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Ein Bericht von Amnesty International dokumentiert Fälle von rassistischem Verhalten und Misshandlungen durch die österreichische Polizei ebenso wie das Versagen des Justizapparats, MigrantInnen und Angehörige ethnischer Minderheiten auf dieselbe Weise zu behandeln wie Angehörige der Bevölkerungsmehrheit – sei es als Opfer, Verdächtige oder Täter*innen.
Der Bericht dokumentiert Fälle von rassistischem Verhalten und Misshandlungen durch die österreichische Polizei ebenso wie das Versagen des Justizapparats, Migrant*innen und Angehörige ethnischer Minderheiten auf dieselbe Weise zu behandeln wie Angehörige der Bevölkerungsmehrheit – sei es als Opfer, Verdächtige oder Täter*innen.
Das heißt nicht, dass die Gesamtheit oder auch nur eine Mehrheit der österreichischen Polizeibeamt*innen beziehungsweise der Angehörigen österreichischer Justizorgane rassistisch eingestellt ist. Umgekehrt sind diese Fälle aber weder Einzelfälle noch das Resultat eines Fehlverhaltens einiger weniger Beamt*innen. Die Häufigkeit deutet viel mehr auf ein strukturelles Versagen in Teilen der österreichischen Strafverfolgungsbehörde hin, ihre Tätigkeit ohne Diskriminierung auszuüben. Amnesty International ist der Meinung, dass dieses Versagen die Folge von institutionellem Rassismus bei der österreichischen Polizei und anderen Behörden des Justizapparats ist.
Fall 12 aus dem aktuellen Bericht „Österreich: Opfer oder Verdächtige - Eine Frage der Hautfarbe. Rassistische Diskriminierung im österreichischen Polizei- und Justizsystem“, Seite 65
Anselm Uche Njoua wurde in Westafrika geboren und lebt seit über elf Jahren in Österreich. Er ist österreichischer Staatsbürger und arbeitet zurzeit in Linz. Am 2. Dezember 2007 ist er in einen Vorfall vor einem Nachtclub beim Einkaufszentrum Infracenter verwickelt: Anselm Njoua fährt zum Shoppingcenter, um einen Freund abzuholen, den er im Nachtclub vermutet. Als er seinen Freund telefonisch nicht erreichen kann, parkt er in zweiter Spur und bittet den Türsteher, ihn kurz in den Club hineinzulassen, um seinen Freund zu suchen.
Mit Einverständnis des Türstehers betritt Anselm Njoua den Club und verlässt diesen ungefähr fünf Minuten später, nachdem er seinen Freund dort nicht antreffen hat können. Vor dem Club stößt er auf ein Pärchen, das bereits auf ihn wartet, da er mit seinem Wagen ihr Auto zugeparkt hat. Anselm Njoua entschuldigt sich bei der Frau, die ihn höflich gebeten hatte, seinen Wagen wegzufahren, und geht in Richtung Auto, um wegzufahren. Im selben Augenblick nähert sich ihm der Begleiter der Frau und fragt ihn: „Ist das dein Auto, Neger?“ Anselm Njoua fragt den Mann darauf, ob er betrunken sei, woraufhin der Mann Njoua am Kragen packt. Auf Njouas Bitte, ihn loszulassen, verkündet der Mann, dass er einem Sklaven nicht gehorche. Anselm Njoua berichtet, dass er den Mann ein zweites Mal bittet, ihn loszulassen, und ihm dann mit Vergeltung droht, sollte er ihn nicht endlich freilassen. Daraufhin greift der Mann nach Njouas Hand und knickt ihm einen Finger um.
Nachdem Anselm Njoua sich endlich aus der Umklammerung befreien kann, ruft er die Polizei. Seinen Wagen parkt er weiterhin so, dass sein Angreifer nicht davonfahren kann. Nach Eintreffen zweier Polizeibeamter werden Njoua und der andere Mann von den beiden kurz zu dem Vorfall befragt und aufgefordert, am nächsten Tag auf der Polizeistation ihre Aussagen zu Protokoll zu geben. Der Türsteher bietet an, zugunsten von Anselm Njoua auszusagen, gesteht jedoch ein, den Vorfall nur am Rande mitbekommen zu haben. Weitere Zeugen des Vorfalles gibt es nicht. Später am selben Abend begibt sich Anselm Njoua ins Krankenhaus, wo ein Arzt ihm eine Bestätigung ausstellt, dass sein Finger schwer verstaucht ist.
Am nächsten Tag geht Anselm Njoua zur Polizeistation, wo er erneut seine Sichtweise der Geschehnisse schildert und der Polizei mitteilt, dass er Anzeige erstatten möchte. In der ersten Märzwoche 2008 wird Anselm Njoua dann jedoch informiert, dass er bei der Polizeistation zu erscheinen habe. Dort erfährt er, dass gegen ihn eine Anzeige wegen gefährlicher Drohung gemäß § 107 StGB erstattet wurde, während gegen seinen Angreifer keinerlei Verfahrensschritte eingeleitet wurden.
Anselm Njoua macht die Polizisten darauf aufmerksam, dass er es gewesen war, der die Polizei gerufen und Verletzungen davongetragen hatte. Das nützt nichts. In der ersten Aprilwoche erhält Anselm Njoua jedoch ein Schreiben vom Landesgericht, in dem ihm mitgeteilt wird, dass die Anklage gegen ihn fallen gelassen wurde. Anselm Njoua wurde bis dahin zu keinem Zeitpunkt von einem Richter oder einem Staatsanwalt einvernommen.
Fall 13 aus dem aktuellen Bericht „Österreich: Opfer oder Verdächtige - Eine Frage der Hautfarbe. Rassistische Diskriminierung im österreichischen Polizei- und Justizsystem“, Seite 65
A., gebürtiger Ghanaer, lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Wien. An einem Oktobernachmittag im Jahr 2006 geht er auf dem Nachhauseweg von seiner Arbeit durch den 16. Wiener Gemeindebezirk, als aus einem nahe gelegenen Wohnhaus ein Mann kommt und A. mehrmals fotografiert.
Auf die Bitte von A., das Fotografieren zu unterlassen, reagiert der Mann ablehnend und meint: „Ihr seids alle Drogendealer, ich krieg euch noch!“ A. versucht daraufhin, dem Mann die Kamera zu entreißen. In diesem Moment stürzt A. zufolge die Frau des Mannes aus dem Wohnhaus heraus und besprüht A. mit Pfefferspray. Während A. vor Schmerz zusammenbricht, läuft der Mann mit der Kamera in das Wohnhaus und kommt wenig später, mit einem Baseballschläger bewaffnet, wieder zurück. Da greifen zwei Passanten ein, halten den Mann fest und rufen die Polizei.
Als die Polizeibeamten eintreffen, schenken sie weder dem aggressiven Ehepaar noch den beiden Zeugen große Beachtung. Letztere werden von den Beamten ohne vorherige Aufnahme ihrer Personalien aufgefordert, den Ort des Geschehens zu verlassen. A. jedoch muss seine Papiere vorzeigen und wird dann von der Polizei in ein Krankenhaus gebracht. Da aufgrund des ausschließlich auf A. konzentrierten Verhaltens der Polizeibeamten keinerlei Zeugenaussagen vorliegen, wird die Anklage gegen das mutmaßliche Angreiferpärchen bald fallen gelassen.
A. wird darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihm, gesetzt den Fall, die Anklage aufrechterhalten zu wollen, die Möglichkeit einer Subsidiarklage gemäß § 72 StPO offen stehe. Aus finanziellen Gründen sowie aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten beschließt A. jedoch, die Verfolgung nicht aufrechtzuerhalten.