Im neuen Lager gebe es mehr Sicherheit, sagte er Amnesty International. Doch: "Sie haben uns wie Gefangene behandelt... Hier wirst du wirklich wahnsinnig. Du kannst nicht zurückgehen. Du kannst nicht vorwärts gehen... Ich kann nicht richtig schlafen. Die ganze Zeit leben wir ein Leben ohne Ziel, voller Angst." In den vergangenen fünf Tagen vor dem Gespräch mit Amnesty durften nur seine Kinder das Lager verlassen, um zur Schule zu gehen.
H., ein afghanischer Mann, der sich seit Februar 2020 in Griechenland aufhält und dessen Asylantrag zweimal abgelehnt wurde, hat das Lager seit fünf Tagen nicht mehr verlassen. Vor der Entscheidung vom 17. November war er sehr aktiv: "Ich habe Englisch gelernt und mich außerhalb des Lagers freiwillig engagiert. In den letzten fünf Tagen habe ich das Gefühl, ein Gefangener zu sein. Im alten Lager hatte ich wenigstens meine Freiheit."
Keine Möglichkeit zur Anfechtung
Amnesty International hat wiederholt Besorgnis darüber geäußert, dass Griechenland offene Lager durch "geschlossene Zentren mit kontrolliertem Zugang" ersetzt hat. Amnesty stellt außerdem in Frage, wie sich diese Politik mit Menschenrechtsstandards zu Freiheitsentzug vereinbaren lässt. Nach internationalem und EU-Recht können Asylsuchende nur als letztes Mittel, nach eingehender Prüfung ihrer individuellen Umstände, für die kürzestmögliche Zeit und im Rahmen eines gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens festgehalten werden.
Den Bewohner*innen des Lagers Samos wird automatisch und auf unbestimmte Zeit ihre Freiheit entzogen, und zwar aus undurchsichtigen und unrechtmäßigen Gründen, ohne dass sie die Möglichkeit haben, den Entschluss anzufechten.
"Wie wir befürchtet haben, verstecken sich die griechischen Behörden hinter dem rechtlich unklaren Konzept der so genannten geschlossenen Zentren, um Asylsuchende rechtswidrig ihrer Freiheit zu berauben. Wir fordern Griechenland auf, diese Entscheidung dringend rückgängig zu machen und die Freiheitsbeschränkungen für die Bewohner*innen des Lagers auf Samos aufzuheben. Die Europäische Kommission muss die Einhaltung der Grundrechte in EU-finanzierten Einrichtungen sicherstellen", sagte Adriana Tidona.
Hintergrund: Amnesty-recherche zum Lager auf Samos
Eine Delegation von Amnesty International besuchte am 22. November 2021, dem fünften Tag der Restriktionen, das Gelände der "Geschlossenen kontrollierten Insellagereinrichtung" (KEDN) auf Samos und traf einige der betroffenen Bewohner*innen.
Das KEDN auf Samos kostete 276 Millionen Euro. Die Gelder wurden von der Europäischen Kommission für den Bau neuer Einrichtungen für Asylsuchende auf den Ägäis-Inseln bereitgestellt, um die bestehenden, von der Regierung verwalteten offenen Lager zu ersetzen. Am 27. November weihten die griechischen Behörden die KEDNs auf Leros und Kos ein. Weitere KEDNs auf Lesbos und Chios werden folgen.
Asylsuchende in ganz Griechenland haben seit zwei Monaten keine finanzielle Unterstützung mehr erhalten, nachdem die Verwaltung des EU-finanzierten Bargeldhilfeprogramms vom UNHCR auf die griechischen Behörden übergegangen war. Nach Angaben von NGOs in Griechenland sind derzeit etwa 34 000 Asylsuchende betroffen. Zudem haben die griechischen Behörden seit Oktober 2021 die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser für anerkannte Geflüchtete und Asylsuchende, deren Antrag abgelehnt wurde, eingestellt.