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USA: Social-Media-Plattformen entfernen Inhalte über Schwangerschaftsabbrüche

12. Juni 2024

Soziale Medienplattformen entfernen oder blockieren zunehmend Beiträge zum Thema Abtreibung, ohne dass dies klar oder angemessen begründet wird. Ein neuer Bericht von Amnesty International zeigt auf, wie diese Maßnahmen den Zugang zu Schwangerschaftsabbruch gefährden und das Recht auf Gesundheit und körperliche Autonomie verletzen.

In dem Bericht Obstacles to Autonomy: Post-Roe Removal of Abortion Information Online zeigt Amnesty International auf, wie sich Social-Media-Unternehmen über internationale Menschenrechtsstandards hinwegsetzen, indem sie Inhalte mit Bezug zu Schwangerschaftsabbruch entfernen, ohne diese Entscheidungen angemessen und transparent zu erläutern.

Seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA, mit dem 2022 Roe v. Wade gekippt und das verfassungsmäßige Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch aufgehoben wurde, üben sich beliebte Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram und TikTok im Entfernen von Inhalten, die das Thema Schwangerschaftsabbruch behandeln, darunter auch Beiträge mit Informationen über den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Durch das Entfernen von Inhalten mit Bezug zu Schwangerschaftsabbruch schränken die Tech-Konzerne möglicherweise den Zugang zu Informationen ein, wodurch Menschen, die schwanger werden können, diskriminiert und in ihren Menschenrechten verletzt werden.

Jane Eklund, Expertin für Technologie und reproduktive Rechte bei Amnesty International USA

„Der Zugang zu korrekten und wertneutralen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche ist ein wesentlicher Bestandteil der reproduktiven Gesundheitsversorgung. Technologieunternehmen müssen besser dafür sorgen, dass ihre Nutzer*innen Zugang zu diesen Informationen haben.“

Zensur bedroht reproduktive Rechte und Gesundheit

Der Amnesty-Bericht unterstreicht, dass das Entfernen von Online-Beiträgen über Schwangerschaftsabbrüche besonders für junge Leute nachteilig ist, da sie sich für Nachrichten und Informationen besonders stark auf die Sozialen Medien verlassen. Hinzu kommt, dass seit Kippen des Urteils Roe v. Wade mehr als 20 US-Bundesstaaten den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen beschnitten haben. In manchen Bundesstaaten wurden speziell Gesetzentwürfe eingebracht, um auch den Online-Zugang zu Informationen über Schwangerschaftsabbruch zu beschränken. Bisher sind diese Gesetzesentwürfe noch nicht verabschiedet worden.

Die Untersuchungen von Amnesty International zeigen, dass nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2022 auf den größten Social-Media-Plattformen einige Inhalte über medikamentöse (nicht-chirurgische) Abbrüche entfernt, vorübergehend unsichtbar gemacht oder als „sensible Beiträge“ markiert wurden, die „verstörende oder gewalttätige Inhalte“ enthalten könnten. Andere Beiträge wurden entfernt, weil die geteilten Informationen nach Angaben der Plattformbetreiber gegen deren Richtlinien verstießen, oder weil in dem Beitrag versucht worden sein soll, Pillen für Schwangerschaftsabbruch zu kaufen oder zu verkaufen, was jedoch nicht der Fall war.

Beispiele für ungerechtfertigte Entfernung von Inhalten

Am 27. April 2023 wurde ein Instagram-Post der Organisation Ipas entfernt, in dem die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Vorgehensweise für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch erläutert wurde. Als Grund für die Löschung führte Instagram seine Regeln zum „Verkauf illegaler oder regulierter Güter“ an, obwohl es in dem Beitrag in keiner Weise um den Verkauf von Medikamenten ging.

Aus dem Amnesty-Bericht geht hervor, dass im Jahr 2022 einige Posts der Organisation Planned Parenthood unleserlich gemacht und als „sensibel“ gekennzeichnet wurden, in denen es darum ging, in welchen US-Bundesstaaten Schwangerschaftsabbrüche noch legal oder bereits eingeschränkt waren.

Auch Beiträge von gemeinnützigen Organisationen wie Plan C und Telemedizin-Anbieter*innen wie Hey Jane wurden entfernt. In einigen Fällen wurden sogar ihre Social-Media-Konten ohne angemessene Begründung vorübergehend gesperrt. Facebook blockierte jüngst einen Beitrag der Organisation Lilith Fund, die in Texas Schwangere dabei unterstützt, für einen Abbruch in andere Bundesstaaten zu reisen. Der Post enthielt einen Link zu Ressourcen für Menschen, die sich über einen Schwangerschaftsabbruch informieren möchten. Der gemeinnützigen Organisation Mayday Health, die Menschen über medikamentöse Abbrüche und den Zugang dazu aufklärt, wurde ihr Instagram-Konto ohne Vorwarnung vorübergehend gesperrt.

Klare Richtlinien und Rechenschaftspflicht notwendig

Die öffentlich zugänglichen allgemeinen Richtlinien (community guidelines) und Regeln zur Inhaltsmoderation (content moderation policies) von TikTok und Meta (Meta betreibt Facebook und Instagram) informieren die Nutzer*innen nicht angemessen darüber, wie Inhalte mit Bezug zu Schwangerschaftsabbruch moderiert werden. Diesen Richtlinien zufolge erlaubt TikTok „die Erwähnung von Abtreibung in einem medizinischen oder wissenschaftlichen Kontext im Zusammenhang mit Eingriffen, Operationen oder Untersuchungen“ (ohne Hinweis auf andere Arten von Inhalten mit Bezug zu Schwangerschaftsabbruch). Meta erwähnt den Begriff „Abtreibung“ in seinen Standards erst gar nicht.

Amnesty International bat Meta und TikTok um weitere Informationen, woraufhin Meta erklärte, dass es das Recht auf Gesundheit anerkenne und organische Inhalte zulasse, die Nutzer*innen über medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche aufklären. Meta erlaubt auf seinen Plattformen nach eigenen Angaben zudem Inhalte mit Informationen über den legalen Zugang zu Arzneimitteln, verbietet aber „Versuche, Arzneimittel zu kaufen, verkaufen, tauschen, spenden, verschenken oder erbitten“. TikTok gab an, dass es Themen wie reproduktive Gesundheit und Schwangerschaftsabbruch, einschließlich Zugang zu Informationen, weder verbiete noch unterdrücke. Verboten seien allerdings Inhalte, „die medizinische Fehlinformationen enthalten“.

Die Fragen sowie die ausführlichen Antworten der Unternehmen sind im Bericht von Amnesty International nachzulesen.

„Die Antworten der Konzerne stimmen nicht mit dem überein, was augenscheinlich gerade auf ihren Plattformen geschieht“, so Eklund. „Vage Angaben reichen nicht aus. Unternehmen müssen transparente Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Nutzer*innen auf ihren Plattformen Zugang zu Informationen über Schwangerschaftsabbrüche haben und dass Mitglieder der Zivilgesellschaft eine angemessene Erklärung für alle entfernten Inhalte erhalten.“

Meta und TikTok sollten transparenter darlegen, wie Inhalte mit Bezug zu Schwangerschaftsabbruch in ihren Richtlinien geregelt sind. Sie sollten zudem für bessere Transparenz bei der Anwendung von Empfehlungssystemen und Algorithmen zur Inhaltsmoderation sorgen. Darüber hinaus sollten sie aktiv die Schäden ermitteln, verhindern und angehen, die sich aus ihrer Inhaltsmoderation und der potenziellen Unterdrückung von Inhalten ergeben.