
Iran: Behörden nehmen Frauenrechtsaktivistinnen willkürlich fest und verhängen Körperstrafen und Todesurteile
18. März 2025Die iranischen Behörden haben ihr Vorgehen gegen Frauenrechtsaktivistinnen, Journalistinnen, Sängerinnen und andere Aktivistinnen, die Gleichberechtigung fordern oder sich gegen den Kopftuchzwang wehren, verschärft und setzen dabei willkürliche Inhaftierungen, ungerechtfertigte Strafverfolgung, Auspeitschungen und sogar die Todesstrafe ein, um die iranische Frauenbewegung niederzuschlagen, so Amnesty International.
Seit dem Internationalen Frauenkampftag am 8. März haben die iranischen Behörden mindestens fünf Frauenrechtsaktivistinnen willkürlich festgenommen. Diese Festnahmen erfolgen inmitten eines härteren Vorgehens, bei dem unter anderem Frauenrechtsaktivistinnen und Journalistinnen zum Verhör vorgeladen und Sängerinnen festgenommen wurden, weil sie ohne den obligatorischen Hidschab auftraten. Auch ihre Konten in den Sozialen Medien wurden geschlossen. Im Vorfeld des Weltfrauentags ließen die Behörden einen Sänger mit 74 Hieben auspeitschen, weil er ein Protestlied gegen die diskriminierenden Kopftuchgesetze des Irans gesungen hatte, und im Februar 2025 verurteilten sie eine Frauenrechtsaktivistin zum Tode.
„Seit dem ‚Frau, Leben, Freiheit‘-Aufstand von 2022 betrachten die iranischen Behörden den weit verbreiteten Widerstand von Frauen und Mädchen, die ihre Rechte einfordern, als eine existenzielle Bedrohung für das politische und sicherheitspolitische Establishment. Anstatt gegen die systemische Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen vorzugehen, versuchen sie, die iranische Frauenbewegung zu zerschlagen“, sagte Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.
Die internationale Gemeinschaft muss sich gegen Straflosigkeit und für die Rechte von Frauen und Mädchen im Iran einsetzen. Die Staatengemeinschaft muss vorhandene Druckmittel verwenden, um die iranischen Behörden dazu zu bringen, die Schikanen gegen Frauenrechtsaktivist*innen einzustellen und die willkürlich Inhaftierten unverzüglich freizulassen.
Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International
„Sie müssen auch rechtliche Wege beschreiten, um iranische Regierungsvertreter zur Rechenschaft zu ziehen, die im begründeten Verdacht stehen, weit verbreitete und systematische Menschenrechtsverletzungen an Frauen und Mädchen zu begehen, wie durch die Einführung des Kopftuchzwangs.“
Die Mandate der Untersuchungsmission und des Sonderberichterstatters sollen auf der laufenden 58. Tagung des UN-Menschenrechtsrats vom 24. Februar bis 4. April 2025 erneuert werden. Am 18. März hat der Rat einen gemeinsamen interaktiven Dialog mit beiden Mandatstragenden geführt.
Frauenrechtsaktivist*innen wegen Teilnahme an Veranstaltungen zum Weltfrauentag festgenommen
Im Vorfeld des Weltfrauentages drohten die iranischen Behörden Frauen und warnten sie davor, sich zu versammeln und ihre Rechte einzufordern.
Seit dem 10. März 2025 haben Angehörige des Geheimdienstministeriums vier kurdische Frauenrechtsaktivistinnen festgenommen, nachdem sie an Veranstaltungen zum Weltfrauentag in der Provinz Kurdistan teilgenommen hatten. Bei ihnen handelt es sich um Leila Pashaei, Baran Saedi, Sohaila Motaei und Souma Mohammadrezaei. Sie werden in einem Haftzentrum in Sanandaj in der Provinz Kurdistan willkürlich in Einzelhaft gehalten und sind ohne ihre Rechtsbeistände verhört worden.
Baran Saedi wurde am 10. März 2025 in der Wohnung ihrer Familie in Sanandaj festgenommen. Sie wurde bereits während der „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste im Jahr 2022 inhaftiert, nach zwei Monaten aber gegen Kaution freigelassen.
Souma Mohammadrezaei wurde am 10. März an ihrem Arbeitsplatz in Sanandaj festgenommen. Sicherheitskräfte hatten sie zuvor mehrfach vorgeladen und bedroht, weil sie sich für die Rechte von Frauen einsetzt.
Sohaila Motaei wurde am Abend des 10. März in Dehgolan festgenommen. Zuvor war sie im Jänner 2025 kurzzeitig inhaftiert worden, weil sie gegen die Todesurteile mehrerer inhaftierter Frauen protestiert hatte. Sie wurde auch während des Aufstandes „Frau, Leben, Freiheit“ festgenommen und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, unter anderem wegen „Verbreitung von Propaganda gegen das System“.
Leila Pashaei wurde am 10. März 2025 in ihrem Haus in Sanandaj festgenommen, nachdem sie sich während einer Veranstaltung zum Weltfrauentag gegen Kopftuchzwang, Kinderheirat, Gewalt gegen Frauen und Hinrichtungen von Frauen im Iran ausgesprochen hatte. In ihrer Rede sagte sie: "Die Frauen im Iran werden von Behörden gefangen gehalten, die die Macht der Frauen fürchten... Die Frauenbewegung hat den Punkt überschritten, an dem es ein Zurück gibt... Frauen weltweit, insbesondere im Nahen Osten, werden nie wieder zum Schweigen gebracht werden.“
Muster der Unterdrückung und Einschüchterung
Die jüngsten Festnahmen erfolgten im Rahmen einer breit angelegten Kampagne zur Unterdrückung von Frauenrechtsaktivismus und Widerstand gegen den Kopftuchzwang durch eine Reihe von Zwangsmaßnahmen. Aktivist*innen, Journalist*innen, Sänger*innen und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens werden willkürlich festgenommen, gefoltert, ausgepeitscht, unter Anwendung von Zwang verhört, bedroht und ihre Konten in den sozialen Medien geschlossen.
Am 11. März 2025 wurde Nina Golestani, eine Schriftstellerin und Frauenrechtsaktivistin, in ihrem Elternhaus in der Provinz Gilan willkürlich von der Spionageabwehr der Revolutionsgarden (IRGC) festgenommen. Laut einer Erklärung ihres Ehemanns Javad Sajadi Rad auf Instagram stürmten IRGC-Angehörige das Haus ihrer Eltern, durchsuchten es und beschlagnahmten ihre persönlichen Gegenstände. Dann nahmen die IRGC-Angehörigen sie mit, um sie zu verhören und brachten sie anschließend in das Lakan-Gefängnis in Rasht in der Provinz Gilan. Am 16. März wurde sie gegen Kaution freigelassen.
Am 7. März 2025, einen Tag nachdem mehrere Journalistinnen ohne Kopftuch an einer Medienveranstaltung in Teheran teilgenommen hatten, veröffentlichte die Nachrichtenagentur der Justiz Mizan eine Erklärung, in der sie das Verhalten der Frauen als „gegen den öffentlichen Anstand“ bezeichnete. Die Journalistinnen wurden im Büro des Staatsanwalts im Teheraner Evin-Gefängnis verhört und es wurden Gerichtsverfahren gegen sie eingeleitet.
Am 5. März 2025 musste der Sänger Mehdi Yarrahi 74 Peitschenhieben über sich ergehen lassen, die im Zusammenhang mit seinem Lied „Dein Kopftuch(Roosarito)“, gegen ihn verhängt worden waren, das er zum ersten Jahrestag des Aufstands „Frau, Leben, Freiheit“ geschrieben hatte.
Am 27. Februar 2025 wurde die Sängerin Hiwa Seyfizade während eines Auftritts in Teheran festgenommen. Ein Beamter teilte mit, dass sie wegen „unerlaubten Singens“ festgenommen werde, denn allein zu singen sei für Frauen im Iran verboten. Am 1. März wurde sie gegen Kaution freigelassen. Ihr Instagram-Konto ist seither geschlossen, und zwei Posts der „Polizei für öffentliche Sicherheit“ dort lauten: „Diese Seite wurde [auf Anordnung der Justizbehörden] wegen der Erstellung von kriminellen Inhalten gesperrt.“
Im Februar 2025 wurde die inhaftierte Frauenrechtsaktivistin Sharifeh Mohammadi zum zweiten Mal wegen „bewaffneter Rebellion gegen den Staat“ (baghi) zum Tode verurteilt, und zwar ausschließlich im Zusammenhang mit ihren Menschenrechtsaktivitäten, einschließlich der Unterstützung von Frauenrechten. Der Oberste Gerichtshof hatte im Oktober 2024 das frühere Todesurteil eines Revolutionsgerichts aufgehoben und den Fall an die unteren Gerichte zurückverwiesen.
Am 14. Dezember 2024 wurde die Sängerin Parastoo Ahmadi festgenommen, nachdem sie live ein Konzert übertrug, bei dem sie ohne Kopftuch und in einem schulterfreien Kleid erschien. Das Video ging viral und wurde zweieinhalb Millionen Mal angesehen. Einige Stunden später kam sie gegen Kaution wieder frei.
Am 13. Dezember 2024 wurde Reza Khandan, ein Menschenrechtsaktivist, festgenommen, um eine unrechtmäßige Haftstrafe zu verbüßen, die im Zusammenhang mit seiner Kampagne gegen den Kopftuchzwang gegen ihn verhängt wurde. Reza Khandan, der Ehemann der Anwältin Nasrin Sotoudeh, wurde im Januar 2019 von einem Revolutionsgericht zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Iran: Verfolgung von Frauen
Irans Kopftuchzwang, der für Mädchen ab sieben Jahren gilt, verletzt eine ganze Reihe von Rechten, darunter das Recht auf Gleichheit, freie Meinungsäußerung, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Privatsphäre, Gleichheit und Nichtdiskriminierung sowie persönliche und körperliche Autonomie. Diese Gesetze verursachen auch große Schmerzen und Leid, die der Folter oder anderen Formen der Misshandlung gleichkommen.
In ihrem Bericht vom März 2024 stellte die UN-Untersuchungskommission fest, dass die iranischen Behörden „eine Reihe umfassender, anhaltender und fortgesetzter Handlungen begangen haben, die einzeln Menschenrechtsverletzungen darstellen, die sich gegen Frauen [und] Mädchen richten ... und die in ihrer Gesamtheit nach Einschätzung der Untersuchungskommission Verfolgung darstellen.“