reaktionsfähigere und wirksamere Wohlfahrts- und Sozialschutzprogramme, die nicht nur die arme städtische Bevölkerung, sondern auch die Menschen in Landwirtschaft und Fischerei, die zurückkehrenden philippinischen Überseearbeiter*innen und andere entrechtete Gruppen von Arbeiter*innen berücksichtigen müssen. Es braucht außerdem eine vollständige Rechenschaftslegung darüber, wie öffentliche Gelder für diese Bemühungen verwendet werden.
Angesichts der verschärften Quarantäne in Metro Manila und anderen Hochrisikogebieten, die ein zweites Mal verlängert wurde, bemühen sich meine Kolleg*innen im Senat nun darum, die Regeln des Senats dahingehend zu ändern, dass Anhörungen von Ausschüssen und Plenarsitzungen per Telefonkonferenz möglich sind.
Bereits im vergangenen Jahr wurde Berufung eingelegt, um mir die Teilnahme an Gesetzgebungsverfahren über das Internet zu ermöglichen. Dennoch blieb ich ausgeschlossen, möglicherweise aus demselben Grund, aus dem ich trotz meiner Unschuld an den, gegen mich erhobenen grundlosen Vorwürfen, eingesperrt bleibe – weil ich mich weigere, damit aufzuhören, die Mächtigen mit der Wahrheit zu belästigen.
Ich wurde verleumdet und politisch verfolgt, weil ich forderte, die außergerichtlichen Tötungen von Menschen unter dem Vorwand eines Krieges gegen Drogen zu beenden. Schätzungen gehen von mehr als 20.000 Ermordeten aus – Eltern, Geschwister, Ehemänner und Ehefrauen, die auf bloße Statistiken reduziert wurden, während die getöteten Kinder von demselben Präsidenten, der mich wegen der Verteidigung der Menschenrechte ins Gefängnis brachte, kaltblütig als "Kollateralschaden" bezeichnet wurden.
Es überrascht nicht, dass Duterte, der immer wieder gesagt hat, er werde sein eigenes Volk töten und das Gesetz in die eigenen Hände nehmen, jetzt inmitten der Coronavirus-Krise davor gewarnt hat, dass "es wie das Kriegsrecht sein wird.
Leila de Lima
Völlig irrsinnig in der Annahme, dass es an ihm liegt, zu entscheiden, wer leben und wer sterben muss, sagte Duterte auch, dass er nicht zögern werde, seinen Vollstreckern zu befehlen, diejenigen zu erschießen, die die Quarantäne-Bestimmungen verletzen – Bestimmungen, die einmal mehr die Armen kriminalisieren, die es sich nicht leisten können, in ihren beengten Häusern zu bleiben, weil sonst ihre Familien hungern müssten.
Die damalige Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber den außergerichtlichen Tötungen schuf eine Kultur der Straflosigkeit, die in der Zeit dieser Pandemie ihr hässliches Haupt erhoben hat. Während früher vor allem die Armen das Ziel von Duterte's Drogenkrieg waren, wurden diesmal sogar diejenigen, die in wohlhabenden und abgeschotteten Gemeinden leben, bei der Durchsetzung des Lockdowns seiner repressiven Politik und Rechtsverletzungen ausgesetzt.
Das Coronavirus befällt uns alle in gleicher Weise unterschiedslos. Es ist ein unsichtbarer und tödlicher Feind, dessen einziges Ziel es ist, zu überleben, indem er genügend Menschen infiziert, unabhängig von ihren politischen Ansichten oder ihrem sozioökonomischen Hintergrund.
Wir müssen mehr tun, als nur zu überleben. Wir müssen positiver und mitfühlender handeln, und zwar immer solidarisch mit denen, die im Leben am wenigsten haben.
Leila de Lima, philippinische Senatorin
Die langsame Verteilung von Notfallsubventionen und die ineffiziente Verwendung öffentlicher Mittel in meinem Land werden durch die anhaltenden Versäumnisse, soziale Gerechtigkeit zu wahren und Menschenrechte als universelle Rechte anzuerkennen, noch verschlimmert.
So viele Todesfälle hätten verhindert werden können, wenn auf Dr. Li Wenliang gehört worden wäre, statt ihn polizeilich zu überwachen. Im Dezember 2019 schlug er wegen der sich stillschweigend ausbreitenden Krankheit in Wuhan, China, Alarm. Einen Monat nachdem er an genau der Krankheit gestorben war, vor der er die Welt zu warnen versuchte, wurde die Coronavirus-Gesundheitskrise zur Pandemie erklärt.
Bis zum 1. Mai hat die Zahl der Todesopfer auf den Philippinen 579 der 8.772 bestätigten infizierten Fälle erreicht. Weltweit sind die registrierten Todesfälle und infizierten Fälle auf 224.301 bzw. 3.181.642 angestiegen. Diese herzzerreißende Übung, sich den massiven Verlust an Menschenleben durch die Pandemie vorzustellen, fühlt sich allzu vertraut an. Aber inmitten der Verzweiflung gibt es immer Hoffnung.
Taiwan, Neuseeland, Südkorea, Deutschland, Vietnam, Island, Singapur und Dänemark - deren führende Politiker ihre Entscheidungen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen haben oder deren Institutionen sich durch Transparenz und Informationsfreiheit auszeichnen - zeigen uns wirksame Wege auf, wie wir reagieren und uns erholen können.
Täuschen Sie sich nicht: Diese Pandemie ist eine Feuerprobe der Menschheit. Wir werden nur dann Erfolg haben, wenn wir uns für die Rettung von Leben und den Schutz der Menschenrechte einsetzen. Andernfalls werden wir erneut in eine Katastrophe wie diejenige geraten, die wir jetzt zu überwinden versuchen.