Amnesty fordert klare Kriterien und Einzelfallentscheidung bei Demo-Verboten
1. Februar 2021Zusammenfassung
- Eingriffe in die Versammlungsfreiheit brauchen differenzierte und transparente Begründung im Einzelfall, die im Vorhinein klar kommuniziert werden muss
- Untersagung von Demos darf nur allerletztes Mittel sein
- Amnesty fordert außerdem effektiven Rechtsschutz bei kurzfristiger Untersagung von Demonstrationen
Anlässlich der Untersagung zahlreicher Demonstrationen am Wochenende in Wien sagte Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich:
"Das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind wichtige und hart erkämpfte Menschenrechte. Die Polizei spielt dabei eine wichtige Rolle und hat die Aufgabe, unsere Rechte zu schützen und friedliche Proteste zu ermöglichen. Besonders in Krisenzeiten ist es wichtig, dass Menschen ihre Meinung öffentlich kundtun können. Gleichzeitig muss in Zeiten einer Pandemie besonders auf die Gesundheit aller geachtet werden. Diese Abwägung muss stets mit Augenmaß geschehen. Wir verstehen, dass dies für die Polizei und für die Veranstalter*innen eine besondere Herausforderung ist.”
"In den letzten Monaten war nicht immer nachvollziehbar, warum einige Demos untersagt oder eingeschränkt wurden und andere nicht. Versammlungen dürfen nicht pauschal über einen Kamm geschoren werden. Jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit braucht eine differenzierte und transparente Begründung im Einzelfall. Diese muss im Vorhinein klar kommuniziert werden. Die Untersagung einer Versammlung muss immer das letzte Mittel sein”, fordert Annemarie Schlack.
In den letzten Monaten war nicht immer nachvollziehbar, warum einige Demos untersagt oder eingeschränkt wurden und andere nicht. Versammlungen dürfen nicht pauschal über einen Kamm geschoren werden. Jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit braucht eine differenzierte und transparente Begründung im Einzelfall.
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
“Statt Totalverbote braucht es klare, verhältnismäßige Kriterien, die die öffentliche Gesundheit schützen – und die für alle Demos gleichermaßen gelten. Darunter fallen etwa Abstandhalten oder das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Das Recht auf Versammlungsfreiheit muss zugänglich bleiben, auch in Zeiten der Pandemie. Gleichzeitig ist auch klar, sobald Veranstalter*innen oder Teilnehmer*innen sich nicht an die Spielregeln halten, dass Versammlungen eingeschränkt werden können."
Die Abwägung, ob eine Versammlung untersagt wird, muss auf Grundlage von Gesetzen passieren. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit müssen stets verhältnismäßig sein. Amnesty International fordert einen effektiven Rechtsschutz, wenn Demonstrationen untersagt werden. Das würde bedeuten, dass in einem Eilverfahren gerichtlich geprüft wird, ob die Untersagung rechtmäßig ist. Dies ist aktuell in Österreich nicht möglich.
Versammlungsfreiheit & COVID-19
Das Recht auf Versammlungsfreiheit darf nur so weit eingeschränkt werden, wie dies zum Schutz der Gesundheit auch notwendig ist. Auch spontane – nicht-angemeldete – Demonstrationen sind vom Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit geschützt.
Amnesty International analysiert laufend Gesetze und Verordnungen, Berichte aus Medien und von Menschenrechtsorganisationen sowie individuelle Beschwerden in Bezug auf die Coronavirus-Pandemie in Österreich. Auf Basis aktueller Recherchen und Beobachtungen wurde eine erste nicht abschließende Analyse, der bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie in Österreich erstellt und 9 Forderungen formuliert, wie wir gestärkt durch die Krise kommen.