Russland: Irina Danilovich entführt
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Frauen und LGBTQIA+ Aktivist*innen in Thailand sind im Internet einem Ansturm beleidigender Äußerungen und digitaler Überwachung ausgesetzt. Die Angriffe umfassen frauenfeindliche, homo- und transfeindliche Sprache, sexualisierte Inhalte und andere Formen technologiegestützter geschlechtsspezifischer Gewalt (TfGBV). Das zeigt Amnesty International mit einer heute veröffentlichten Recherche auf.
Der Bericht „Being Ourselves is Too Dangerous“ („Wir selbst zu sein ist zu gefährlich“) dokumentiert, wie Frauen und LGBTQIA+ Aktivist*innen von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren unrechtmäßig mit digitaler Überwachung, einschließlich Pegasus-Spähsoftware und Online-Belästigung, ins Visier genommen werden, um sie zum Schweigen zu bringen.
„Thailand stellt sich seit langem als Verfechter der Geschlechtergleichstellung dar und ist auf internationaler Ebene verschiedene Verpflichtungen zum Schutz der Rechte von Frauen und LGBTQIA+ Personen eingegangen. Die Realität sieht jedoch so aus, dass Frauen und LGBTQIA+ Aktivist*innen in Thailand nach wie vor mit schwerer geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind, die durch die digitale Technologie ermöglicht wird“, sagt Chanatip Tatiyakaroonwong, Regonialexperte für Thailand bei Amnesty International.
Nach dem Militärputsch 2014 haben Aktivist*innen an der Spitze der friedlichen Proteste in Thailand digitale Technologien genutzt, um angesichts des schrumpfenden Handlungsspielraums der Zivilgesellschaft für die Stärkung der Menschenrechte einzutreten.
Der Bericht von Amnesty International zeigt jedoch, wie digitale Technologien nun genutzt werden, um Aktivist*innen zu belästigen und geschlechtsspezifische Desinformation sowie Hassreden und sexualisierte Inhalte zu verbreiten, die Frauen und LGBTQIA+ Personen erniedrigen.
Der Bericht basiert in erster Linie auf ausführlichen Interviews mit 40 Frauen und LGBTQIA+ Aktivist*innen, darunter viele junge Aktivist*innen und solche, die in den südlichen Grenzprovinzen des Landes leben, in denen malaiische Muslim*innen die Bevölkerungsmehrheit stellen.
Amnesty International hat im Rahmen ihrer Recherchen neun der 15 Aktivist*innen befragt, die nachweislich in den Jahren 2020 und 2021 von Pegasus, der von der israelischen Cybertechnologiefirma NSO Group entwickelten hochinvasiven Spionagesoftware, ins Visier genommen wurden. Der Bericht zeigt, dass diese gezielte digitale Überwachung unverhältnismäßig viele Frauen und LGBTQIA+ Aktivist*innen trifft, und eine geschlechtsspezifische Furcht schafft, dass der rechtswidrige Zugang zu ihren privaten Daten zu weiteren Erpressungen, Belästigungen und Diskriminierungen führen könnte.
Als Frau ist es beängstigend, dass jemand in meine Privatsphäre eindringt. Wenn ich private Fotos auf meinem Handy habe, könnte sie jemand veröffentlichen, um meinen Ruf zu schädigen und mich so zu schikanieren, dass ich meinen Aktivismus einstellen muss.
Niraphorn Onnkhaow, Aktivistin in Thailand
Das Mobiltelefon von Niraphorn Onnkhaow, einer 22-jährigen studentischen Aktivistin, wurde 14-mal mit Pegasus-Spyware infiziert – der bisherige Rekord bei der Überwachung von Personen in Thailand. Sie glaubt, dass dies mit ihrer Beteiligung an der von Jugendlichen angeführten Demokratiebewegung zusammenhängt, die 2020 begann.
Einige Aktivist*innen sahen sich Gewalt in Form von „Doxing“ ausgesetzt – das bezeichnet die Veröffentlichung von persönlichen oder identifizierenden Dokumenten oder Details über eine Person im Internet ohne deren Zustimmung.
Da die NSO Group ihre Produkte ausschließlich an Regierungen verkauft, und technisches Beweismaterial vorliegt, kann daraus geschlossen werden, dass ein oder mehrere staatliche Akteur*innen Thailands in die Fälle verwickelt sind, in denen Pegasus eingesetzt wurde. Die thailändische Nationale Menschenrechtskommission teilt die Einschätzung, dass eine thailändische Regierungsstelle an der Verwendung der Spionagesoftware beteiligt war.
Patcharadanai Rawangsub, der sich als schwuler Mann identifiziert, war Mitglied von Talu Fah, einer pro-demokratischen Gruppe. Nachdem er erfahren hatte, dass seine Online-Aktivitäten überwacht wurden, befürchtete er, dass seine privaten Daten zu seiner Strafverfolgung verwendet werden könnten.
„Ins Gefängnis zu gehen, ist mein schlimmster Albtraum. Für schwule Männer und trans Frauen können thailändische Gefängnisse brutal sein, da sie mit großer Wahrscheinlichkeit sexuell belästigt und angegriffen werden und Diskriminierungen ausgesetzt sind“, sagt er.
Die thailändische Regierung leugnete jegliche Beteiligung an der gezielten digitalen Überwachung und Online-Belästigung von Frauen und LGBTQIA+ Aktivist*innen, zeigte sich aber nicht bereit, die in der Amnesty-Recherche aufgezeigten Fälle zu untersuchen.
Die NSO Group kommt ihrer menschenrechtlichen Verantwortung nach internationalen Rechtsnormen ebenfalls nicht nach.
Amnesty Internationals Schreiben an die NSO Group und ihr nahestehende Unternehmen mit Fragen nach dem Verkauf der Pegasus-Software, die bei neun der 40 befragten Personen zum Einsatz kam, blieben unbeantwortet.
Sie sagten, ich solle sterben, wenn ich nicht aufhören könne, trans zu sein.
Manun Wongmasoh, Aktivstin in Thailand
Amnesty International stellte fest, dass die digitale Gewalt eine abschreckende Wirkung auf viele Frauen und LGBTQIA+ Aktivist*innen hat. Sie begannen, sich selbst zu zensieren und sich in einigen Fällen ganz aus der Menschenrechtsarbeit zurückzuziehen. Einige Aktivist*innen litten als Konsequenz unter schwerwiegenden psychischen Folgen, darunter Paranoia, Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen.
Indem die thailändische Regierung keine sinnvollen Schritte zum Schutz von Aktivist*innen unternimmt, kommt sie ihrer Verantwortung aus den internationalen Menschenrechtsverträgen, denen Thailand beigetreten ist, nicht nach. Dazu gehört auch die Gewährleistung des Rechts auf Freiheit von geschlechtsspezifischer Gewalt, auf freie Meinungsäußerung, auf friedliche Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, auf Privatsphäre und auf einen wirksamen Rechtsbehelf.
Amnesty International fordert Thailand außerdem auf, hochinvasive Spähsoftware zu verbieten und eine menschenrechtskonforme Regulierung für andere Arten von Spähsoftware einzuführen. Bis dahin sollte die thailändische Regierung Initiativen für ein weltweites Moratorium für den Verkauf, den Einsatz, den Export, die Weitergabe und die Unterstützung anderer Formen von Spähsoftware unterstützen.
Die NSO Group muss die Herstellung, den Verkauf, die Weitergabe, den Einsatz und die Unterstützung von Pegasus oder anderer ähnlicher hochgradig invasiver Spyware einstellen. Außerdem muss das Unternehmen den Betroffenen rechtswidriger gezielter Überwachung durch Pegasus in Thailand angemessene Wiedergutmachung leisten.