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Die Nachbarländer des Sudan müssen ihre Einreisebeschränkungen für Menschen, die vor dem Konflikt im Sudan fliehen, unverzüglich aufheben. Etwa eine halbe Million Menschen sind bereits vor den Kämpfen geflohen und müssen Schutz und Sicherheit erhalten, fordert Amnesty International heute.
Untersuchungen von Amnesty International ergaben, dass zahlreichen Asylsuchenden, die aus dem Sudan fliehen wollen, die Einreise in Nachbarstaaten verweigert wurde. Dies verschlimmert ihre Notlage und kann sie dazu zwingen, an die gefährlichen Orte zurückzukehren, denen sie zu entkommen versuchten, so die Menschenrechtsorganisation.
„Wenn wir allen Menschen, die vor Konflikten fliehen, einen schnellen Grenzübertritt und sofortigen Zugang zu Registrierungsstellen ermöglichen würden, damit sie Asyl beantragen können, würde sich die katastrophale humanitäre Lage an den Grenzen verbessern“, sagte Tigere Chagutah, Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika.
Wenn wir allen Menschen, die vor Konflikten fliehen, einen schnellen Grenzübertritt und sofortigen Zugang zu Registrierungsstellen ermöglichen würden, damit sie Asyl beantragen können, würde sich die katastrophale humanitäre Lage an den Grenzen verbessern.
Tigere Chagutah, Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika
Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) haben derzeit mehr als 563.000 Menschen die sudanesische Grenze überquert, um Sicherheit und Schutz vor der anhaltenden Krise im Land zu suchen. Humanitäre Organisationen, die innerhalb und außerhalb des Landes tätig sind, berichten von einer katastrophalen humanitären Lage und rufen dringend zu sofortiger Hilfe und Unterstützung auf.
Zwischen dem 9. Mai und dem 16. Juni interviewten Mitarbeiter*innen von Amnesty International 29 Zivilpersonen, die vor dem im April ausgebrochenen Konflikt geflohen sind. An der Grenze standen sie vor der schwierigen Entscheidung, entweder in die umkämpften Gebiete zurückzukehren oder weiter auszuharren und zu warten, bis sie die Grenze passieren können – und das auf unbestimmte Zeit. Selbst die Grundversorgung der Betroffenen war nicht gewährleistet. Sowohl die medizinische Versorgung als auch der Schutz der Privatsphäre und der Menschenwürde erwiesen sich als schwierig.
Zu den Befragten gehörten Menschen in Wadi Halfa nahe der ägyptischen Grenze und in Port Sudan, einem Hafen am Roten Meer, sowie Personen, die die sudanesische Grenze an verschiedenen Orten überquert hatten und sich in Addis Abeba in Äthiopien, Juba und Renk im Südsudan, Kairo in Ägypten, Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder N'Djamena im Tschad aufhielten.
Während im April 2023 zahlreiche ausländische Staatsangehörige von der Hafenstadt Port Sudan aus in ihr Land gebracht wurden, wurde Sudanes*innen ohne Visum die Evakuierung verweigert.
Neben den direkt Betroffenen befragte Amnesty International auch Zeug*innen und Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen. Außerdem wurden Dokumente, Videos, Fotos und Berichte von Medien und Nichtregierungsorganisationen in der Region ausgewertet, um die Berichte zu verifizieren.
Menschen, die vor dem Konflikt im Sudan fliehen, mussten mehrere Straßensperren und Kontrollpunkte passieren, wo sie von Beamten schikaniert und bedroht wurden, was sie daran hinderte, das Land zu verlassen. Zudem erlebten einige der Befragten Verhöre durch das sudanesische Militär, was zu Schwierigkeiten und Verzögerungen an der Grenze führte.
Berichten zufolge, die von Amnesty International verifiziert wurden, warteten Hunderte von Menschen an den Grenzübergängen Qustul und Argeen in der Nähe von Wadi Halfa darauf, die Grenze überqueren zu können. Die Einrichtungen an der Grenze und in den umliegenden Städten waren für die Anzahl der Menschen völlig unzureichend.
Geflüchtete berichteten, dass die an der Grenze von Wadi Halfa Gestrandeten gezwungen waren, die Nacht im Freien zu verbringen, ohne angemessene Unterkunft, Wasser oder Nahrung. Das Fehlen grundlegender Einrichtungen wie Toiletten und sauberes Wasser führte zu einer unhygienischen Umgebung, die vor allem für ältere Menschen und Kinder viele Risiken birgt.
Ägypten hat die meisten Menschen aufgenommen, die vor dem Konflikt im Sudan geflohen sind. Nach Angaben des ägyptischen Außenministeriums sind bis zum 26. Juni über 250.000 sudanesische Staatsangehörige nach Ägypten eingereist.
Nach den von Amnesty International gesammelten Informationen verlangten die ägyptischen Behörden ab dem 10. Juni 2023 von allen sudanesischen Staatsangehörigen ein Einreisevisum, das von den ägyptischen Konsulaten in Wadi Halfa oder in Port Sudan ausgestellt werden kann. Das Land begründete diesen Schritt damit, dass es notwendig sei, Visafälschungen entgegenzuwirken und den Zustrom sudanesischer Staatsangehöriger nach Ägypten besser steuern zu können.
Lokale Organisationen unterstützen Sudanes*innen auf der Flucht, insbesondere an der Grenze zwischen Sudan und Südsudan und in den Grenzregionen zwischen Sudan und Tschad. Die derzeit mangelnde Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft verschärft jedoch die ohnehin prekäre Situation, da die begrenzten Ressourcen vor Ort kaum ausreichen.
Im Tschad versorgen humanitäre Hilfsorganisationen die mehr als 120‘0000 Sudanes*innen, die seit Beginn des Konflikts in das Nachbarland geflohen sind, mit Wasser, Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und Unterkünften. Zudem hat der Südsudan vor kurzem 129.000 Menschen aus dem Sudan aufgenommen.
Doch wurden bis zum 27. Juni nur 13% der knapp 520 Mio. Euro bereitgestellt, die das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) im Rahmen des regionalen Hilfsplans für den Sudan beantragt hatte. Der Plan sieht vor allem Nothilfe für den Tschad, den Südsudan, Ägypten, Äthiopien und die Zentralafrikanische Republik vor.
Amnesty International fordert die Nachbarländer des Sudan auf, ihren Verpflichtungen aus den internationalen Menschenrechtsnormen und dem internationalen Asylrecht nachzukommen und ihre Grenzen für die Menschen zu öffnen, die vor dem eskalierenden Konflikt fliehen.
Tigere Chagutah, Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika
„Die Länder müssen alle Restriktionen aufheben, die eine schnelle, sichere und menschenwürdige Einreise von Menschen behindern, die aus dem Sudan fliehen. Sie müssen sicherstellen, dass alle Asylsuchenden uneingeschränkten und diskriminierungsfreien Zugang zu fairen und effektiven Asylverfahren und humanitärer Hilfe haben“, so Tigere Chagutah.