Nicht in unserem Namen: Keine EU-Unterstützung für Israels Genozid, Besatzung und Apartheid
22. Februar 2025In ganz Europa protestieren Menschen gegen den Genozid in Gaza. Beim EU-Israel-Assoziationsrat hat die EU die Chance, einen Kurswechsel einzuleiten. Vor diesem Hintergrund fordern die Direktor*innen der europäischen Amnesty-Sektionen: Waffenlieferungen an Israel stoppen, Handel mit illegalen Siedlungen verbieten, Rechenschaft für Völkerrechtsverbrechen einfordern.
Überall in Europa fordern die Menschen ein Ende des Genozids an den Palästinenser*innen in Gaza. Seit 16 Monaten gehen Menschen auf die Straße, organisieren sich in Gewerkschaften, unterzeichnen Briefe und Petitionen, unterstützen Spendenaktionen und errichten Zeltlager an Universitäten, um Gerechtigkeit für die Betroffenen von Genozid und Kriegsverbrechen zu fordern und dafür zu sorgen, dass die jahrzehntelange brutale Besatzung und Apartheidspolitik Israels gegen die Palästinenser*innen endlich beendet wird.
Aber es gibt eine Kluft zwischen den Gesprächen, die in unseren Häusern, an unseren Arbeitsplätzen und Schulen geführt werden, und denen, die in den Machtzentralen der EU stattfinden. Und es besteht die Gefahr, dass diese Kluft größer wird.
Am 24. Februar werden die EU-Außenminister*innen den israelischen Außenminister Gideon Sa'ar in Brüssel zum Assoziationsrat EU-Israel empfangen.
Zum ersten Mal in der Geschichte der EU werden die Minister*innen den Vertreter eines Staates empfangen, gegen dessen Premierminister und ehemaligen Verteidigungsminister ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegt.
Im Rahmen des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel genießt Israel bestimmte Privilegien beim Zugang zum EU-Markt bzgl. Handel und wirtschaftlicher Zusammenarbeit und erhält EU-Mittel für Forschung und Entwicklung, Bildung und Kultur.
Entscheidender Moment der Geschichte der EU
Das Treffen dieser privilegierten Partnerschaft findet in einem entscheidenden Moment der Geschichte der EU statt. Während die Weltordnung ins Wanken gerät, die Achtung des Völkerrechts bröckelt und ein neuer US-Präsident zur Massendeportation von Palästinenser*innen im Gazastreifen aufruft, stehen die europäischen Staats- und Regierungschefs vor einer klaren Entscheidung: Werden sie weiterhin zulassen, dass die europäischen Werte mit Füßen getreten werden, oder werden sie endlich die Vorgabe der Menschenrechte, des Völkerrechts und der regelbasierten internationalen Ordnung beherzigen?
Alles, wofür die EU und ihre Mitgliedstaaten zu stehen behaupten – sei es wirtschaftlicher Wohlstand, gemeinsame Sicherheitspolitik oder die Achtung der Menschenrechte - erfordert in Zeiten wie diesen eine klare und mutige Haltung. Im turbulenten Geschehen der Weltbühne eröffnet sich für die EU-Länder die Möglichkeit, eine führende Rolle zu übernehmen – durch die Neuerfindung der multilateralen Kooperation auf der Grundlage von Werten, die dem globalen Gemeinwohl dienen. Diese Chance sollte auf allen Ebenen ergriffen werden.
Die Lage im besetzten palästinensischen Gebiet und in Israel ist eines der wichtigen Themen, bei denen die EU etwas bewirken könnte. Die Welt hat miterlebt, wie Israel vor dem Hintergrund einer jahrzehntelangen illegalen Besatzung und Apartheidspolitik einen Genozid an den Palästinenser*innen im Gazastreifen begangen hat und weiterhin begeht. Diese schweren Menschenrechtsverletzungen wurden von Amnesty International und vielen anderen ausführlich dokumentiert.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat Israel vor über einem Jahr wegen der Gefahr eines Genozids im Gazastreifen aufgefordert, vorläufige Maßnahmen zu ergreifen. Diese Anordnung wurde eklatant ignoriert. Der Internationale Strafgerichtshof erließ unter anderem Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Netanjahu wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Im Anschluss an ein Gutachten des IGH, in dem festgestellt wurde, dass die Anwesenheit Israels in den besetzten Gebieten unrechtmäßig ist, forderte die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit überwältigender Mehrheit ein Ende der illegalen Besatzung durch Israel. Die Situation ist unmissverständlich klar und der derzeitige, vorläufige und zerbrechliche Waffenstillstand hat sie nicht grundlegend verändert.
Angesichts der schockierenden Vorschläge zur Zwangsdeportation von Palästinenser*innen aus dem Gazastreifen und der anhaltenden Straflosigkeit für die begangenen Verbrechen muss die EU endlich aktiv werden. Sie muss tun, was nötig ist, um den Genozid in Gaza und Israels Apartheidsystem zu beenden.
Hebel für Kurswechsel sind vorhanden
Die EU-Mitgliedsstaaten müssen unverzüglich ihre Waffenlieferungen an Israel stoppen, den Handel mit illegalen israelischen Siedlungen verbieten und Gerechtigkeit sowie die Rechenschaftspflicht für Genozid und andere Verbrechen nach internationalem Recht sicherstellen.
Der bevorstehende EU-Israel Assoziationsrat ist eine Gelegenheit, endlich diesen Kurswechsel vorzunehmen. Die EU-Minister*innen werden mit der Regierung eines Landes zusammentreffen, das Genozid begeht, ständig gegen das Völkerrecht verstößt und die Palästinenser*innen der Apartheid unterwirft. Das Assoziierungsabkommen ist ein guter Hebel, um Druck auszuüben, Israel zur Rechenschaft zu ziehen und einen Wandel zu erzwingen. Das Abkommen selbst legt in seinem zweiten Artikel fest, dass die Zusammenarbeit auf der Achtung der Menschenrechte beruhen muss. Die EU muss von Israel wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Menschenrechtslage verlangen. Das bedeutet, den Waffenstillstand in Gaza zu respektieren, die Blockade zu beenden, die Besatzung der palästinensischen Gebiete zu beenden und das System der Unterdrückung der Palästinenser*innen abzubauen.
Dies ist die Botschaft, die die Staats- und Regierungschefs der EU auf dem EU-Israel-Gipfel vorbringen sollten. Damit würden sie die Führungsstärke zeigen, die die Menschen in Europa fordern.
Kein Handel mehr mit und keine Investitionen in illegale israelische Siedlungen. Keine weiteren Waffenlieferungen an Israel. Keine weitere Unterstützung für die Apartheidspolitik. Nicht in unserem Namen.
Dies ist nicht die Zeit für europäisches Zögern oder selbstauferlegte Ohnmacht. Es ist die Zeit, in der die EU ihre verfügbaren Instrumente und Druckmittel entschlossen nutzen muss, um wirkliche Veränderungen zu bewirken.
Das Assoziierungsabkommen mit Israel ist ein solches Instrument, um für die unzähligen Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen im besetzten palästinensischen Gebiet und in Israel etwas zu bewirken. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben die historische, rechtliche und moralische Pflicht, es zu nutzen.
Wies De Graeve – Amnesty International Belgien/Flämisch
Frank Johansson – Amnesty International Finnland
Shoura Hashemi – Amnesty International Österreich
Esteban Beltrán – Amnesty International Spanien
Nataša Posel – Amnesty International Slowenien
Stephen Bowen – Amnesty International Irland
David Pereira – Amnesty International Luxemburg
Ileana Bello – Amnesty International Italien
Vibe Klarup – Amnesty International Dänemark
Rado Sloboda – Amnesty International Slowakei
Claudia Pedra – Amnesty International Portugal
Dagmar Oudshoorn – Amnesty International Niederlande
Julia Duchrow – Amnesty International Deutschland
Carine Thibaut – Amnesty International Belgien/Französisch
Anna Johansson – Amnesty International Schweden
Sylvie Brigot - Amnesty International Frankreich
Anna Błaszczak-Banasiak - Amnesty International Polen