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Amtliche Bezeichnung:
Volksrepublik China
Staatsoberhaupt:
Xi Jinping
Regierungschef:
Li Keqiang
Der Amnesty-Bericht Human Rights in Asia-Pacific: A review of 2019 dokumentiert die Menschenrechtslage 2019 in 25 Ländern Asiens und der Pazifikregion. Den gesamten Bericht findest du hier auf Englisch.
Die Menschenrechtslage in China war auch 2019 davon geprägt, dass die Behörden abweichende Meinungen systematisch und massiv unterdrückten. Das Justizwesen war weiterhin durch unfaire Prozesse sowie Folter und andere Misshandlungen in der Haft gekennzeichnet. China stufte Informationen über die massenhafte Anwendung der Todesstrafe nach wie vor als Staatsgeheimnis ein.
In der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang und in den von Tibeter*innen bewohnten Landesteilen war die Repression weiterhin besonders stark und wurde unter dem Vorwand der Bekämpfung von „Separatismus“ oder „Terrorismus“ vorangetrieben. In Xinjiang wurden Uigur*innen, Kasach*innen und andere überwiegend muslimische Bevölkerungsgruppen Opfer weitreichender Überwachung, willkürlicher Inhaftierung und Zwangsindoktrination.
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche (LGBTI) litten unter weit verbreiteter gesellschaftlicher Diskriminierung und Stigmatisierung. Da es an kompetenter ärztlicher Betreuung mangelte, griffen einige von ihnen auf unsachgemäße und gefährliche Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung zurück, die schwere gesundheitliche Risiken beinhalteten. Außerdem waren sie Misshandlungen in Form von „Konversionstherapien“ ausgesetzt.
Die Regierung ging weiterhin gegen Menschenrechtsverteidiger*innen und unabhängige Nichtregierungsorganisationen vor, indem sie diese einschüchterte, schikanierte, strafrechtlich verfolgte und deren Wohnungen und Büros durchsuchen ließ. Familienangehörige von Menschenrechtsverteidiger*innen wurden von der Polizei beschattet, drangsaliert, inhaftiert oder in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
Während sich die Menschenrechtslage 2019 verschlechterte, gab es im Bereich Umweltschutz gewisse Fortschritte zu verzeichnen, da sowohl Fabriken mit hoher Umweltbelastung geschlossen oder modernisiert wurden als auch schärfere Regeln zur Emissionsbeschränkung eingeführt wurden. Nach Daten von Greenpeace Südostasien und Air Visual gehörte Peking 2018 nicht mehr zu den 100 am stärksten verschmutzten Städten der Welt.
Im Februar 2019 betonte Präsident Xi Jinping, die Justiz habe sich der absoluten Führung der Kommunistischen Partei Chinas unterzuordnen. Die Strafverfolgung und das Justizwesen blieben weitgehend unter der Kontrolle der Partei. China legalisierte die willkürliche und geheime Inhaftierung, wie zum Beispiel den „Hausarrest an einem festgelegten Ort“, und ein neues System der außergerichtlichen Inhaftierung (liuzhi). Die Maßnahmen ermöglichten eine längere Haftdauer ohne Kontakt zur Außenwelt und erhöhten für die Inhaftierten das Risiko, Folter und andere Misshandlungen zu erleiden sowie zu „Geständnissen“ gezwungen zu werden. Die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zur Frage des Verschwindenlassens von Personen bemühte sich allein für den Zeitraum von Februar bis Mai 2019 um Informationen zu mehr als 20 neuen Fällen des Verschwindenlassens in China. Eine neue Verordnung, die im Februar in Kraft trat, weitete die Befugnisse der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden dahingehend aus, dass Polizist*innen von der rechtlichen Verantwortung für Schäden entbunden wurden, die sie bei der Ausübung ihrer Dienstpflicht dem Eigentum oder den Interessen von Personen oder Organisationen zufügten.
Die Regierung schränkte die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit 2019 weiter ein. Sämtliche Medien unterlagen einer strikten staatlichen Zensur – von Druckerzeugnissen bis hin zu Computerspielen. Unterstützt durch private Technologie- und Internetfirmen nutzten die Behörden Software zur Gesichtserkennung, diverse Registrierungssysteme mit Klarnamenzwang sowie andere große Datenquellen zur flächendeckenden Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung. Ein Entwurf für eine Verordnung zu Chinas Sozialkreditsystem vom Juli 2019 sah vor, Bürger*innen für die Verbreitung von Informationen zu bestrafen, die „sittenwidrig“ sind oder „negative gesellschaftliche Auswirkungen“ haben. Im Januar berichteten chinesische Twitter-Nutzer*innen, sie seien ermahnt, bedroht oder festgenommen worden, weil sie die Plattform genutzt hatten, die in China offiziell verboten ist. Das Land weitete zudem die Kontrolle des Internets über seine „Große Firewall“ hinaus aus, indem es missliebige Server, Webseiten und Messenger-Dienste im Ausland massiv angriff, sowohl durch Schadsoftware als auch durch künstlich herbeigeführte Überlastungen, die Systeme zusammenbrechen lassen.
Peking verstärkte den Druck auf Christ*innen und Muslim*innen und setzte seine Politik der „Sinisierung der Religion“ fort, die Ministerpräsident Li Keqiang auf dem Nationalen Volkskongress im März 2019 bekräftigte. Auf Anweisung der Regierung wurden viele buddhistische und taoistische Tempel und Statuen sowie zahlreiche Moscheen und Kirchen beschädigt oder zerstört. Geistliche, die von der Kommunistischen Partei nicht anerkannt wurden, kamen wegen „Gefährdung der Staatssicherheit“ in Haft. Am 30. Dezember 2019 wurde Pastor Wang Yi von der Early Rain Covenant Church wegen „illegaler Geschäftstätigkeit“ und „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsmacht“ zu neun Jahren Haft verurteilt.
Berichte über die Inhaftierung von Uigur*innen, Kasach*innen und Angehörige weiterer überwiegend muslimischer Bevölkerungsgruppen in Internierungslagern in Xinjiang rissen 2019 nicht ab, obwohl die Regierung behauptete, sie werde die angeblichen „Berufsbildungseinrichtungen", bzw. „Einrichtungen zur Umformung durch Erziehung" nach und nach schließen. Seitdem Anfang 2017 in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang eine „Verordnung zur Entradikalisierung“ erlassen worden war, waren Schätzungen zufolge bis zu eine Million Uigur*innen, Kasach*innen und Angehörige anderer ethnischer Minderheiten in die Internierungslager gebracht worden. Viele Geistliche, Intellektuelle und Wissenschaftler*innen wurden allein deshalb inhaftiert, weil sie von ihren Rechten auf Religions- und Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht hatten. So verbüßte der uigurische Professor für Wirtschaftswissenschaften und Publizist Ilham Tohti eine lebenslange Freiheitsstrafe, zu der er 2014 wegen „Separatismus“ verurteilt worden war. Gegen den früheren Rektor der Universität Xinjiang, Tashpolat Tiyip, war 2017 ein Todesurteil mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub verhängt worden, ebenfalls wegen „Separatismus“-Vorwürfen.
Im März 2019 erklärte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, ihr Büro habe sich an die chinesische Regierung gewandt und darum gebeten, „vollständigen Zugang zu erhalten, um die anhaltenden Berichte, die auf weit ein verbreitetes Muster des Verschwindenlassens und der willkürlichen Inhaftierung, insbesondere in Xinjiang, hindeuten, unabhängig untersuchen zu können".
Im Juli gaben 25 Länder vor dem UN-Menschenrechtsrat eine gemeinsame Erklärung zu Xinjiang ab. Im September veröffentlichte Amnesty International gemeinsam mit vier weiteren Menschenrechtsorganisationen ein Schreiben an den UN-Generalsekretär, in dem die Vereinten Nationen nachdrücklich aufgefordert wurden, den Druck auf China zu erhöhen, um ein Ende der massenhaften Inhaftierungen in Xinjiang zu erreichen.
Im November 2019 veröffentlichten die New York Times und das International Consortium of Investigative Journalists geheime Dokumente der chinesischen Regierung und der Kommunistischen Partei, die ihnen zugespielt worden waren. Darin werden die massiven Repressionen in Xinjiang und die Regularien für die Einrichtungen ausführlich beschrieben, in denen Hunderttausende Angehörige überwiegend muslimischer ethnischer Gruppen einer Gehirnwäsche und anderen Misshandlungen unterzogen werden. Die Schilderungen in diesen Dokumenten deckten sich mit den Aussagen, die Amnesty International von ehemaligen Häftlingen oder von im Ausland lebenden Personen erhalten hat, deren Familienangehörige in Lagern in Xinjiang interniert sind oder vermisst werden. Die Dokumente widerlegten auch die Behauptungen der chinesischen Regierung, wonach es sich lediglich um „Berufsbildungseinrichtungen“ handele.
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche wurden nach wie vor in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule und im öffentlichen Raum diskriminiert. Die Behörden gaben an, alle Empfehlungen zur sexuellen Orientierung, zur Geschlechtsidentität und zum Ausdruck der Geschlechtlichkeit umgesetzt zu haben, die China am Ende der zum dritten Mal erfolgten Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat 2018 akzeptiert hatte. Zwei Empfehlungen betrafen ein Diskriminierungsverbot in der Gesetzgebung. Es gab 2019 jedoch kein Gesetz, das LGBTI ausdrücklich vor Diskriminierung schützte.
Nachdem der Kurznachrichtendienst Sina Weibo, der zu den beliebtesten sozialen Medien in China zählt, 2018 angeblich versucht hatte, schwule Inhalte zu entfernen, wurden im April 2019 Beiträge zu lesbischen Themen gelöscht. Aktivist*innen befürchteten, dass sich die Internetzensur von Inhalten, die sich auf LGBTI bezogen, verschärfen könnte.
Nach einer Internetkampagne, die für eine rechtliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe warb, räumte Yue Zhongming, der Sprecher des Rechtsausschusses des Nationalen Volkskongresses, ein, die öffentliche Meinung unterstütze die Aufnahme der gleichgeschlechtlichen Ehe in das Zivilgesetzbuch. Bisher werden gleichgeschlechtlichen Paaren aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gleiche Rechte bezüglich Partnerschaft verwehrt.
Transgeschlechtliche Menschen wurden als „psychisch krank“ eingestuft, und für geschlechtsangleichende Operationen war die Zustimmung ihrer Familie erforderlich. Zudem gab es weitere Bedingungen, die den Zugang zu solchen Behandlungen erschwerten, so durfte die betreffende Person zum Beispiel weder verheiratet noch vorbestraft sein. Die weit verbreitete Diskriminierung und Stigmatisierung, restriktive Auflagen und fehlende Informationen führten dazu, dass transgeschlechtliche Menschen auf unsachgemäße und gefährliche Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung zurückgriffen.
Transgeschlechtliche Personen berichteten Amnesty International, dass sie keine medizinische Beratung oder Entscheidungshilfe bezüglich geschlechtsangleichender Behandlungen erhalten hatten, als sie mit einer Hormontherapie begannen. Sie hätten sich über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten vielmehr bei Freund*innen oder im Internet informiert.
Transgeschlechtliche Menschen, denen es ein dringendes Anliegen war, ihren Körper mit ihrer Geschlechtsidentität in Einklang zu bringen, berichteten Amnesty International, dass sie kaum eine andere Wahl hätten, als sich – trotz aller Risiken – Hormonpräparate auf dem Schwarzmarkt zu besorgen, da es keine leicht zugänglichen und verlässlichen Gesundheitsinformationen gebe. Einige versuchten sogar, Operationen an sich selbst vorzunehmen, da sie davon ausgingen, dass geschlechtsangleichende Behandlungen in einem Krankenhaus nicht möglich seien.
Amnesty International erhielt außerdem Berichte von LGBTI, die von ihren Familien zu „Konversionstherapien“ gezwungen wurden, die angeblich eine Änderung der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder des Ausdrucks von Geschlechtlichkeit bewirkten, da es sich dabei um behandlungsbedürftige psychische Störungen handle. Trotz eines wegweisenden Urteils aus dem Jahr 2014, wonach Homosexualität keine Krankheit sei und keine Behandlung erfordere, hatte die Regierung bislang keine Maßnahmen ergriffen, um „Konversionstherapien“ zu verbieten.
Für Menschenrechtsverteidiger*innen schrumpften die Spielräume, die sie benötigten, um frei ihrer Arbeit nachgehen zu können, 2019 noch stärker. Sie wurden von den Behörden systematisch überwacht, schikaniert, eingeschüchtert, inhaftiert und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Viele politisch engagierte Bürger*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen wurden nach wie vor auf Grundlage vager und viel zu weit gefasster Anklagen wie „Untergrabung der staatlichen Ordnung“, „Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung“ oder „Streitsucht und Unruhestiftung“ strafrechtlich verfolgt. Viele wurden unter dem Verdacht, sie seien an Straftraten in Bezug auf die Staatssicherheit beteiligt, in „Hausarrest an einem festgelegten Ort“ gehalten. Diese Form der Inhaftierung macht es der Polizei möglich, Personen, die solcher Straftaten verdächtigt werden, bis zu sechs Monate lang an einem geheimen Ort außerhalb des offiziellen Strafvollzugs und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand und zu Familienangehörigen festzuhalten.
Die Behörden gingen 2019 weiterhin mit großer Härte gegen abweichende und unabhängige Stimmen vor. Von dem prominenten Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng fehlte weiterhin jede Spur. Er war im August 2017 erneut gewaltsam verschleppt worden, nachdem er seine Erfahrungen mit Verschwindenlassen, Folter und anderen Misshandlungen sowie illegalem Hausarrest in einem Buch veröffentlicht hatte. Im Februar 2019 wurde der Pekinger Menschenrechtsanwalt Yu Wensheng der „Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung“ und der „Behinderung von Amtsträgern bei der Erfüllung ihrer Dienstpflichten“ angeklagt, nachdem er einen offenen Brief in Umlauf gebracht hatte, in dem fünf Änderungen der Verfassung gefordert wurden. Gegen Chen Jianfang, die sich für bürgerliche und politische Rechte einsetzte, wurde im Juni 2019 Anklage wegen „Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung“ erhoben. Der engagierte Bürger Chen Bing erhielt am 4. April eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Er und drei weitere Personen waren wegen „Streitsucht und Unruhestiftung“ schuldig gesprochen worden, weil sie 2016 an den 27. Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens erinnert hatten.
Bürgerjournalist*innen und Mitarbeiter*innen von Nichtregierungsorganisationen, die über Menschenrechtsverletzungen berichteten, waren staatlichen Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt. Anfang 2019 wurden Wei Zhili, Ke Changbing und Yang Zhengjun, die Herausgeber einer Webseite zu Arbeitnehmerrechten in Guangzhou (Kanton), in Haft genommen. Huang Qi, der Mitbegründer der Webseite 64tianwang.com, die über Proteste in China berichtete und diese dokumentierte, wurde wegen „Preisgabe von Staatsgeheimnissen“ und „Weitergabe von Staatsgeheimnissen an ausländische Stellen“ zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Liu Feiyue, der Gründer der Menschenrechtswebseite Civil Rights and Livelihood Watch, der Ende 2016 inhaftiert worden war, wurde am 29. Januar 2019 wegen „Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung“ zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Cheng Yuan, Liu Yongze und Wu Gejianxiong, drei Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation, die sich gegen Diskriminierung wendet, wurden seit dem 22. Juli wegen des Verdachts der „Untergrabung der staatlichen Ordnung“ ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Die Behörden warfen erstmals einer ausländischen Nichtregierungsorganisation (Asia Catalyst) öffentlich vor, gegen das Gesetz zur Regulierung ausländischer Nichtregierungsorganisationen verstoßen zu haben.
Familienangehörige von Menschenrechtsverteidiger*innen wurden ebenfalls von der Polizei beschattet, schikaniert und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Li Wenzu, die Frau des inhaftierten Menschenrechtsanwalts Wang Quanzhang, berichtete, sie habe lange Zeit keine Wohnung finden können, weil die Polizei die Vermieter unter Druck gesetzt habe, keinen Mietvertrag mit ihr abzuschließen. Ihr sechsjähriger Sohn Quanquan konnte nicht zur Schule gehen, weil die Schulverwaltung von der Polizei Drohungen erhielt.