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Im Südsudan verstärken Behörden ihre Bemühungen zur Unterdrückung kritischer Stimmen: Friedliche Kritiker*innen werden über Landesgrenzen hinweg eingeschüchtert und angegriffen
Recherchen von Amnesty International zeigen, wie die politische Führung des Landes mit Drohungen und Überwachung versucht, weltweite Proteste zu verhindern
Während im Sudan friedliche Proteste mit brutalen Mitteln unterdrückt werden, weiten auch die Regierungsbehörden im Südsudan ihre Versuche aus, Proteste zu zerschlagen: Mitglieder und Anhänger*innen der Red Card Movement (RCM) – einer neuen Bewegung, die von den Protesten im Sudan inspiriert ist – wurde sowohl im Südsudan selbst als auch in den Nachbarländern bedroht und überwacht. Das dokumentiert Amnesty International in einem neuen Kurzbericht, der heute veröffentlicht wird.
„Für das Wachstum und die Entwicklung eines Landes ist es wichtig, dass die Menschenrechte geachtet, geschützt und gefördert werden. Es ist eine Schande, dass die Behörden im Südsudan das nicht zu schätzen wissen“, sagt Joan Nyanyuki, Regionaldirektorin für Ostafrika bei Amnesty International, und sagt weiter:
Jeder Mensch hat das Recht, seine Regierung und die Regierungspolitik ohne Furcht vor Repressalien zu kritisieren.
Joan Nyanyuki, Regionaldirektorin für Ostafrika bei Amnesty International
"Die südsudanesische Regierung muss die zunehmenden Schikanierungs- und Einschüchterungsversuche sowie Übergriffe auf Menschen, die lediglich von ihren Rechten Gebrauch machen, klar verurteilen. Die Angriffe auf Kritiker*innen sowohl im Südsudan als auch im Ausland müssen umgehend aufhören", sagt Joan Nyanyuki.
Die RCM ist eine südsudanesische Jugendbewegung, deren Mitglieder sich zur Gewaltfreiheit bekennen. Ihr Ziel ist es, eine politische Veränderung im Land herbeizuführen. Als sie sahen, wie sich die Menschen im Sudan für das einsetzen, woran sie glauben, und Omar Al-Bashir aus dem Amt stürzten, starteten auch sie eine Protestbewegung in ihrem Land.
Für den 16. Mai waren sowohl in der südsudanesischen Hauptstadt Juba als auch an anderen Orten weltweit Protestveranstaltungen geplant. Die Veranstaltung in Juba fand jedoch letztendlich nicht statt.
Im Vorfeld der für den 16. Mai geplanten Proteste drohten hochrangige Regierungsmitglieder den Organisator*innen und potenziellen Protestteilnehmer*innen. Informationsminister Michael Makuei Lueth sagte etwa in einem Interview mit dem Radiosender Tamazuj am 7. Mai: „Wer protestieren will, kann das gerne tun, muss sich jedoch auch auf die Konsequenzen einstellen. Wir wissen, wer diese Versuche anführt. Wir möchten nicht, dass wieder Jugendliche sterben.“
Daraufhin begannen Angehörige des Geheimdienstes NSS und der Armee damit, zu jeder Tages- und Nachtzeit die Wohnungen von vermeintlichen Mitgliedern und Unterstützer*innen der RCM zu durchsuchen. Die Behörden entsandten außerdem Soldat*innen nach Juba und ließen öffentliche Plätze abriegeln.
Garang Aher wurde am 19. Mai in seiner Wohnung von drei NSS-Angehörigen festgenommen. Man warf dem 30-Jährigen Verbindungen zur RCM vor, nachdem seine Telefonnummer in einem entsprechenden WhatsApp-Chat auftauchte, der an die Behörden weitergegeben worden war. Am 23. Mai wurde er wieder freigelassen.
Präsident Salva Kiir wiederholte am 21. Mai öffentlich die Androhung tödlicher Konsequenzen für Protestierende: „Sie sagen euch, geht zur Regierung und protestiert, aber wissen sie denn nicht, dass dabei alles Mögliche passieren könnte und dass Menschen sterben könnten? Und wenn die Regierung nicht gesprächsbereit ist und sich entschließt, automatische Waffen einzusetzen, warum wollt ihr umsonst sterben?“
Vor südsudanesischen Botschaften in Australien, den USA und dem Sudan konnten ungehindert Protestveranstaltungen abgehalten werden. Doch in Äthiopien und Kenia wurden RCM-Mitglieder ähnlich wie im Südsudan eingeschüchtert und drangsaliert.
Zwei Kameramänner, die eine friedliche Demonstration vor der südsudanesischen Botschaft in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba filmten, wurden angegriffen: „Ich sah, wie ein Mitarbeiter der Botschaft einen Kameramann schlug und wie ein zweiter Mann den anderen Kameramann, der ins Gesicht geschlagen wurde, brutal schubste“, erzählte ein Augenzeuge Amnesty International.
In Kenia drohte man RCM-Mitgliedern mit Festnahme und Abschiebung in den Südsudan, wo sie Gefahr laufen würden, dem Verschwindenlassen zum Opfer zu fallen. Ein Betroffener sagte Amnesty International, die Unverhohlenheit der Drohungen habe ihn schockiert.
Die RCM-Mitglieder wurden zudem von südsudanesischen Personen, die Informant*innen des Geheimdienstes zu sein schienen, beschuldigt, „den Südsudan in einem schlechten Licht darzustellen, so wie Dong und Aggrey; die sind jetzt tot. Wenn ihr diesen Weg einschlagen wollt, habt ihr die Konsequenzen zu tragen.“
Die Betroffenen sagten Amnesty International außerdem, sie seien von Männern in schwarzen Anzügen beschattet worden: „Wir werden verfolgt. Wenn wir anhalten, halten sie auch an. Wo wir uns aufhalten, sind sie auch. Wir sind in Gefahr und müssen uns verstecken.“
Auch nach den abgesagten Protesten Mitte Mai gingen die Drangsalierungen und Einschüchterungsversuche weiter: Am 9. Juli, dem Unabhängigkeitstag des Südsudan, hielten Mitglieder und Unterstützer*innen der RCM vor der südsudanesischen Botschaft in Nairobi eine friedliche Protestveranstaltung ab.
Die Demonstration wurde von der kenianischen Polizei aufgelöst, obwohl die Veranstaltung alle rechtlichen Vorgaben erfüllte. Drei Protestierende wurden festgenommen und wegen unerlaubter Versammlung angeklagt. Sie kamen am nächsten Tag gegen Kaution frei und sagten Amnesty International, dass sie von Polizist*innen geschlagen wurden.