Katar: Zwangsarbeit im Sicherheitssektor – Unternehmen arbeiteten auch für WM
7. April 2022Amnesty International zeigt in einem neuen Bericht, dass Sicherheitskräfte in Katar unter Bedingungen arbeiten, die Zwangsarbeit gleichkommen, unter anderem bei Projekten im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2022.
Arbeitsmigrant*innen erleiden im privaten Sicherheitssektor Katars schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, die teilweise Zwangsarbeit darstellen. Betroffen sind unter anderem Unternehmen, die Dienstleistungen für zahlreiche Infrastrukturprojekte erbracht haben, die während der bevorstehenden Fußballweltmeisterschaft im November genutzt werden. Die FIFA muss ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen und dafür sorgen, dass Menschenrechtsverletzungen im Sicherheitssektor beseitigt werden, fordert Amnesty International.
Arbeit unter Androhung von Strafe
Für den Bericht ‚They Think that we’re machines‘: Forced labour and other abuses of migrant workers in Qatar’s private security sector sprach Amnesty International mit dem Sicherheitspersonal von acht Firmen. In mindestens sechs dieser Firmen stellte Amnesty International dabei Elemente von Zwangsarbeit fest: So mussten die Arbeiter*innen gegen ihren Willen und unter Androhung von Strafen Arbeit verrichten. Manche von ihnen mussten bis zu 84 Wochenstunden arbeiten – und das unter den Augen der katarischen Regierung. Mindestens drei der Firmen liehen Sicherheitspersonal an WM-Projekte und Veranstaltungen der FIFA aus, auch hier erlitten einige der Arbeiter*innen Zwangsarbeit.
"Die von uns aufgedeckten Missstände lassen sich alle auf das massive Machtgefälle zurückführen, das in Katar nach wie vor zwischen Arbeitgeber*innen und Abreitsmigrant*innen besteht. Das zeigt, dass die Durchsetzung arbeitsrechtlicher Gesetze durch die Behörden noch große Lücken aufweisen. Viele der Arbeiter*innen, mit denen wir sprachen, wussten, dass ihre Arbeitgeber*innen gegen das Gesetz verstoßen, fühlten sich aber machtlos, etwas dagegen zu tun. Körperlich und seelisch völlig erschöpfte Arbeiter*innen erschienen immer wieder zum Dienst, weil ihnen Geldstrafen drohten – oder schlimmer noch, die Kündigung des Arbeitsvertrags oder die Abschiebung", sagt Stephen Cockburn, Leiter der Abteilung wirtschaftliche und soziale Menschenrechte bei Amnesty International.
Viele der Arbeiter*innen, mit denen wir sprachen, wussten, dass ihre Arbeitgeber*innen gegen das Gesetz verstoßen, fühlten sich aber machtlos, etwas dagegen zu tun.
Steve Cockburn, Leiter der Abteilung für wirtschaftliche und soziale Menschenrechte bei Amnesty International
Rassismus
Amnesty International dokumentierte auch Diskriminierung aufgrund von Rasse, nationaler Herkunft und Sprache. Die für den Bericht befragten Sicherheitsarbeiter*innen, die zumeist aus Uganda und Kenia stammen, sagten, dass Arbeitnehmer*innen aus Subsahara-Afrika oft unter den härtesten Bedingungen eingesetzt werden, zum Beispiel für Aufgaben, bei denen sie lange in der Hitze arbeiten müssen. Sie sagten auch, dass sie für die gleiche Arbeit weniger Lohn erhalten als andere Arbeiter*innen, insbesondere arabischsprachige Arbeiter*innen.
Fifa muss reformen einfordern
Die Untersuchung zeigt erneut, dass die katarische Regierung nicht ernsthaft darum bemüht ist, ihre eigenen Gesetze umzusetzen oder diejenigen zu bestrafen, die sie brechen. Die Arbeiter*innen, die dafür sorgen, dass die Weltmeisterschaft für Fans, Spieler und Fußballverbände ein unvergessliches Erlebnis wird, dürfen nicht die Leidtragenden dieses Fehlverhaltens sein. Die FIFA muss ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen und sicherstellen, dass sie die Menschenrechtsverletzungen im Sicherheitssektor beseitigt. Die missbrauchten Arbeiter*innen müssen von der FIFA entschädigt werden. Das bisherige Engagement der FIFA in dieser Hinsicht reicht nicht aus.
Was Arbeiter*innen berichten
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Lawrence
aus Kenia„Man arbeitet bei 52 Grad in der sengenden Hitze. Man schwitzt, bis das T-Shirt salzig ist und ich habe jeden Tag Kopfschmerzen. Sie interessieren sich dafür, was du tust, nicht wie du lebst.“
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Florence
aus Uganda"Ich wollte mich ausruhen. Am Ende wird man krank. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Es ist für niemanden gut.“
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Emmanuel
aus Uganda„Ich muss meine Tochter versorgen, die jetzt in den Kindergarten geht. Wenn man also gedemütigt oder schlecht behandelt wird, kann man sich nicht beschweren. Denn man hat Menschen, die sich auf einen verlassen.“
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Nelson
aus Kenia„Ich wollte einen Tag in der Woche frei haben, um für ein Gesundheits- und Sicherheitszertifikat zu lernen. Sie sagten, es gäbe niemanden, der mich vertritt. Also musste ich die Ausbildung abbrechen.“
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Godfrey
aus Uganda„Wir arbeiten von Jänner bis Jänner, von Sonntag bis Sonntag. Ohne freien Tag. Wenn du fehlst, ziehen sie dir zwei oder mehr Tage vom Lohn ab.“