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Seit einem Jahr ist das EU-Türkei-Abkommen in Kraft – ein Vertrag, der Tausenden Menschen auf der Flucht großes Leid gebracht hat.
Am 18. März 2016 haben die europäischen Regierungen versucht, sich aus ihren internationalen Verpflichtungen freizukaufen, ungeachtet der damit verbundenen menschlichen Not.
John Dalhuisen, Europadirektor bei Amnesty International
Trotz des nachweislichen Versagens und der eklatanten Verstöße gegen das Völkerrecht wird das EU-Türkei-Abkommen von einigen Politikerinnen und Politikern in Europa als Erfolg gefeiert. „Das macht eines deutlich“, sagt Dalhuisen. „Der EU-Türkei-Deal hat nichts mit dem Schutz von Geflüchteten zu tun.“
Statt das Abkommen als Vorlage für ähnliche Verträge zu nutzen, sollten die europäischen Regierungen für sichere und legale Fluchtwege sorgen, fordert Amnesty International anlässlich des ersten Jahrestages des Abkommens.
Das EU-Türkei-Abkommen zielt darauf ab, Asylsuchende in die Türkei zurückzuschicken – unter der Annahme, dass die Türkei sicher für sie ist. Doch diese Voraussetzung ist nicht gegeben, kritisiert Amnesty International. Das Abkommen ist kein Erfolgsrezept für die EU im Umgang mit Geflüchteten. Die Menschenrechtsorganisation warnt davor, es auf andere Staaten umzulegen.
Dubiose Deals mit unzuverlässigen Bündnispartnern sind keine Antwort auf die Herausforderungen, vor denen die EU steht.
Sandra Iyke, Campaignerin bei Amnesty International Österreich
Anstatt zu versuchen, Geflüchtete in die Türkei zurückzuschieben und viel Geld in eine Politik der Abschottung zu stecken, sollte die EU sichere Fluchtwege ausbauen. Amnesty fordert europäische Regierungen deshalb auf, Asylsuchende den Zugang zu Resettlement-Programmen oder anderen sicheren Wegen in europäische Länder zu ermöglichen – darunter fallen Familienzusammenführungen oder Visa aus humanitären Gründen, sagt Sandra Iyke.
Zeitgleich zum Jahrestag steht beim höchsten Verwaltungsgericht Griechenlands eine richtungsweisende Entscheidung an: In den nächsten vier Wochen soll geklärt werden, ob die Türkei ein sicheres Land für Geflüchtete ist.
Bei diesem Verfahren geht es auch um den 21-jährigen „Noori“ – sein Name wurde von Amnesty zu seinem Schutz geändert. Noori ist seit über sechs Monaten rechtswidrig inhaftiert, nachdem sein Asylantrag auf Basis der Annahme, dass die Türkei ein sicherer Drittstaat ist, für unzulässig erklärt wurde.
Je nachdem wie die Entscheidung des Gerichts ausfällt, wird Noori unverzüglich in die Türkei zurückgeschickt, oder nicht. Das Urteil könnte zum Präzedenzfall werden und die Tore für weitere Rückschiebungen öffnen.
Erst im Februar veröffentlichte Amnesty den Bericht „Blaupause für Hoffnungslosigkeit“. Er dokumentiert grobe Verstöße gegen die Menschenrechte, die im Zusammenhang mit dem EU-Türkei-Deal stehen: In den letzten zwölf Monaten sind tausende Menschen auf den griechischen Inseln gestrandet. Sie werden in überfüllten, menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht, manchmal werden sie Opfer von Hassverbrechen. Bereits fünf Geflüchtete – darunter ein Kind – sind infolge dieser Umstände gestorben.
Außerdem wurden syrische Asylwerberinnen und -werber in die Türkei zurückgeschoben – ohne Zugang zu einem Asylverfahren und ohne die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen ihre Rückführung einzulegen. Das ist ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht. Andere sind „freiwillig“ in die Türkei zurückgekehrt, um dem Elend auf den griechischen Inseln zu entgehen.
Amnesty erkennt an, dass die Türkei mehr Geflüchtete aus Syrien aufgenommen hat als jeder andere Staat. Allerdings hat die Türkei kein funktionierendes Asylsystem: Das Land garantiert Menschen auf der Flucht nicht den Schutz, der ihnen unter der Genfer Flüchtlingskonvention zusteht. Und es hält sich nicht an das sogenannte Non-Refoulement-Prinzip – darunter versteht man das Verbot, Menschen in Länder zurückzuschicken, in denen ihnen Verfolgung, Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.
Der EU-Türkei-Deal wurde am 18. März 2016 beschlossen und trat am 20. März 2016 in Kraft.