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Europa: Sechs junge Menschen tragen eine bahnbrechende Klimaklage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor

26. September 2023

Sechs junge Menschen aus Portugal werden morgen, am 27. September, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen wegweisenden Fall vortragen. Die Kläger*innen argumentieren, dass die Länder ihre Menschenrechte verletzen, weil sie nicht genug tun, um sie vor dem Klimawandel zu schützen.

Wenn sie Erfolg haben, könnten die 33 Staaten – 27 EU-Mitgliedstaaten sowie das Vereinigte Königreich, die Schweiz, Norwegen, Russland und die Türkei – rechtlich dazu verpflichtet werden, ihre Treibhausgasemissionen zu verringern. Amnesty International ist eine der Gruppen, die eine schriftliche Eingabe beim Gericht eingereicht haben, in der sie argumentieren, dass die Regierungen verpflichtet sind, die Menschenrechte durch ihre Klimapolitik international zu schützen.

Wie an vielen anderen Orten gehen junge Menschen voran und zeigen, dass es legale Wege gibt, um Klimagerechtigkeit zu erreichen.

Mandi Mudarikwa, Leiterin der Abteilung für strategische Rechtsstreitigkeiten bei Amnesty International

Mudarikwa weiter: „Dieser Fall ist von enormer Bedeutung, aber nur einer von mehreren, die derzeit laufen, um sicherzustellen, dass das Recht eines*r jeden auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt geschützt wird. Wie so viele andere Menschen auf der Welt bekommen auch die Kläger*innen die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels bereits unmittelbar zu spüren, da die zunehmenden Hitzeextreme ihre Möglichkeiten einschränken, sich im Freien aufzuhalten, Sport zu treiben, zu schlafen und sich richtig zu konzentrieren. Einige von ihnen leiden auch an Erkrankungen wie Asthma, die sich durch die schlechtere Luftqualität aufgrund von extremer Hitze, Waldbränden und Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe verschlimmern. Diese Generation und ihre Kinder werden die Hauptlast der sich abzeichnenden Klimakatastrophe zu tragen haben. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Staaten jetzt handeln, um eine Eskalation dieser Katastrophe zu verhindern und ihren Verpflichtungen nachzukommen, den durchschnittlichen Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert auf unter 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dies erfordert den schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe.“

Die Kläger*innen

Bei den sechs Kläger*innen, die durch die verheerenden Waldbrände, die 2017 in Teilen Portugals wüteten, zum Handeln bewegt wurden, handelt es sich um: Cláudia Agostinho, 24, Martim Agostinho, 20, Mariana Agostinho, 11, Sofia Oliveira, 18, André Oliveira, 15, und Catarina Mota, 23.

Cláudia Agostinho

Cláudia stammt aus Leiria, etwa 120 km nördlich von Lissabon, und lebt mit ihrem Bruder Martim und ihrer Schwester Mariana zusammen, die ebenfalls an der Klage beteiligt sind. Sie arbeitet als Krankenschwester in einem örtlichen Krankenhaus und ist sich der Gefahr, die die Eskalation extremer Hitzeereignisse für die menschliche Gesundheit darstellt, sehr bewusst.

Martim Agostinho

Martim besucht eine naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtete weiterführende Schule in Leiria. Der Rauch der Waldbrände im Jahr 2017 führte dazu, dass die Schule geschlossen werden musste, und Martim Agostinho war entsetzt über das Ausmaß der Zerstörung in der Nähe seines Zuhauses. Martim sagt, dass seine Generation alles tun muss, um sicherzustellen, dass die Regierungen ihre Rechte und ihre Zukunft schützen.

Mariana Agostinho

Die jüngste der Kläger*innen, Mariana, liebt Tiere und verbringt so viel Zeit wie möglich auf dem Bauernhof ihrer Großeltern. Mariana wäre im Jahr 2100 88 Jahre alt, doch ohne radikale Maßnahmen der Regierungen könnte sich die Welt bis dahin auf 3°C über dem Niveau der vorindustriellen Zeit erwärmt haben – ein katastrophales Szenario.

Catarina Mota

Catarina lebt ebenfalls in Leiria und sagt, der Klimawandel mache die Region zu einem lebensfeindlichen Ort. Die extremen Hitzeperioden, die Portugal in den letzten Jahren erlebt hat, haben ihre Möglichkeiten, im Freien Sport zu treiben und gut zu schlafen, erheblich beeinträchtigt. Sie sorgt sich um die Zukunft der Familie, die sie eines Tages haben möchte.

Sofia Oliveira

Sofia lebt mit ihrem Bruder André und ihren Eltern in Lissabon. Sie ist sich sicher, dass wenn genügend Menschen Maßnahmen fordern, die Regierungen das Nötige tun müssten, um die Klimakrise abzuwenden. Sie möchte „Grüne Chemie“ studieren, damit die fossilen Brennstoffe dort bleiben, wo sie hingehören: im Boden.

André Oliveira

Sofias Bruder André sagt, dass seine Freund*innen sich immer mehr Sorgen um den Klimawandel machen und er nicht verstehen kann, wie die Menschen, die das Klima eigentlich schützen sollten, den Klimawandel zulassen.

Hintergrund

In der Rechtssache Duarte Agostinho und andere gegen Portugal und 32 andere Staaten wird das Gericht das Argument der Kläger*innen prüfen, dass ihre Rechte aus den folgenden Artikeln der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt werden:

  • Das Recht auf Leben (Artikel 2)
  • Das Recht auf Freiheit von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Artikel 3)
  • Das Recht auf Privatsphäre und Familienleben (Artikel 8)
  • Das Recht, nicht aus Gründen des Alters diskriminiert zu werden (Artikel 14) in Verbindung mit Artikel 2 und/oder Artikel 8.

Eine Entscheidung könnte innerhalb weniger Monate fallen. Da die Urteile des EGMR für die betroffenen Staaten verbindlich sind, könnte dieses Urteil andere Fälle vor nationalen Gerichten in Europa beeinflussen und künftige Klimaklagen auf nationaler Ebene stärken.

Das Netzwerk für globale rechtliche Aktionen namens Global Legal Action Network (GLAN) unterstützt die Kläger*innen und führt ein internationales Crowdfunding durch, um ihre Bemühungen zu unterstützen.

Zwei weitere Klimafälle wurden kürzlich vor dem EGMR verhandelt, die Entscheidungen stehen noch aus. Die eine wurde vom Verein KlimaSeniorinnen Schweiz und vier einzelnen Frauen des Vereins gegen die Schweiz eingereicht, die andere vom französischen Europaabgeordneten der Grünen, Damien Carême. Beide werfen der Schweiz bzw. Frankreich vor, dass ihre Klimapolitik ihre Menschenrechte nicht schützt.