Washington DC, Jänner 2024: Protest gegen die Hinrichtungen im Iran © Middle East Images/AFP via Getty
Washington DC, Jänner 2024: Protest gegen die Hinrichtungen im Iran © Middle East Images/AFP via Getty
presse

Todesstrafe: Höchste Zahl dokumentierter Hinrichtungen seit 2015

8. April 2025

Zusammenfassung

  • Iran, Irak und Saudi-Arabien verantwortlich für 91 Prozent der Hinrichtungen
  • Staaten gehen mit der Todesstrafe gezielt gegen Protestierende und ethnische Minderheiten vor
  • Anstieg von Hinrichtungen in Verbindung mit Drogendelikten verstößt gegen Menschenrechte
  • In den USA steigt die Zahl der Hinrichtungen stetig. Präsident Trump bezeichnet Todesstrafe als Schutzmaßnahme gegen „brutale Vergewaltiger, Mörder und Monster“.

Die Zahl der weltweiten Hinrichtungen hat den höchsten Stand seit 2015 erreicht: Im Jahr 2024 wurden in 15 Ländern über 1.500 Menschen hingerichtet, so Amnesty International heute bei der Veröffentlichung des Jahresberichts über die weltweite Anwendung der Todesstrafe.

Dem Amnesty-Bericht „Death Sentences and Executions 2024“ zufolge wurden 2024 insgesamt 1.518 Hinrichtungen dokumentiert – die höchste Zahl seit 2015 (mindestens 1.634). Die fünf Länder mit der höchsten Zahl an dokumentierten Hinrichtungen 2024 waren China, Iran, Saudi-Arabien, Irak und Jemen. Die meisten Hinrichtungen fanden im Nahen Osten statt. Die Zahl der Länder, in denen die Todesstrafe vollstreckt wurde, blieb jedoch im zweiten Jahr in Folge auf dem niedrigsten Stand in der Geschichte.

China ist nach wie vor das Land mit den meisten Hinrichtungen. Doch konnten in den bekannten Gesamtzahlen weder die Tausende von Menschen erfasst werden, die vermutlich in China hingerichtet wurden, noch die in Nordkorea und Vietnam. In beiden Ländern wird mutmaßlich ebenfalls in großem Umfang auf die Todesstrafe zurückgegriffen. Aufgrund der andauernden Krisen in Palästina und in Syrien kann Amnesty International hier keine zuverlässigen Zahlen nennen.

Iran, Irak und Saudi-Arabien waren für den Anstieg der bekannten Hinrichtungen maßgeblich verantwortlich. Insgesamt entfiel auf diese drei Länder die erschütternde Zahl von 1.380 registrierten Hinrichtungen. Während der Irak die Zahl seiner Hinrichtungen nahezu vervierfachte (von mindestens 16 auf mindestens 63) und Saudi-Arabien seine jährliche Gesamtzahl verdoppelte (von 172 auf mindestens 345), wurden im Iran 119 Personen mehr hingerichtet als im Vorjahr (ein Anstieg von mindestens 853 auf mindestens 972). Damit entfielen 64 Prozent aller bekannten Hinrichtungen auf den Iran.

Die Todesstrafe ist eine verabscheuungswürdige Praxis, das in der heutigen Welt keinen Platz mehr hat. Auch wenn einige Länder weiterhin Tausende von Hinrichtungen im Geheimen vollstrecken, ist klar, dass die Staaten, die an der Todesstrafe festhalten, eine isolierte Minderheit sind. Im Jahr 2024 haben nur 15 Länder Hinrichtungen vollstreckt – das ist zum zweiten Jahr in Folge die niedrigste Zahl in der Geschichte, was auf eine Abkehr von dieser grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Bestrafung hinweist.

Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International

„Iran, Irak und Saudi-Arabien waren für den drastischen Anstieg der Todeszahlen im vergangenen Jahr verantwortlich, denn sie haben 91 Prozent der bekannten Hinrichtungen vollstreckt – unter Verstoß gegen die Menschenrechte und indem sie Menschen aufgrund von Drogen- und Terrorismusvorwürfen rücksichtslos das Leben nahmen.“

Todesstrafe als Repressionsinstrument

Wie Amnesty International 2024 beobachtete, haben Staats- und Regierungschefs die Todesstrafe instrumentalisiert, sei es unter dem Vorwand, die öffentliche Sicherheit zu erhöhen, oder um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen.

In den USA, die seit dem Ende der Coronapandemie einen stetigen Aufwärtstrend bei den Hinrichtungen verzeichnen, wurden 25 Menschen hingerichtet (im Jahr 2023 waren es 24). Der neu gewählte Präsident Trump bezeichnete die Todesstrafe wiederholt als Instrument, um Menschen vor „brutalen Vergewaltigern, Mördern und Monstern” zu schützen. Seine entmenschlichenden Äußerungen förderten ein falsches Narrativ, dem zufolge die Todesstrafe eine einzigartige abschreckende Wirkung bei Verbrechen hat.

In einigen Ländern des Nahen Ostens wurden Todesurteile eingesetzt, um Menschenrechtsverteidiger*innen, Dissident*innen, Protestierende, Oppositionelle und ethnische Minderheiten zum Schweigen zu bringen.

Wer es wagt, die Autoritäten herauszufordern, sieht sich der grausamsten aller Strafen ausgesetzt. Insbesondere im Iran und in Saudi-Arabien wird die Todesstrafe eingesetzt, um all jene zum Schweigen zu bringen, die mutig genug sind, ihre Meinung zu sagen.

Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International

Im Iran wurde die Todesstrafe auch 2024 weiterhin zur Bestrafung von Menschen eingesetzt, die im Zuge der „Frauen Leben Freiheit“-Bewegung das System der Islamischen Republik infrage stellten. Zwei dieser Personen, darunter ein Jugendlicher mit einer psychischen Erkrankung, wurden nach unfairen Gerichtsverfahren und durch Folter erzwungenen „Geständnissen" hingerichtet.

Die saudischen Behörden setzten die Todesstrafe auch weiterhin ein, um politisch Andersdenkende zum Schweigen zu bringen und Angehörige der schiitischen Minderheit des Landes, die zwischen 2011 und 2013 „regierungsfeindliche“ Proteste unterstützt hatten, zu bestrafen. Die Regierung richtete etwa Abdulmajeed al-Nimr hin, der ursprünglich wegen Beteiligung an Protesten verurteilt worden war, in späteren Anklagen jedoch mit Terrorismus in Verbindung gebracht wurde.

Todesstrafe bei Drogendelikten

Mehr als 40 Prozent der 2024 dokumentierten Hinrichtungen erfolgten im Zusammenhang mit Drogendelikten. Hinrichtungen im Zusammenhang mit Drogendelikten waren weit verbreitet in China, Iran, Saudi-Arabien, Singapur und, was nicht bestätigt werden konnte, wahrscheinlich auch in Vietnam. Die Verhängung der Todesstrafe für Drogendelikte betrifft unverhältnismäßig viele Menschen aus benachteiligten Verhältnissen.

Die Todesstrafe für Drogendelikte steht in klarem Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsstandards, die vorschreiben, dass die Todesstrafe nur für „schwerste Verbrechen“ verhängt werden darf. Drogendelikte erfüllen diese Voraussetzung nicht.

Einsatz gegen die Todesstrafe zeigt Wirkung

Trotz eines Anstiegs der Zahl der Hinrichtungen sind nur 15 Länder bekannt, die sie vollstreckt haben – das ist zum zweiten Jahr in Folge die niedrigste Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen. Bis heute haben 113 Länder die Todesstrafe vollständig abgeschafft. 145 Länder haben die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.

Darüber hinaus hat der Einsatz gegen die Todesstrafe weltweit Wirkung gezeigt. So wurde Iwao Hakamada, der in Japan fast 50 Jahre in der Todeszelle verbracht hatte, im September 2024 freigesprochen. Dieser Trend setzte sich auch Anfang 2025 fort. Im März wurde Rocky Myers, ein Schwarzer Mann, der in Alabama trotz schwerwiegender Verfahrensmängel zum Tode verurteilt worden war, nach intensiven internationalen Protesten begnadigt.

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