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Heute, Montag, 24. April, endet die Begutachtungsfrist für den Gesetzesentwurf zur Errichtung einer Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Untersuchung von Polizeigewalt. In ihrer Stellungnahme hält Amnesty International an der bereits geäußerten Kritik der fehlenden Unabhängigkeit fest. Gleichzeitig präsentiert die Organisation Vorschläge für eine notwendige Reform bei den Staatsanwaltschaften in den Ermittlungsprozessen; außerdem fordert sie die Einbeziehung aller Polizei- und Justizwachebeamt*innen, unter anderem auch jener, die in Justizanstalten ihren Dienst versehen. Wesentlich ist auch die Sicherstellung einer entsprechenden Ausbildung – sowohl von den Staatsanwält*innen als auch der Ermittler*innen. Um wirksame Untersuchungen zu gewährleisten braucht es zudem eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamt*innen.
Der Forderung nach Errichtung einer unabhängigen Ermittlungsstelle haben sich auch rund 10.000 Personen angeschlossen: Zeitnah zur Einbringung der Stellungnahme übergibt Amnesty International eine entsprechende Petition an Bundeskanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler. Mit einer Aktion rund um das Bundeskanzleramt heute um 14.30 Uhr soll noch einmal öffentlich auf die notwendige Unabhängigkeit einer solchen Stelle aufmerksam gemacht werden.
In ihrer Stellungnahme stellt Amnesty International die bereits geäußerte Kritik der fehlenden Unabhängigkeit an den Beginn: „Eine Eingliederung der geplanten Ermittlungsstelle im BAK (Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung) entspricht nicht der völkerrechtlich geforderten Unabhängigkeit“, betont Teresa Exenberger, Juristin bei Amnesty International Österreich. „Auch der Europarat sieht das so und hat bereits vor Jahren bezweifelt, dass die von Ermittler*innen des BAK durchgeführten Untersuchungen gegen andere Polizeibeamt*innen als völlig unabhängig angesehen werden können.“
Am 24. April 2023 haben wir die rund 10.000 Petitionsunterschriften an das Bundeskanzleramt übergeben. Gemeinsam fordern wir eine unabhängige Ermittlungsstelle, die Polizeigewalt wirksam untersucht.
Foto: (c) Amnesty International
Massiv bedenklich ist laut Amnesty auch der vorgesehene Bestellprozess für die Leitung dieser Stelle, die – nach bestimmten Anhörungen – durch den*die Bundesminister*in für Inneres besetzt werden soll.
Es ist essenziell, dass der*die Leiter*in in keinerlei Naheverhältnis zu Politik oder Polizei steht, um Interessenskonflikte möglichst auszuschließen.
Teresa Exenberger, Juristin bei Amnesty International Österreich
Amnesty empfiehlt die Bestellung der Leitung durch ein Gremium außerhalb des Ministeriums. Auch die Auswahl der Mitglieder des vorgesehenen „unabhängigen“ Beirats müsse „tatsächlich“ unabhängig erfolgen – das aktuell zehn der 15 vorgesehenen Beiratsmitglieder durch die Ministerien vorgeschlagen werden sieht Amnesty kritisch.
Betont wird in der Stellungnahme auch die Rolle der Staatsanwaltschaft als Leiterin der strafrechtlichen Ermittlungen, die bisher nicht im Fokus der politischen Verhandlungen war. „Staatswält*innen arbeiten mit Polizist*innen eng zusammen und sind überwiegend von deren Ermittlungsergebnissen abhängig. Es besteht daher die Gefahr des Anscheins von Befangenheit, wenn sie plötzlich gegen diese ermitteln müssen“, erklärt Exenberger das Problem. Daher empfiehlt Amnesty International eine Konzentration der staatsanwaltlichen Zuständigkeiten – damit sei auch eine Spezialisierung der Staatsanwält*innen sowie der Aufbau von spezifischem Know-how besser möglich. Eine Möglichkeit wäre, die entsprechende Zuständigkeit an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu übertragen oder die Konzentration der Zuständigkeit auf vier Standorte, jeweils bei den Staatsanwaltschaften am Sitz der Oberstaatsanwaltschaften.
Essenziell sind in diesem Zusammenhang auch die umfassende Ausbildung und regelmäßigen Schulungen nicht nur für Ermittler*innen, sondern auch für Staatsanwält*innen Dabei verweist Amnesty auf die dringend notwendige Beachtung des so genannten Istanbul Protokolls, wonach Ermittler*innen und Staatsanwält*innen fachlich qualifiziert sein und über regelmäßige Schulungen, angemessene Ressourcen, Unabhängigkeit und Schutz verfügen müssen.
Nur durch eine fundierte Ausbildung zu den Besonderheiten strafrechtlicher Ermittlungen gegen Staatsbedienstete unter umfassender Berücksichtigung medizinischer Untersuchungen können Misshandlungsvorwürfe ausreichend gründlich und rasch durchgeführt werden.
Teresa Exenberger, Juristin bei Amnesty International Österreich
Etwas außerhalb des Fokus der Öffentlichkeit ist bei dem jetzigen Entwurf, dass die vorgesehene Ermittlungsstelle nicht für alle Polizeibeamt*innen tätig werden soll. Derzeit sind etwa die in vielen Gemeinden etablierten Sicherheitswachen bzw. Gemeindewachkörper nicht vom Gesetz umfasst, genauso wie Justizwachebeamt*innen. „Das ist absolut nicht nachvollziehbar. Alle sind staatliche Bedienstete, die völkerrechtlich mitumfasst sein müssen“, so Exenberger.
Abschließend stellt Amnesty in ihrer Stellungnahme klar, dass die Einführung einer Kennzeichnungspflicht der Polizist*innen – etwa durch das Tragen von anonymisierten, aber individualisierbaren Dienstnummern auf der Uniform – eine Grundvoraussetzung für wirksame Ermittlungen darstellt. Ohne eine Kennzeichnungspflicht droht die Effektivität der geplanten Ermittlungsstelle ins Leere zu laufen, da die handelnden Beamt*innen in entscheidenden Situationen nicht identifizierbar sind, aber eine strafrechtliche Verurteilung die Feststellung der individuellen Schuld voraussetzt.