Wofür wurde er verurteilt?
Verurteilt wurde er mit der Begründung, dass er für “verfeindete Länder” gearbeitet habe. In den erzwungenen falschen “Geständnissen” werden Österreich und die USA genannt. Das Urteil wurde ihm nur mündlich mitgeteilt – schriftlich haben wir es bis jetzt noch immer nicht.
Wie ging es ihrem Mann damals?
Wenn man jemanden inhaftiert, ohne dass er ein Verbrechen begangen hat, und monatelang foltert und in Einzelhaft hält, dann hat das nicht nur körperliche Auswirkungen, er war auch psychisch in einem schlechten Zustand. Als seine Mutter ihn endlich nach vier Monaten zum ersten Mal sehen durfte, hatte er 16 Kilo abgenommen, er sprach mit ziemlich zittriger Stimme und war verängstigt. Er hat monatelang auf dem Boden schlafen müssen, auf einem Teppich und später, erst nach eineinhalb Jahren, wurde er in die normale Abteilung des Gefängnisses verlegt. Als er da angekommen ist, hat er schon enorme Schmerzen gehabt – Rückenschmerzen – und konnte nicht mehr aufstehen. Monatelang ist er im Bett gelegen. Einmal, als seine Mutter ihn besuchen wollte, konnte er nicht selbstständig zum Besuchszimmer gehen. Zwei andere Gefangene mussten ihm helfen. Sie haben ihn dorthin getragen.
Wie haben Sie die erste Zeit nach Kamrans Verhaftung erlebt?
Ich habe oft täglich nur mehr zwei Stunden geschlafen. Innerhalb von zwei Wochen habe ich mehr als 16 Kilo abgenommen. Ich erinnere mich, als ich zuletzt auf der Waage stand, habe ich 45 gesehen, danach habe ich mich nicht mehr gewogen. Ich war nur mehr Haut und Knochen zu dieser Zeit. Die Kinder waren noch klein in dem Jahr. Also unser Junge war zwei Jahre alt, ging in den Kindergarten und meine Töchter, die waren neun und zwölf Jahre alt, eine war in der Volksschule, die andere hatte mit dem Gymnasium begonnen. Ich habe einfach nur die Kinder in die Schule gebracht, bin nach Hause gekommen, habe gearbeitet und gekocht, die Kinder abgeholt und dann aufgepasst, dass die Kinder ihre Hausaufgaben machen. Wie die ersten Monaten vergangen sind oder wie die Kinder das alles mit mir mitgemacht haben, das habe ich eigentlich gar nicht mitbekommen, weil wir alle in einen Ausnahmezustand waren. Ich habe immer gedacht, okay, morgen wird er freikommen. Wirklich. Ich war jeden Tag bereit, dass die Tür klingeln wird und Kamran durch die Tür kommen wird. Aber erst im Sommer danach und nachdem dieses Urteil ausgesprochen wurde, da wurde mir klar, dass das nicht irgendeine irrtümliche Verhaftung ist, sondern mehr dahintersteckt. Und erst nachher, viel, viel später habe ich dann erfahren, dass Kamran kein Einzelfall ist und, dass es so viele andere Familien in dieser Situation gibt. Aber bis das mit Kamran geschehen ist, hatte ich davon nie gehört. Ich habe dann auch mehr die anderen Fälle gelesen. Diese Folter, die erzwungenen Geständnisse, danach dieses Scheingerichtsverfahren, das Urteil, alles ist dasselbe… Da denkt man wirklich: Ich bin einfach im falschen Film.
Wie ist Kamrans gesundheitlicher Zustand heute?
Etwa ein oder eineinhalb Jahre später, als er in der normalen Abteilung des Gefängnisses war, wurde er operiert. Er hat zwei Operationen gehabt, an der Bandscheibe und an der Wirbelsäule. Seine Beweglichkeit ist begrenzt, er kann sich nicht mehr bücken. Solche Bewegungen kann er nicht mehr machen. Noch dazu hat er einen Tumor bei seinem Oberschenkel im Knochen. Im Gefängnis bekam er auch hohen Blutdruck im Zusammenhang mit der Folter. Sie haben ihm Medikamente gegeben, um den Blutdruck zu senken. Am Anfang haben sie wenig geholfen, aber jetzt ist das unter Kontrolle. Zweimal am Tag muss er Blutdruck-Medikamente einnehmen. Seitdem wir miteinander auch telefonisch reden können, geht es ihm natürlich viel besser, weil so weiß er wenigstens, dass es mir und den Kindern gut geht.