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Seit Beginn der massiven Proteste in unterschiedlichen Landesteilen in Peru im Dezember 2022 haben die Armee und die peruanische Nationalpolizei (PNP) wiederholt rechtswidrig mit zum Teil tödlichen Waffen wahllos auf die Menschen geschossen. Dabei waren die Opferzahlen unter der indigenen und kleinbäuerlichen Bevölkerung besonders hoch. Dies sind die ersten Ergebnisse der Untersuchung von Amnesty International, die heute vor Ort vorgestellt wurden.
„Insgesamt 48 Todesfälle durch staatliche Unterdrückung, elf Tote durch Straßenblockaden, ein getöteter Polizist sowie Hunderte von Verletzten zeigen: Die peruanischen Behörden haben zugelassen, dass der exzessive und tödliche Einsatz von Gewalt seit mehr als zwei Monaten die einzige Antwort der Regierung auf den Aufschrei Tausender Gemeinschaften ist, die Würde und ein politisches System fordern, das ihre Menschenrechte gewährleistet“, so Erika Guevara-Rosas, Direktorin für die Region Nord- und Südamerika bei Amnesty International.
Die Analyse von Amnesty International zeigt, dass die Zahl möglicher willkürlicher Todesfälle aufgrund staatlicher Repression unverhältnismäßig hoch in den Regionen mit überwiegend indigener Bevölkerung ist. Obwohl diese nur 13 Prozent der Gesamtbevölkerung Perus ausmachen, entfallen auf sie 80 Prozent aller seit Beginn der Krise registrierten Todesfälle. Dies lässt darauf schließen, dass die Behörden mit einer ausgeprägten rassistischen Voreingenommenheit handelten und Bevölkerungsgruppen ins Visier nahmen, die bereits in der Vergangenheit diskriminiert wurden.
Der systemische Rassismus, der seit Jahrzehnten in der peruanischen Gesellschaft und ihren Behörden verankert ist, war die treibende Kraft hinter der Gewalt, mit der die Gemeinschaften bestraft werden, die ihre Stimme erhoben haben.
Erika Guevara-Rosas, Direktorin für die Region Nord- und Südamerika bei Amnesty International
Obwohl internationale Menschenrechtsstandards den Einsatz von Schusswaffen mit tödlicher Munition zur Kontrolle von Demonstrationen verbieten, deuten die Informationen darauf hin, dass die Polizei und die Armee in mehreren Fällen zu diesem Mittel griffen, um Demonstrationen aufzulösen, selbst wenn keine offensichtliche Gefahr für das Leben anderer bestand. Die Proteste verliefen größtenteils friedlich, aber es gab einige Fälle von gezielter Gewalt durch Demonstrierende, u.a. wurden Steine mit selbstgebauten Schleudern und Feuerwerkskörper geworfen. Die vorliegenden Beweise deuten jedoch darauf hin, dass die Polizei und Armee wahllos und in einigen Fällen gezielt geschossen und dabei Umstehende, Demonstrierende und Personen, die Verletzten Erste Hilfe leisteten, getötet oder verletzt haben.
Neben Schusswunden hat Amnesty International bei der Analyse von Bildern auch zahlreiche Verletzungen durch Streumunition festgestellt. Diese unpräzise Munition, bei der mit jedem Schuss mehrere Projektile freigesetzt werden, ist für die Sicherung von Demonstrationen absolut ungeeignet. Seit Beginn der Krise wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei Protesten mehr als 1.200 Personen verletzt und 580 Polizist*innen verwundet.
Amnesty International hat mit Opfern gesprochen und offizielle Informationen eingeholt, die darauf hinweisen, dass die Generalstaatsanwaltschaft zwar einige wichtige Maßnahmen ergriffen hat, dass aber fast zwei Monate nach den Ereignissen immer noch keine zentralen Ermittlungsschritte erfolgt sind. So wurden weder Sachverständigengutachten durchgeführt noch Zeug*innenaussagen aufgenommen. In einigen Fällen wurde die Beweismittelkette nicht lückenlos dokumentiert, was eine wirklich unparteiische und gründliche Ermittlung verhindert.
"Die schwere Menschenrechtskrise, in der sich Peru befindet, wurde durch Stigmatisierung, Kriminalisierung und Rassismus gegenüber indigenen Völkern und kleinbäuerliche Bevölkerung verschärft. Diese wird mit Gewalt dafür bestraft, dass sie auf die Strasse geht, um ihr Recht auf freie Meinungsäusserung und friedliche Versammlung wahrzunehmen. Diese weit verbreiteten Angriffe auf die Bevölkerung führen zu einer klaren strafrechtlichen Verantwortung der Behörden, was deren Handeln betrifft, wie auch ihre Unterlassung, die Repression zu beenden – und zwar bis in die höchste Regierungsebene", sagt Erika Guevara-Rosas und sagt weiter:
"Wir fordern Interimspräsidentin Dina Boluarte und die übrigen Staatsorgane erneut auf, die Repression zu beenden und auf die legitimen Forderungen der Protestierenden einzugehen. Die Behörden müssen ihrer Verpflichtung nachkommen, alle von den Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen."
Unser aller Recht, zu protestieren, war weltweit noch nie so sehr durch Regierungen bedroht wie heute. Unverhältnismäßige Polizeigewalt bei Versammlungen kann eine abschreckende Wirkung haben, überhaupt an Protesten teilzunehmen. Mit ihrer weltweiten Kampagne Protect the Protest fordert Amnesty International den Schutz unseres Rechts auf Protest ein. Protest ist ein wirksames Mittel, um Menschenrechte zu schützen und Ungleichheiten abzubauen. Er gibt uns allen die Möglichkeit, unsere Stimmen zu erheben, uns Gehör zu verschaffen und zu fordern, dass wir gleichberechtigt behandelt werden. Verteidigen wir unser Recht auf Protest!