„Die FIFA kassiert Milliarden von Dollar an Einnahmen, weigert sich aber, den Familien der getöteten Arbeiter*innen oder den um ihren Lohn betrogenen Arbeitsmigrant*innen auch nur einen Cent zu zahlen,“ sagt Tirana Hassan, geschäftsführende Direktorin von Human Rights Watch.
Irreführende Kommentare zu Entschädigungszahlungen
In den Monaten vor der Eröffnung der Fußball-WM hatte die FIFA in einer Reihe von Erklärungen und Briefings angedeutet, dass sie die Arbeiter*innen entschädige und ein unabhängiges Zentrum für Arbeitsmigrant*innen unterstützen wolle.
Bei der Anhörung des Europarats zu den Arbeitsrechten in Katar am 13. Oktober erklärte der stellvertretende FIFA-Generalsekretär Alasdair Bell, dass „Entschädigung etwas ist, das wir auf jeden Fall vorantreiben wollen“, und dass „es wichtig ist, dafür zu sorgen, dass alle, die durch die Arbeit bei der Weltmeisterschaft verletzt wurden, in irgendeiner Weise entschädigt werden“.
Die FIFA hat auch der Arbeitsgruppe der Union der Europäischen Fußballverbände (UEFA) für die Rechte der Arbeitnehmer in Katar versichert, dass sie „Entschädigungsmechanismen prüft“.
Am Vorabend des Turniers, am 19. November, reagierte FIFA-Präsident Gianni Infantino auf die Forderungen nach Entschädigung der Arbeiter*innen mit der Aussage, dass der Unterstützungs- und Versicherungsfonds für Arbeitnehmer*innen des katarischen Arbeitsministeriums für die Entschädigung sorgen werde. Alle, die glaubten, dass ihnen eine Entschädigung zustünde, sollten sich an die zuständigen Behörden wenden.
Der 2020 eingerichtete Unterstützungs- und Versicherungsfonds für Arbeitnehmer*innen wurde eingesetzt, um Lohndiebstahl zu entschädigen. Der Fonds ist jedoch nicht in der Lage, Entschädigungen in nennenswertem Umfang für Todesfälle, Verletzungen und Lohndiebstahl in den zehn Jahren vor seiner Einrichtung zu leisten.
Die katarischen Behörden haben es versäumt, trotz wiederholter Anfragen von Human Rights Watch und Amnesty International detaillierte Angaben zu den angekündigten 350 Millionen US-Dollar zu machen, die den Arbeitsmigrant*innen wegen Lohndiebstahls erstattet werden sollten. Darüber hinaus haben Untersuchungen gezeigt, dass der Zugang zu den bestehenden Entschädigungsmechanismen voller Hindernisse ist, dass die Zahlungen gedeckelt sind und dass es für die Arbeitnehmer*innen oder ihre Familien fast unmöglich ist, einen Antrag zu stellen, nachdem sie in ihr Heimatland zurückgekehrt sind.
Familien der Verstorbenen haben oft keinen Anspruch auf Entschädigung, da die Behörden die Todesfälle auf „natürliche Ursachen“ oder „Herzstillstand“ zurückführen, ohne die eigentliche Todesursache zu untersuchen. Nach dem katarischen Arbeitsgesetz müssen Arbeitgeber*innen nur bei Todesfällen und Verletzungen, die auf arbeitsbedingte Ursachen zurückzuführen sind, eine Entschädigung zahlen.
Auf der gleichen Pressekonferenz kündigte die FIFA auch die Einrichtung eines Fonds an, der für Bildungsprojekte in Entwicklungsländern verwendet werden soll. Die Höhe des Fonds ist noch nicht bekannt, frühere Legacy-Fonds waren auf 100 Millionen Dollar festgelegt worden. Die Ankündigung enthält jedoch keinen Hinweis darauf, dass der Fonds zur Entschädigung oder zur Unterstützung eines unabhängigen Zentrums für Arbeitsmigrant*innen verwendet werden soll.