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Ein neuer Bericht von Amnesty International mit dem Titel „Bestraftes Mitgefühl: Solidarität unter Beschuss in der Festung Europa” dokumentiert, wie Polizei und Staatsanwaltschaften in Europa Menschenrechtsverteidiger*innen ins Visier nehmen, die Menschen auf der Flucht helfen.
Der Bericht zeigt: Überall in Europa werden Menschen, die sich für die Rechte von Geflüchteten, Asylsuchenden und Migrant*innen einsetzen, strafrechtlich verfolgt und schikaniert. Amnesty International fordert die Regierungen in Europa auf, Gesetze über die Erleichterung der unerlaubten Ein- und Durchreise und des illegalen Aufenthalts zu ändern. Menschen, die aus Mitgefühl und Solidarität handeln, sollen nicht mehr bestraft werden.
„Die europäischen Staaten versagen dabei Menschen auf der Flucht und Migrant*innen eine menschenwürdige Behandlung und Versorgung bereitzustellen. Daher übernehmen diese notwendige Versorgung oft freiwillige Helfer*innen. Wenn die Helfer*innen, die das Versagen der Behörden auszugleichen versuchen, strafrechtlich verfolgt werden, bedeutet das, dass Schutzsuchende einer noch größeren Gefahr ausgesetzt werden ”, sagt Elisa De Pier, Researcherin bei Amnesty International.
Der Bericht untersucht Fälle zwischen 2017 und 2019 aus acht europäischen Ländern – Kroatien, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Italien, Malta, Spanien und der Schweiz. Das Ergebnis ist eindeutig: Menschenrechtsverteidiger sind zunehmend unbegründeten Strafverfahren, Einschüchterungen und Verleumdungskampagnen ausgesetzt. Vage gefasste Gesetze und Bestimmungen zur Bekämpfung von Menschenschmuggel und Terrorismus werden verwendet, um solidarisches Handeln zu kriminalisieren.
Der Bericht von Amnesty International dokumentiert anhand zahlreicher Fälle, wie die Justiz in mehreren europäischen Staaten Einzelpersonen und NGOs verfolgt, die Geflüchteten aus Seenot retteten oder Menschen auf der Flucht Essen und Obdach anboten.
So wurde beispielsweise der französische Bergführer Pierre Mumber angeklagt, weil er vier westafrikanischen Asylsuchenden an der französisch-italienischen Grenze heissen Tee und warme Kleidung gegeben hatte. Er wurde schließlich in zweiter Instanz freigesprochen.
In Kroatien wurden die NGOs Are You Syrious und das Zentrum für Friedensstudien (CMS) schikaniert, eingeschüchtert und wegen der „Beihilfe zur unerlaubten Migration“ strafrechtlich verfolgt, nachdem sie dokumentiert hatten, wie Schutzsuchende an den Grenzen zu Bosnien und Herzegowina sowie Serbien mit übermäßiger Gewalt von der Polizei zurückgedrängt und kollektiv ausgewiesen wurden.
In der Nähe von Calais in Frankreich, beschwerten sich humanitäre Helfer*innen, die Lebensmittel an geflüchtete Menschen verteilten, über das Fehlverhalten der Polizei gegenüber ausländischen Staatsangehörigen. Sie wurden deshalb von der Polizei ebenfalls schikaniert, eingeschüchtert und strafrechtlich verfolgt.
Die Rettungsschwimmer*innen Sarah Mardini und Seán Binder retteten auf der Insel Lesbos ankommende Geflüchtete vor dem Ertrinken. Dafür wurden sie verhaftet und befanden sich monatelang in Untersuchungshaft. Sie warten immer noch auf einen Prozess wegen haltloser Anklagen, darunter: Spionage, Menschenschmuggel und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation. Im Falle eines Schuldspruches drohen ihnen bis zu 25 Jahre Haft.
Wir haben freiwillig Menschen in Not geholfen, jetzt könnten wir dafür bis zu 25 Jahre ins Gefängnis kommen. Und trotzdem, auch wenn ich wüsste, was uns bevorsteht, ich würde heute genau dasselbe wieder tun.
Sarah Mardini
Menschen, die sich für die Menschenrechte aller einsetzen und diese schützen sind Menschenrechtsverteidiger*innen. Staaten sind für ein sicheres und förderliches Umfeld verantwortlich, in dem Menschenrechtsverteidiger*innen ohne Angst vor Repressalien handeln können. Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssen daher Maßnahmen ergreifen, die so ein Umfeld schaffen.
„Viele Menschen in ganz Europa haben viel mehr Mitgefühl und Menschlichkeit gegenüber Schutzsuchenden gezeigt, als ihre Regierungen. Es ist unerhört, dass Menschenrechtsverteidiger*innen ins Visier genommen werden von Behörden, die selbst das Leben von Menschen aufs Spiel setzen um die Grenzen abzuriegeln“, sagt Elisa De Pier, Researcherin bei Amnesty International.