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Im Vorfeld der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow zeigt ein neuer Fotoessay von Amnesty International die menschenrechtlichen Auswirkungen der Klimakrise. Die Sammlung Unliveable for Humans (Für Menschen unbewohnbar) dokumentiert auf eindringliche Weise den Alltag in Jacobabad, einer der heißesten Städte der Welt. Die Bilder und Erfahrungsberichte machen deutlich, wie unmittelbar sich das kollektive Versagen bei der Bewältigung der Klimakrise auf die Menschenrechte der Bewohner*innen von Jacobabad auswirkt.
Jacobabad ist eine Stadt mit rund 200.000 Einwohner*innen in der pakistanischen Provinz Sindh, in der die Temperaturen in den letzten vier Sommern regelmäßig 50 Grad Celsius überschritten haben. Mindestens viermal seit 1987 haben die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit einen Schwellenwert erreicht, der von Expert*innen als „heißer als ein menschlicher Körper verkraften kann“* beschrieben wird. Damit ist Jacobabad eine von nur zwei Städten weltweit, die diesen wenig beneidenswerten Status erreicht haben.
Diese Bilder und Berichte sollten den Teilnehmer*innen der COP26 als abschreckende Mahnung dienen. Sie machen deutlich, dass der Reichtum der Industrieländer – der auf fossilen Brennstoffen und schädlichen Praktiken beruht – das Überleben von Millionen Menschen auf der ganzen Welt gefährdet, insbesondere in den Entwicklungsländern.
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International sagt weiter: „Für die Menschen in Jacobabad ist die Klimakrise keine ferne Bedrohung, sondern Alltag. Das gilt auch für viele andere in der Welt, insbesondere im globalen Süden. Wir haben keine Zeit mehr für Zurückhaltung, Verzögerungstaktiken und unausgegorene Lösungen, wenn die Menschenrechte bereits so stark bedroht sind wie nie zuvor.“
Das Leben in Jacobabad wird von dem Versuch beherrscht, der Hitze zu entkommen. Dafür setzen die Bewohner*innen alle verfügbaren Hilfsmittel ein, angefangen von Ventilatoren, die von Eseln angetrieben werden, bis zu riesigen Eisblöcken zur Kühlung der Böden. Um während des Arbeitstages einen kühlen Kopf zu bewahren, stellen sich Landarbeiter*innen häufig kurz unter Handpumpen, oder sie springen in schmutzige Abwässer, die sich auf den Feldern sammeln. Hautinfektionen sind nicht selten. Ein Bewohner von Jacobabad, Shah Bux, berichtete Amnesty International, dass „die Kinder in nassen Kleidern ins Bett gehen, um die Hitze zu bekämpfen. Nur so können sie schlafen.“
Die Bevölkerung von Jacobabad lebt in Armut und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen, die durch die sengende Hitze noch verschlimmert werden. Zu den am stärksten gefährdeten Bewohner*innen der Stadt gehören die rund 5.000 Ziegelarbeiter: unter freiem Himmel, oft ohne Schutz vor der Hitze, stellen sie an glühenden Öfen täglich etwa 1.000 Ziegel her – für weniger als 5 US-Dollar pro Tag.
Ich kriege kaum Luft, wenn es so heiß ist, aber wenn ich mich ausruhe, werden meine Familie und ich verhungern. Wie soll ich da eine Pause machen?
Gulab Birohi, ein 70-jähriger Land- und Ziegelarbeiter
Die Frauen in der Stadt sind der extremen Hitze besonders ausgesetzt, da sie nicht den gleichen Zugang zu Kühlmöglichkeiten haben wie andere. Die gesellschaftliche Konvention verbietet es ihnen, in der Öffentlichkeit ein schnelles Bad zu nehmen oder in nahe gelegene Gewässer zu springen. Sie sind oft gezwungen, in stickigen Häusern zu schlafen, da sie im Freien geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind.
Die fortschreitende Abholzung der Wälder, Energieversorgungsschwierigkeiten sowie der mangelnde Zugang zu Wasser und angemessenen Unterkünften machen es den Menschen in Jacobabad schwer, mit den extremen Wetterbedingungen zurechtzukommen. Die meisten Schulen haben keinen Strom und sind aufgrund fehlender öffentlicher Verkehrsmittel kaum erreichbar. Viele Kinder haben ihre Ausbildung abgebrochen, da sie in der Hitze weite Strecken zu ihren Schulen laufen müssten – die wiederum nur unzureichend ausgestattet sind, um sie vor den steigenden Temperaturen schützen zu können.
Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der Welt auf der COP26 nicht zu den mutigen und konzertierten Maßnahmen verpflichten, die so dringend erforderlich sind, werden Städte wie Jacobabad weiterhin unter immer extremerer Hitze und Luftfeuchtigkeit leiden.
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
Amnesty International fordert außerdem die pakistanischen Behörden auf, angemessene Maßnahmen zur Anpassung an die Klimakrise zu ergreifen, um die Rechte der Menschen in Jacobabad vor dem Hintergrund steigender Temperaturen und immer häufigerer Tage mit unerträglicher Hitze wirksam zu schützen.
Im Vorfeld der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow ruft Amnesty International die teilnehmenden Staaten dazu auf, sich zu ehrgeizigen und menschenrechtskonformen Emissionsreduktionszielen zu verpflichten, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen. Die vollständige Liste der Forderungen von Amnesty International enthält fünf zentrale Positionen zum Thema Menschenrechte und Klimakrise.
Pakistan wird voraussichtlich zu den Ländern gehören, die in den kommenden Jahrzehnten am stärksten von den steigenden Temperaturen betroffen sein werden. Jüngste gemeinsame Erkenntnisse der Asiatischen Entwicklungsbank und der Weltbank unterstreichen das erhöhte Risiko extremer Klimaereignisse und der Ernährungsunsicherheit.
Die pakistanische Regierung hat aktiv Maßnahmen zum Umgang mit der Klimakrise ergriffen. Dabei hat sie immer wieder auf ihre Anfälligkeit für die Klimakrise hingewiesen. Eine Reihe von neuen Maßnahmen im Zuge des Klimawandels wurde angekündigt, aber bisher konnten die Einwohner*innen von Jacobabad nicht davon profitieren. Die geplanten Aufforstungsprogramme sind noch nicht angelaufen und es gibt noch keine erneuerbaren und verlässlichen Energiequellen. Auch Hilfs- und Informationsangebote zur Bewältigung von Hitzewellen sind nach wie vor nicht verfügbar.
*Im Mai 2020 veröffentlichte Forschungsergebnisse der Universität Loughborough ergaben, dass in Jacobabad und Ras al Khaimah in den Vereinigten Arabischen Emiraten Hitze- und Luftfeuchtigkeitsgrade erreicht wurden, bei denen der menschliche Körper sich nicht mehr durch Schwitzen abkühlen kann – Bedingungen, die innerhalb weniger Stunden tödlich sein können.