
FPÖ-ÖVP-Pläne: Amnesty kritisiert Angriff auf Menschenrechte
10. Februar 2025Das geleakte Protokoll der Unterverhandlungsgruppen der möglichen FPÖ-ÖVP-Regierung offenbart erschreckende Pläne. Die vorgeschlagenen Maßnahmen bedeuten unter anderem massive Einschnitte in die Sozialhilfe, einen Abbau des Asylrechts, Einschränkungen in Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie eine Relativierung internationaler Menschenrechtsverpflichtungen.
„Es ist erschütternd, welch menschenverachtendes Bild den geplanten Maßnahmen zugrunde liegt. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschenrechte, die die Basis einer freien Gesellschaft und eines friedlichen Zusammenlebens darstellen, der politischen Willkür geopfert werden“, so Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.
„Diese Pläne dürfen nicht Realität werden. Wir fordern die verhandelnden Parteien auf, sich uneingeschränkt zu den internationalen Menschenrechtsstandards zu bekennen, soziale Sicherheit zu garantieren und völkerrechtswidrige Maßnahmen im Asyl- und Migrationsbereich unmissverständlich abzulehnen.“
Es braucht jetzt einen breiten gesellschaftlichen Schulterschluss gegen diese gefährlichen Pläne.
Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
Aushöhlung des Asylrechts
Die bekannt gewordenen Pläne zu Grenzzäunen, Aussetzung des Asylrechts durch „Notgesetz“, Einschränkung von Sozial- und Gesundheitsleistungen für Asylsuchende, Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan, sowie die Legalisierung von Push-Backs sind unvereinbar mit internationalem Recht. Der geplante Ausstieg aus dem UN-Flüchtlingspakt und die Verschärfung des EU-Migrationspakts würden den Schutz von geflüchteten Menschen systematisch untergraben.
„Um Asyl anzusuchen ist ein Menschenrecht. Wer hier mit rechtswidrigen Maßnahmen spielt, gefährdet Menschenleben. Illegale Pushbacks und Gewalt an den Grenzen sind keine Migrationspolitik - es sind staatlich organisierte Menschenrechtsverletzungen“, so Hashemi.
Kürzungen der Sozialhilfe
Amnesty International Österreich kritisiert scharf die geplanten Einschnitte in der Sozialhilfe. Diese würden bedeuten, dass es armutsgefährdeten Menschen, darunter Familien mit Kindern, Frauen und Menschen mit Behinderungen, noch schwieriger gemacht wird, ihre täglichen Grundbedürfnisse zu decken.
„Jegliche Verschlechterung des Rechts auf soziale Sicherheit bedeutet vor allem eines: Verfestigung von Armut in Österreich! Wer hier kürzt, nimmt bewusst in Kauf, dass Armut und soziale Not weiter zunehmen. Die geplanten Kürzungen in der Sozialhilfe werden weder das Budget entlasten, noch Menschen davon abhalten in Österreich Schutz zu suchen.
Die Folgen, die wir befürchten: Mehr Armut und Spaltung der Gesellschaft.“
Wer hier kürzt, nimmt bewusst in Kauf, dass Armut und soziale Not weiter zunehmen. Die geplanten Kürzungen in der Sozialhilfe werden weder das Budget entlasten, noch Menschen davon abhalten in Österreich Schutz zu suchen.
Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
Einschränkungen der Versammlungsfreiheit
Besorgniserregend ist auch der Vorschlag, Versammlungen untersagen zu können, wenn sie den „Wertvorstellungen und Grundprinzipien eines europäischen, demokratischen Staates“ zuwiderlaufen. Eine derart vage und weitreichende Formulierung birgt die Gefahr, dass politische Meinungsäußerungen unrechtmäßig und willkürlich unterbunden werden. Unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung könnte dies faktisch zu einer massiven Einschränkung der Versammlungsfreiheit führen. Auch die Ideen, dass Versammlungen vier Wochen vorher angezeigt werden müssen und Akte des zivilen Ungehorsams unter Strafe gestellt werden, widersprechen dem Kern des Rechts auf Versammlungsfreiheit.
Abschaffung der Ermittlungsstelle
Die Einrichtung der Ermittlungs- und Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt im Jänner 2024 war ein menschenrechtlich lange notwendiger Schritt, damit Misshandlungsvorwürfe gegen Polizeibeamt*innen endlich wirksam untersucht werden können. Die nun angedachten Pläne, genau diese erst kürzlich eingerichteten Stelle abzuschaffen, ist ein enormer menschenrechtlicher Rückschritt. Damit gäbe es erneut keinen wirksamen Mechanismus zur Untersuchung von Polizeigewalt, wofür Österreich bereits mehrfach von UN-Seite und vom Europarat gerügt worden ist.
„Die Einrichtung einer solchen Stelle war nicht nur eine völkerrechtliche Verpflichtung, sondern stärkt auch das Vertrauen in die Polizei. Gerade erst wurde die erfolgreiche Bilanz der Stelle vom Innenministerium selbst vorgestellt. Die Pläne, diese Stelle wieder abzuschaffen, stoßen auf Unverständnis: Wovor hat die Bundesregierung Angst?"
Angriff auf die freie Meinungsäußerung
Angedacht sind auch weitreichende Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, u.a. durch die schon einmal geplante Einführung einer Messenger-Überwachung. Diesbezüglich wiederholt Amnesty International Österreich, dass der Einsatz von hochinvasiver Spyware zum Mitlesen von verschlüsselten Nachrichten, wie etwa über WhatsApp oder Signal, nicht menschenrechtskonform umgesetzt werden kann.
Auch der Vorschlag, die Definition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) auf staatlicher Ebene sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vollumfänglich aufzunehmen, ist aus Sicht von Amnesty International eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung - und definitiv nicht der richtige Weg, um Antisemitismus zu bekämpfen.
Die geplante Klarnamenpflicht für Äußerungen in Internetforen schränkt nach Ansicht von Amnesty International das Recht auf freie Meinungsäußerung unverhältnismäßig ein. Dies hätte auch zur Folge, dass Menschen davon abgehalten würden, sich an einer Debatte zu beteiligen, weil sie ihre Identität nicht preisgeben möchten.
Angriffe auf Menschenrechtsstandards und internationale Verpflichtungen
Besonders besorgniserregend ist nach Ansicht von Amnesty weiters die Weigerung der zukünftigen Bundesregierung, sich klar zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie der Rechtsprechung von internationalen Gerichten zu bekennen.
Das ist ein gefährliches Signal. Ein Abrücken von diesen Grundpfeilern der Rechtsstaatlichkeit würde die Menschenrechte in Österreich massiv untergraben und das internationale Ansehen des Landes beschädigen
Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich