Armut ist keine Schuldfrage: Neue Regierung muss Armut bekämpfen
16. Oktober 2024-
Hürden beim Zugang zur Sozialhilfe abbauen und Stigmatisierung beenden
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Budget kann nicht auf Kosten der Sozialhilfe saniert werden
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„Armut zu beenden macht Österreich sicher nicht arm.“
Rund um den Internationalen Tag zur Bekämpfung von Armut fordert Amnesty International die neu zu bildende Regierung auf, das Thema Armut ganz oben auf die Agenda zu setzen und bereits in den Koalitionsverhandlungen Maßnahmen festzulegen, die Armut in Österreich bekämpfen. „Jeder siebte Mensch in Österreich ist armutsgefährdet“, verweist Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, auf die erschreckend hohen Zahlen. Neben Frauen, insbesondere Alleinerzieher*innen, sind besonders Kinder und Jugendliche, aber auch Menschen mit Behinderung gefährdet.
Armut ist weit mehr als das Fehlen finanzieller Mittel. Armut zeigt sich in Hunger. Armut bedeutet fehlender Zugang zu Bildung. Armut geht mit Diskriminierung und Ausgrenzung einher. Armut bedeutet vor allem weniger Möglichkeiten, ein menschenwürdiges Leben zu führen.
Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
Hashemi mahnt: „Wir müssen aufhören, Armut als individuelle Schuld zu sehen, oder als persönliches Versagen. Denn nur wenn den Verantwortlichen endlich klar wird, dass der Staat, also letztlich sie in ihrer politischen Funktion, in der Verpflichtung sind, Armut zu beenden, werden sinnvolle Maßnahmen beschlossen werden.“
Zugang zu Sozialhilfe teils absichtlich schwierig – Leistungsgedanke führt aber ins Leere
Der klare Auftrag von Amnesty an die künftigen Regierenden: Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gehört geändert und den Lebensrealitäten angepasst. Es braucht wieder Mindest- statt Höchstsätze, die Richtsätze, speziell für Kinder, müssen bundesweit vereinheitlicht werden und die Formalvoraussetzungen dürfen für die Betroffenen, die ohnehin schon in einer prekären Situation leben, keine weiteren Hürden darstellen. „Die Sozialhilfe als das letzte soziale Auffangnetz muss für die Menschen zugänglich sein. Derzeit sind die notwendigen Behördenwege zum Teil wie ein Hindernislauf für Betroffene“, kritisiert Hashemi. Die angesprochenen Hürden liegen sowohl im Gesetz – „und zwar zum Teil ganz bewusst, um den Zugang zu erschweren“ – als auch in der Umsetzung durch die verantwortlichen Behörden: „Hier muss angesetzt werden, um die Stigmatisierung und Beschämung zu beenden.“ Die Sozialhilfe sei weder eine soziale Hängematte noch sind die Bezieher*innen Leistungsversager*innen und schon gar nicht Sozialschmarotzer*innen, wie so oft – auch von manchen politisch Verantwortlichen – dargestellt. „Sie haben Rechte.“ Und sind – auch wiederum anders als von vielen gern dargestellt – faktisch meist gar nicht in der Lage zu arbeiten, weil sie entweder zu jung oder zu alt sind oder eine Krankheit oder Behinderung haben. Sprich der viel zitierte „Leistungsanreiz“ würde ins Leere führen.
Budget für Sozialhilfe weniger als 1 Prozent der gesamten Sozialausgaben
Klar müsse daher auch sein, so Amnesty, dass „auf dem Rücken der von Armut betroffenen Menschen kein Budget saniert werden kann.“ Nicht nur, weil es die menschenrechtliche Verpflichtung eines Staates ist, jene aufzufangen, die ihr Leben nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können; sondern auch, weil es sich bei dem entsprechenden Budgetposten, der medial gern groß diskutiert wird, um insgesamt weniger als ein Prozent der Gesamt-Sozialausgaben des Staates handelt. „Armut zu bekämpfen macht Österreich sicher nicht arm“, stellt Shoura Hashemi fest.