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Amnesty International Österreich hat sich im Begutachtungsprozess des Gesetzesentwurfes mit einer Stellungnahme aus menschenrechtlicher Sicht eingebracht und vor allem die fehlende Klarheit und unpräzise Ausgestaltung der Regelungen kritisiert. Am 15. September veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation eine Ersteinschätzung der überarbeiteten Gesetzesentwürfe und übermittelte in den darauffolgenden Tagen dem österreichischen Parlament eine schriftliche Stellungnahme.
Die vorliegenden Regelungen sehen eine intensive Einschränkung der Menschenrechte vor, insbesondere des Privatlebens, der Bewegungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit. Einschränkungen in unsere Menschenrechte dürfen grundsätzlich nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden und müssen rechtmäßig und verhältnismäßig sein.
Nicht nur im Gesetz, sondern auch in der politischen Umsetzung müssen daher klare und im Vorfeld definierte Kriterien entwickelt sowie transparent und offen kommuniziert werden. In der aktuellen Diskussion rund um die Corona-Ampel zeigt sich wiederholt, dass vielen Menschen diese Klarheit fehlt.
„Wir beobachten von Beginn an die menschenrechtlichen Auswirkungen von COVID-19 auf die Menschen in Österreich und fordern von den Entscheidungsträger*innen Klarheit hinsichtlich der COVID-19-Regelungen ein. Alle Menschen in Österreich müssen sich darauf verlassen können, dass klar geregelt ist, was erlaubt ist und was nicht, und welche Befugnisse die Behörden haben“, sagt Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich.
Positiv ist, dass im überarbeiteten Gesetzesentwurf einige Passagen präzisiert und auf Kritik von Expert*innen und aus der Zivilgesellschaft reagiert wurde: Es wurde z. B. klargestellt, dass für private Wohnungen und Häuser (inklusive Gärten, Keller, Garagen, etc.) keine Betretungsverbote erlassen werden dürfen. Der Abschnitt zu den „Corona-Gästelisten“, den Amnesty in ihrer Stellungnahme aufgrund der unklaren Regelung kritisiert hat, findet sich nicht mehr im Gesetzestext.
Es ist schwierig, in einem Gesetz alle Bedürfnisse von Menschen und alle Eventualitäten festzuhalten. Umso wichtiger ist es, in der politischen Umsetzung transparent und offen zu kommunizieren.
Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich
Im Abschnitt, in dem das Verlassen des privaten Wohnbereiches geregelt wird, stellt sich die Frage, wann man von einem „Zusammenbruch der medizinischen Versorgung“ sprechen kann. Dieser stellt eine Voraussetzung für Ausgangsbeschränkungen dar. Weder im Gesetz noch in den Erläuterungen wird ausgeführt, anhand welcher epidemiologische Kriterien entschieden werden kann, wann ein „Zusammenbruch der medizinischen Versorgung“ droht, kritisiert Amnesty. Auch die Ausnahmen der Ausgangsbeschränkung zur „körperlichen und psychischen Erholung“ und die „Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens“ benötigen weitere Klarstellung.
Amnesty International Österreich fordert die Regierung weiterhin auf, in der Umsetzung der COVID-19-Maßnahmen auf Transparenz und einen offenen Diskurs besonders achtzugeben und im Einzelfall auf die besonderen Bedürfnisse von besonders schützbedürftigen Menschen (z. B. Kinder, Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen) zu achten.
Amnesty International wird auch in den nächsten Wochen und Monaten die weiteren Entwicklungen der COVID-19-Pandemie in Österreich und die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus beobachten, dokumentieren und analysieren. Im April veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation 9 Forderungen auf Basis eines ersten Zwischenberichts zu den bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie in Österreich. Im Juli veröffentlichte Amnesty eine Kurzanalyse zum Thema soziale Rechte & COVID-19 in Österreich.
Hinweis: Dieser Artikel wurde am 15. September 2020 veröffentlicht und am 22. September mit dem Downloadlink zu unserer Stellungnahme ergänzt.