Stellungnahme zur Veröffentlichung über die Kampftaktik der ukrainischen Streitkräfte
8. August 2022Update 17. Mai 2023:
Im August 2022 löste die Pressemitteilung von Amnesty International zum Vorgehen des ukrainischen Militärs international wie in Österreich Kritik aus. Amnesty International hat diese Kritik sehr ernst genommen und sich intensiv mit ihr auseinandergesetzt. Hierzu wurde u.a. auf internationaler Ebene durch Amnesty International ein unabhängiger Review-Prozess angestoßen, der aus einer völkerrechtlichen Analyse, aus der Auswertung interner Abläufe sowie der Ableitung von Empfehlungen besteht.
Die Ergebnisse des Reviews liegen nun vor. Im nächsten Schritt wird die globale Bewegung von Amnesty International die Ergebnisse intern miteinander kritisch diskutieren und dort, wo nötig, Empfehlungen für die zukünftige Arbeit von Amnesty ableiten und umsetzen.
Amnesty International verurteilt den völkerrechtswidrigen Krieg und das Verbrechen der Aggression Russlands gegen die Ukraine. Wir bringen unsere Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zum Ausdruck. Wir arbeiten weiter an der Dokumentation von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen und unterstützen die Bemühungen, die Verantwortlichen von Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.
Aktualisiert am 17. August 2022
Amnesty International bedauert zutiefst die Verärgerung und die Betroffenheit, die unsere Pressemitteilung über die Kampftaktiken des ukrainischen Militärs ausgelöst hat. Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 hat Amnesty International Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße in der Ukraine genauestens dokumentiert und darüber berichtet und mit Hunderten von Opfern und Überlebenden gesprochen, deren Geschichten die brutale Realität des russischen Angriffskrieges beleuchten. Wir haben die Welt aufgefordert, ihre Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung durch konkrete Maßnahmen zu zeigen, und wir werden dies auch weiterhin tun.
Die Priorität von Amnesty International in diesem und in jedem anderen Konflikt besteht darin, den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten; dies war in der Tat unser einziges Ziel, als wir diese jüngste Studie veröffentlicht haben. Wir stehen nach wie vor zu unseren Erkenntnissen, bedauern jedoch den dadurch verursachten Ärger und die emotionale Betroffenheit und möchten einige wichtige Punkte klarstellen.
In unserer Pressemitteilung haben wir dokumentiert, dass in allen 19 von uns besuchten Städten und Dörfern ukrainische Streitkräfte in unmittelbarer Nähe der Zivilbevölkerung stationiert waren und diese damit potenziell durch russischen Beschuss gefährdet haben. Wir haben diese Einschätzung auf der Grundlage der Regeln des humanitären Völkerrechts vorgenommen, wonach alle Konfliktparteien so weit wie möglich vermeiden müssen, militärische Ziele in oder in der Nähe von dicht besiedelten Gebieten zu platzieren. Das Kriegsrecht dient unter anderem dem Schutz der Zivilbevölkerung, und aus diesem Grund fordert Amnesty International die Regierungen dringend auf, es einzuhalten.
Dies bedeutet weder, dass Amnesty International die ukrainischen Streitkräfte für die von den russischen Streitkräften begangenen Verletzungen verantwortlich macht, noch, dass das ukrainische Militär anderswo im Land keine angemessenen Vorsichtsmaßnahmen trifft.
Wir müssen ganz klar sagen: Nichts, was wir zum Verhalten der ukrainischen Streitkräfte dokumentiert haben, rechtfertigt in irgendeiner Weise russische Übergriffe. Russland allein ist für die Taten verantwortlich, die es an der ukrainischen Zivilbevölkerung begangen hat. Die Arbeit von Amnesty in den vergangenen sechs Monaten und unsere zahlreichen Stellungnahmen und Berichte über Russlands Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und Kriegsverbrechen spiegeln deren Ausmaß und die Schwere ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung wider.
Amnesty International hat die ukrainische Regierung am 29. Juli schriftlich über unsere Erkenntnisse informiert. In unserem Schreiben haben wir GPS-Koordinaten und andere sensible Informationen über die Orte, einschließlich Schulen und Krankenhäuser, angegeben, an denen sich ukrainische Streitkräfte nachweislich in unmittelbarer Nähe von Angehörigen der Zivilbevölkerung stationiert hatten. Wir haben diese Informationen in unserer Pressemitteilung nicht veröffentlicht, da sie ein Sicherheitsrisiko sowohl für die ukrainischen Streitkräfte als auch für die von uns befragten Zivilpersonen darstellen würden.
Amnesty International versucht nicht, den ukrainischen Streitkräften detaillierte Anweisungen zu geben, wie sie vorgehen sollen – aber wir fordern die zuständigen Behörden auf, ihren internationalen humanitären Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen.
Die Priorität von Amnesty International wird immer sein, sicherzustellen, dass das Leben von Zivilpersonen und die Menschenrechte während eines Konflikts geschützt werden.
Wie bereits oben erwähnt, stehen wir zu den Erkenntnissen unserer Recherche. Gleichzeitig nehmen wir die geäußerte Kritik sehr ernst. Auf internationaler Ebene wird eine interne Prüfung zur Kommunikation unserer Recherche eingeleitet. In dieser Prüfung wird der Prozess, der zur Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 4. August über die Verletzung des humanitären Völkerrechts durch die ukrainischen Streitkräfte geführt hat, eingehend und umfassend untersucht werden. Es ist uns wichtig, Lehren daraus zu ziehen und unsere Menschenrechtsarbeit zu verbessern.