© AFP Via Getty Images
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Ein Jahr nach seiner Inhaftierung: Alexej Nawalny und seine Mitstreiter*innen „erleben die Hölle auf Erden“

17. Jänner 2022

Zusammenfassung

  • Alexej Nawalny ist seit einem Jahr in Haft, ihm drohen weitere erfundene Anklagen
  • Massive Repressalien gegen Nawaly und seine Unterstützer*innen, dutzende seiner Mitarbeiter*innen verhaftet
  • Amnesty-Petition: Mehr als 360.000 Menschen weltweit fordern die bedingungslose Freilassung des Kreml-Kritikers

In den letzten 12 Monaten haben die russischen Behörden eine beispiellose Kampagne der Unterdrückungen und Repressalien gegen den zu Unrecht inhaftierten Oppositionsführer Alexej Nawalny und seine Mitstreiter*innen geführt.

Alle Überreste des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wurden zerstört, hält Amnesty International heute am ersten Jahrestag der Verhaftung des Politikers fest.

„Seit der Festnahme von Alexej Nawalny auf einem Moskauer Flughafen vor einem Jahr sind der Politiker, seine Anhänger*innen und Organisationen der russischen Zivilgesellschaft einem unerbittlichen Ansturm von Repressalien ausgesetzt. Dutzende von Nawalnys Mitarbeiter*innen und Anhänger*innen werden wegen falscher Anschuldigungen strafrechtlich verfolgt. Eine wachsende Zahl von ihnen befindet sich bereits im Gefängnis. Inzwischen haben die Behörden seine Organisationen als ‘extremistisch’ eingestuft und ihre Websites blockiert“, sagte Marie Struthers, Direktorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International und sagt weiter: "Einige von Alexej Nawalnys Mitstreiter*innen konnten aus dem Land fliehen, doch nun befürchten sie, dass ihre Angehörigen in Russland ein ähnliches Schicksal der unbegründeten Verfolgung und Inhaftierung erleiden werden. "

Am Jahrestag seiner Verhaftung erleben Alexej Nawalny und die mit ihm verbundenen politischen Aktivist*innen die Hölle auf Erden.“

Marie Struthers, Direktorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International

Am 2. Februar 2021 ersetzte ein Gericht in Moskau Nawalnys Strafe ohne Freiheitsentzug durch eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und acht Monaten, die später um zwei Monate verkürzt wurde. Bald darauf begannen die russischen Behörden mit der Auflösung der Antikorruptionsstiftung und der Stiftung zum Schutz der Bürgerrechte, die Nawalny gegründet hatte, und schlossen seine Büros. Am 9. Juni 2021 wurden die beiden Organisationen offiziell als „extremistisch“ eingestuft und völlig willkürlich verboten. 

Die Aktivitäten der beiden Organisationen wurden seitdem kriminalisiert. Am 28. September 2021 leiteten die Behörden ein Strafverfahren gegen Nawalny und seine Mitstreiter*innen ein, das unter dem Vorwurf der Gründung einer „extremistischen Vereinigung“ geführt wurde. Am 9. November wurde Lilia Chanysheva, die ehemalige Koordinatorin von Nawalnys Büro in Ufa, in Untersuchungshaft genommen. 

Dutzende Mitarbeiter*innen aus Nawalnys Team und regionale Koordinator*innen seiner breiteren politischen Bewegung haben Russland inzwischen aus Angst vor politischer Verfolgung verlassen. Juri Schdanow, der Vater von Iwan Schdanow, dem Direktor der Antikorruptionsstiftung, wurde im März 2021 unter dem Vorwurf der "Fälschung" und des "groß angelegten Betrugs" verhaftet.

Nawalny droht Weitere Gefängnisstrafe

Alexej Nawalny drohen weitere erfundene Anklagen und bis zu 15 zusätzliche Jahre Gefängnis zusätzlich zu seiner derzeitigen Haftstrafe. Ihm werden „Missachtung des Gerichts“, „Betrug in besonders großem Ausmaß“ und „Geldwäsche“ im Zusammenhang mit der angeblichen Veruntreuung von Spenden an seine NGOs vorgeworfen. Außerdem wird ihm vorgeworfen, eine Organisation gegründet zu haben, die „die Persönlichkeit und die Rechte der Bürger verletzt“.

„Das rücksichtslose Vorgehen des Kremls, der Alexej Nawalny und seine Unterstützer*innen zum Schweigen bringen und verleumden will, muss jetzt ein Ende haben“, sagt Marie Struthers und sagt weiter: „Wir rufen die Staats- und Regierungschefs, internationale Organisationen und Menschen auf der ganzen Welt auf, sich nicht nur der Forderung nach der sofortigen Freilassung von Alexej Nawalny anzuschließen, sondern auch nach einem Ende der brutalen Repressalien gegen seine Unterstützer*innen. Die Menschen in Russland sollten nicht unter der rücksichtslosen Unterdrückung ihrer Menschenrechte leiden müssen. Sie verdienen, dass ihre Stimmen gehört werden, ohne dass sie Repressalien befürchten müssen.“

Mehr als 360.000 Menschen auf der ganzen Welt haben eine Petition von Amnesty International unterzeichnet, und fordern von den russischen Behörden, Alexej Nawalny sofort und bedingungslos freizulassen.

Marie Struther

Hintergrund

Alexej Nawalny ist ein offener Kritiker des Kremls, Autor bahnbrechender Recherchen über Korruption auf höchster Ebene in Russland und Gründer mehrerer zivilgesellschaftlicher Organisationen. Er wurde am 17. Jänner 2021 auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo willkürlich festgenommen – nach seiner Ankunft aus Berlin, wo er sich nach seiner Vergiftung in Sibirien im August 2020 erholt hatte. Er wurde in Untersuchungshaft genommen, weil er es angeblich verabsäumt hatte, sich regelmäßig persönlich bei seiner Bewährungshilfe zu melden, während er sich von seiner fast tödlichen Vergiftung erholte. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bewertete die Verurteilung Alexej Nawalnys im Jahr 2014 und die anschließende Haftstrafe als „willkürlich und offensichtlich unangemessen“. Am 14. Jänner wurden Leonid Wolkow und Iwan Schdanow, zwei Mitarbeiter von Nawalny, von der russischen Finanzaufsichtsbehörde auf eine Liste von „Extremisten“ gesetzt. Ihr Vermögen in Russland ist nun eingefroren.