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In der TV-Konfrontation am 10. September zwischen Beate Meinl-Reisinger (NEOS) und Karl Nehammer (ÖVP) reagierte Bundeskanzler Karl Nehammer auf viele kritischen Fragen und Aussagen mit einem "Faktencheck” und verwies darauf, dass „die Sozialhilfe in Niederösterreich und Oberösterreich deutlich realitätsnaher gestaltet“ worden sei. Amnesty International erinnert daher aus aktuellem Anlass an die folgenden fünf Fakten zum Thema Armut und fordert alle Parteien dazu auf, Armut zu bekämpfen und soziale Sicherheit in Österreich zu schützen.
“Realitätsnah” bedeutet in dem Fall, dass die Sozialhilfe, wie sie vor allem in den genannten Bundesländern ausgestaltet ist, den Menschen kein Leben in Würde ermöglicht.
Das Menschenrecht auf soziale Sicherheit ist eine Grundvoraussetzung für ein Leben in Würde. Es verpflichtet Staaten, jenen Menschen, die sich in einer Notlage befinden, zumindest ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen.
„Der Grund dafür, dass es diesen Fleckerlteppich (Anm: bei der Sozialhilfe) gibt, liegt in den Reformen, die Schwarz-Blau gemacht hat,“ sagte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger in der TV-Konfrontation. Fakt ist: Die damalige türkis-blaue Bundesregierung hat im Jahr 2019 das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz beschlossen, das zu einer Vereinheitlichung in ganz Österreich führen sollte. Sozialhilfe ist in Österreich Sache der Bundesländer. Mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz sollte ein verbindlicher Rahmen geschaffen werden, den die Bundesländer bei der Ausgestaltung der Sozialhilfe einhalten müssen. Dieser grundsätzlich gute Ansatz, der das föderal zersplitterte Sozialsystem österreichweit harmonisieren sollte, verfehlte in der Praxis sein Ziel: Als Grundgesetz enthält es eine Vielzahl an so genannten „Kann“-Bestimmungen, die den Bundesländern Spielräume bei der Gestaltung ihrer Gesetze eröffnen sollten, die aber von den Ländern unterschiedlich ausgeübt werden. Dadurch ist die österreichische Sozialhilfe ein Stückwerk und uneinheitlich. Teile des neuen Gesetzes wurden vom Verfassungsgerichtshof wieder aufgehoben. Aus vielerlei Gründen, unter anderem wegen der zahlreichen “Kann-Bestimmungen”, ist die Sozialhilfe aktuell zerstückelter denn je und die Menschen erhalten nicht überall gleich viel.
„Es gibt eine Überforderung in Wien, weil die Sozialhilfe so hoch ist,“ sagte Karl Nehammer im TV-Duell. Realität ist: Wien hat das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz nur in Teilen umgesetzt und hat unter anderem andere Kinderrichtsätze als die übrigen Bundesländer. Sprich: Jedes Kind in Wien erhält gleich viel an Sozialhilfe – das ist in anderen Bundesländern nicht so. Mit anderen Worten: Nicht überall in Österreich sind Kinder de facto gleich viel wert.
Realität ist auch, dass im vergangenen Jahr 1,3 Millionen Menschen in Österreich armutsgefährdet waren. 3,7% der Menschen in Österreich konnte sich ihre Grundbedürfnisse nicht leisten. Karl Nehammer sagte im TV-Duell über das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz: „Wir haben Möglichkeiten geschaffen.“ Realität ist: Die sogenannten Möglichkeiten, von denen der Bundeskanzler spricht, sind menschenrechtswidrige Höchstsätze bei der Sozialhilfe, sprich Maximalbeträge, die die Bundesländer auszahlen dürfen. Damit ist es nicht mehr möglich, bedarfsorientiert auf die individuellen Lebensumstände von Armutsbetroffenen einzugehen.
Die Sozialhilfe in Österreich ist mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz von bewusst gesetzten Ausschlusskriterien geprägt. Der Kreis derjenigen, die Anspruch auf Sozialhilfe haben, ist deutlich kleiner geworden. Bestimmte schutzbedürftige Gruppen, etwa Menschen mit Behinderungen, Frauen, die geschlechtsspezifische Gewalt erlebt haben oder Frauen mit Kinderbetreuungspflichten, erleben weitere Hürden im Zugang zur Sozialhilfe.
Die im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz vorgesehen Regelungen stellen einen Rückschritt zu den davor geltenden Mindestsicherungs-Bestimmungen dar und sind damit menschenrechtswidrig. Außerdem enthält das österreichische Sozialhilfesystem einige Hürden, die Menschen daran hindern, ihr Recht auf soziale Sicherheit auszuüben und Sozialhilfe zu erhalten. Auch das ist menschenrechtswidrig.