Türkei: Absurde Vorwürfe gegen Amnesty-Direktorin
18. Juli 2017Gegen Idil Eser und neun weitere wird wegen „Mitgliedschaft einer terroristischen Organisation“ ermittelt
Gegen Idil Eser, Direktorin von Amnesty-Türkei, sowie sieben weitere Verteidiger*innen der Menschenrechte und zwei IT-Trainer wird wegen „Mitgliedschaft bei einer bewaffneten terroristischen Organisation“ ermittelt. Sie wurden am Mittwoch, 5. Juli, festgenommen und sind seitdem im Gefängnis. Ihre Untersuchungshaft wurde am 11. Juli um weitere sieben Tage verlängert.
Die Vorwürfe gegen Idil Eser und die anderen neun sind absurd. Das Vorgehen der Behörden ist ein grober Angriff gegen eine der renommiertesten NGOs in der Türkei.
Salil Shetty, Generalsekretär von Amnesty International
„Die Verhaftung während eines Routine-Workshops war bereits fadenscheinig genug. Der Vorwurf, sie seien Mitglieder einer bewaffneten Terrororganisation, entbehrt jeder Grundlage."
Letzte Chance der G20
„Wenn jemand noch Zweifel über das Ausmaß der Repression nach dem gescheiterten Putschversuch hatte, dann dürften sie jetzt verflogen sein: In Erdoğans Türkei soll es keine Zivilgesellschaft, keine Kritik und keine unabhängige Justiz mehr geben.“
„Die Staats- und Regierungschefs der G20 müssen jetzt entschieden handeln. Sonst wird am nächsten Gipfeltreffen nichts mehr von der Zivilgesellschaft in der Türkei übrig sein.“
„Idils Verhaftung geschah weniger als einen Monat nach der Festnahme von Taner Kiliç, dem Vorsitzenden der türkischen Sektion von Amnesty. Auch er befindet sich aufgrund komplett haltloser Vorwürfe in Untersuchungshaft. Das ist das erste Mal in der Geschichte, dass ein Vorsitzender und eine Direktorin einer Ländersektion von Amnesty International hinter Gittern sind.“
„Sie müssen – zusammen mit allen anderen verhafteten Menschenrechtsverteidiger*innen sofort und bedingungslos freigelassen werden.“
Hintergrund
Am 5. Juli um 10 Uhr morgens wurden acht Menschenrechtsverteidiger*innen, darunter Idil Eser, sowie zwei internationale Trainer von der Polizei während eines Workshops über digitale Sicherheit in einem Hotel in Büyükada bei Istanbul verhaftet.
Ihnen wurde 28 Stunden lang der Zugang zu Anwält*innen verwehrt. Das verstößt gegen türkisches Recht, der Kontakt zu Anwält*innen muss innerhalb 24 Stunden hergestellt werden können. Der Gruppe wurde außerdem das Recht verwehrt, ihre Familien zu kontaktieren, auch dies steht im Widerspruch zum türkischen Recht.
Die Behörden hielten den Aufenthaltsort der Verhafteten bis am 6. Juli um ca. 15.00 Uhr geheim. Idil Eser wird auf der Polizeistation in Maltepe außerhalb von Istanbul festgehalten, zusammen mit İlknur Üstün von der Women’s Coalition. Die anderen Menschenrechtsverteidiger*innen befinden sich in drei verschiedenen Haftzentren in den Vororten von Istanbul. Den Anwält*innen wurde am Donnerstagnachmittag erstmals Zugang zu sieben der Verhafteten gewährt.
Der Ausnahmezustand, der letztes Jahr nach dem gescheiterten Putsch in Kraft gesetzt wurde, erlaubt es den Behörden, Verdächtige sieben Tage ohne Anklage in Gewahrsam zu nehmen. Diese Frist kann auf Antrag des Staatsanwalts um weitere sieben Tage verlängert werden.
Neben Idil Eser und İlknur Üstün sind die sechs weiteren Menschenrechtsverteidiger*innen: Günal Kurşun (Anwalt, Human Rights Agenda Association), Nalan Erkem (Anwalt, Citizens’ Assembly), Nejat Taştan (Equal Rights Watch Association), Özlem Dalkıran, (Citizens’ Assembly), Şeyhmuz Özbekli (Anwalt) und Veli Acu (Human Rights Agenda Association).
Die beiden ausländischen Trainer – ein deutscher und ein schwedischer Staatsbürger – werden weiterhin auf der Insel Büyükada festgehalten. Ihnen wurde das Recht auf einen Anwalt gewährt.