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In einer detaillierten Analyse legt Amnesty International Beweise dafür vor, dass die Inhaftierungen von europäischen Staatsbürger*innen durch den Iran in mindestens zwei Fällen eine Geiselnahme darstellen. Die Menschenrechtsorganisation fordert nun alle betroffenen Staaten auf, den Geiselstatus von im Iran festgehaltenen Staatsbürger*innen zu untersuchen, darunter auch Österreich.
Die Haft der britisch-iranischen Staatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe kam einer Geiselnahme gleich, so Amnesty International. Darüber hinaus halten die iranischen Behörden weiterhin den schwedisch-iranischen Arzt Ahmadreza Djalali als Geisel fest, dem im Evin-Gefängnis in Teheran die Hinrichtung droht.
Beide wurden von den iranischen Behörden als politische Druckmittel gegenüber europäischen Staaten eingesetzt. So hielten die iranischen Behörden die britisch-iranische Staatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe im Zusammenhang mit einem langjährigen Schuldenstreit mit dem Vereinigten Königreich fest.
Amnesty International befürchtet, dass auch die beiden österreichischen Staatsbürger Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb als Geiseln gehalten werden. Beide sind seit mehreren Jahren unrechtmäßig im Iran inhaftiert.
Es ist erschreckend, in welchem Ausmaß die iranischen Behörden unschuldige Doppelstaatsbürger*innen willkürlich inhaftieren. Die iranischen Behörden nutzen sie immer wieder erpresserisch als Druckmittel gegen europäische Staaten. Das ist ein Skandal und muss ein Ende haben.
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
„In Österreich gehen uns die Fälle von Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb besonders nahe. Sie sind österreichische Staatsbürger, haben beide den größten Teil ihres Lebens in Österreich gelebt, hier gearbeitet und Familien gegründet. Während eines Aufenthalts im Iran wurden sie unrechtmäßig verhaftet und sind seither Folter und unmenschlichen Haftbedingungen ausgesetzt. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen und müssen alles daransetzen, dass sie zu ihren Familien in Österreich zurückkehren können, die hier besorgt auf sie warten“, so Schlack weiter.
Derzeit befinden sich mindestens 17 Doppelstaatsbürger*innen aus Europa und Amerika in iranischer Gefangenschaft, darunter auch der österreichische IT-Berater Kamran Ghaderi und der Generalsekretär der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft Massud Mossaheb.
Beide wurden nach mehrmonatiger Isolationshaft, Folter und grob unfairen Gerichtsverfahren zu zehn Jahren Haft verurteilt. Im berüchtigten Evin-Gefängnis inhaftiert, leiden sie unter schweren gesundheitlichen Problemen. Eine angemessene medizinische Versorgung wird ihnen von den iranischen Behörden weiterhin verweigert.
Ihre Angehörigen sprechen bereits seit längerem von Geiselhaft und haben erst vor kurzem gemeinsam mit anderen Betroffenen in einem offenen Brief den österreichischen Außenminister Schallenberg aufgefordert, diesbezüglich tätig zu werden.
In Anbetracht der aktuellen Erkenntnisse fordert Amnesty International nun alle betroffenen Nationalstaaten auf, weitere Fälle zu untersuchen, um festzustellen, ob es sich bei den willkürlichen Festnahmen um eine Verletzung des Übereinkommens gegen Geiselnahme handelt, und entsprechend zu handeln.
Amnesty International konnte in den Fällen von Nazanin Zaghari-Ratcliffe und Ahmadreza Djalali umfangreiches und detailliertes Beweismaterial zusammentragen, um ihre rechtswidrige Gefangenschaft im Einklang mit dem Internationalen Übereinkommen gegen Geiselnahme zu analysieren. In beiden Fällen, so stellte Amnesty International fest, handelt es sich um Geiselnahme durch den iranischen Staat.
Die britisch-iranische Staatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe wurde im März 2022 nach jahrelangen, intensiven Verhandlungen zwischen Großbritannien und dem Iran freigelassen. Ihre Inhaftierung stand im Zusammenhang mit einem langjährigen Schuldenstreit zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Iran, bei dem Zaghari-Ratcliffe von iranischer Seite als Druckmittel eingesetzt wurde. Sie wurde nach sechs Jahren willkürlicher Inhaftierung freigelassen, als die britische Regierung zustimmte, dem Iran 393,8 Millionen Pfund zu zahlen.
Auch im Fall von Ahmadreza Djalali, einem schwedisch-iranischen Staatsbürger, hat Amnesty International Beweise dafür gesammelt, dass die iranischen Behörden ihn als Geisel halten. Die iranischen Behörden drohen mit seiner Hinrichtung, um Schweden und Belgien zu zwingen, zwei inhaftierte ehemalige iranische Beamte auszuliefern sowie andere Staaten von zukünftigen Strafverfolgungen gegen iranische Beamt*innen abzuhalten.
Die iranischen Behörden begangen in mindestens zwei Fällen das Verbrechen der Geiselnahme. Eine solche Geiselnahme ist ein Verbrechen nach internationalem Recht, einschließlich des Internationalen Übereinkommens gegen Geiselnahme von 1979, dem auch der Iran beigetreten ist.
Angesichts der anhaltenden Besorgnis über die Praxis der iranischen Behörden, inhaftierte Doppelstaatsangehörige und ausländische Staatsangehörige als Druckmittel zu verwenden, müssen alle Staaten, deren Staatsangehörige im Iran inhaftiert sind, dringend Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass alle derartigen Fälle unverzüglich gemäß dem Internationalen Übereinkommen gegen Geiselnahme von 1979 überprüft werden.
Wenn festgestellt wird, dass eine Geiselnahme stattgefunden hat, müssen alle geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um die betroffenen Geiseln zu schützen und ihre Freilassung sicherzustellen.
Alle iranischen Beamt*innen, die im begründeten Verdacht stehen, für das Verbrechen der Geiselnahme verantwortlich zu sein, müssen in fairen und transparenten Strafverfahren zur Rechenschaft gezogen werden.
Da der Freiheitsentzug einer Person nach der Verhaftung jederzeit in eine Geiselnahme umschlagen kann, müssen die Staaten für eine regelmäßige Überprüfung solcher Fälle sorgen.
Amnesty International fordert die iranischen Behörden erneut auf, alle Personen, einschließlich derjenigen mit doppelter oder ausländischer Staatsangehörigkeit, die willkürlich allein wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte oder allein aufgrund ihres Status inhaftiert wurden, unverzüglich und bedingungslos freizulassen. Für die Gewalt, der sie ausgesetzt waren, steht ihnen eine angemessene Entschädigung zu.