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Veröffentlicht am 27.2.2020, zuletzt aktualisiert am 25.6.2024
Julian Assanges Fall macht seit mehr als einem Jahrzehnt Schlagzeilen. In 9 Fragen und Antworten frischen wir deine Erinnerung zu den Ereignissen wieder auf und erklären, was der Fall mit Menschenrechten zu tun hat.
Was ist Wikilleaks und was hat es mit Julian Assange zu tun?
Warum wollen die USA die Auslieferung von Julian Assange?
Warum ist eine Auslieferung von Julian Assange nicht zulässig?
Warum war Julian Assange in der Botschaft ECuadors?
Warum und wie wurde Julian Assange 2019 verhaftet?
Warum war Julian Assange nach dem Urteil von Jänner 2021 weiterhin in Haft?
Warum wertet Amnesty International DIE Verfolgung Assanges als Angriff auf die Meinungsfreiheit?
Julian Assange ist ein ehemaliger Computerhacker und Aktivist. Er gründete 2006 die Online-Plattform WikiLeaks.
Nach eigenen Angaben ist WikiLeaks eine multinationale Medienorganisation, spezialisiert auf die Analyse und Veröffentlichung großer Datensätze zensierter oder anderweitig eingeschränkter offizieller Materialien, die Krieg, Spionage und Korruption beinhalten. Julian Assange als ihr Gründer sorgte mit WikiLeaks 2007 erstmals für internationale Schlagzeilen, als er ein Handbuch der US-Armee aus dem Jahr 2003 über "Standardbetriebsverfahren" für ein Gefängnis in Guantanamo Bay, Kuba, veröffentlichte. Das Handbuch enthüllte umstrittene Methoden, wie z.B., dass Gefangene zwei Wochen lang in Isolation gehalten wurden, um sie gefügiger gegenüber Verhörbeamt*innen zu machen. WikiLeaks sorgte 2010 erneut für Schlagzeilen, als große Datensätze von geheimen US-Dokumenten zum Afghanistan- und Irak-Krieg auf der Plattform veröffentlicht wurden.
Julian Assange wurde in 18 Punkten angeklagt. 17 davon fallen unter ein Gesetz gegen Spionage.
Laut internationaler Menschenrechtsnormen und -standards dürfen Menschen nicht an ein Land ausgeliefert werden, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Sollte Julian Assange von Großbritannien an die USA ausgeliefert oder sonstwie in die USA verbracht werden, so würde Großbritannien damit gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen verstoßen.
Im August 2010 reichte die schwedische Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen Assange wegen Sexualverbrechen ein, nachdem zwei getrennte Anschuldigungen – Vergewaltigung und sexuelle Belästigung – aufgetaucht waren.
Ein britisches Gericht entschied im Februar 2011, dass Assange zur Befragung an Schweden ausgeliefert werden sollte. Seine Anwälte legten gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung ein, aber die Entscheidung über seine Auslieferung wurde vom Obersten Gerichtshof im November 2011 und vom Obersten Gerichtshof im Mai 2012 bestätigt.
Assange beantragte daraufhin bei der ecuadorianischen Botschaft in London politisches Asyl, weil er befürchtete, dass seine Rechte im Falle einer Auslieferung verletzt werden könnten. Im August 2012 wurde Assange politisches Asyl in Ecuador gewährt.
Botschaftsgebäude sind exterritoriales Gelände und gehören damit nicht zum Hoheitsgebiet des Landes, in dem sie stehen. Damit konnte Julian Assange nicht von der britischen Polizei in der Botschaft verhaftet werden. Er hätte nur verhaftet werden können, wenn er das Gebäude verlassen hätte. Seit 2012 bis zu seiner Verhaftung im April 2019 blieb er deshalb in der ecuadorianischen Botschaft.
Assanges Lage wurde schwieriger als 2017 ein neuer ecuadorianischer Präsident gewählt wurde. Rafael Correa, der ihm Asyl gewährt und ihm seine bedingungslose Unterstützung gewährt hatte, wurde abgewählt und ins Amt kam Lenin Moreno. Die Beziehungen zwischen Assange und Ecuador wurden seitdem zunehmend angespannter. Ecuador schränkte immer wieder Assanges Internetverbindung ein, um ihn daran zu hindern, sich in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.
Die Situation um Julian Assange gipfelte schließlich in einer Video-Ansprache des ecuadorianischen Präsidenten Moreno, in der er erklärte, das politische Asyl, das Equador Julian Assange gewährte, zu beenden. "Ecuador hat souverän beschlossen, das diplomatische Asyl, das Herrn Assange 2012 gewährt wurde, zu beenden", sagte Moreno. Unmittelbar nach dieser Erklärung betrat die Londoner Polizei die Botschaft, nachdem der Botschafter der Polizei den Zugriff gewährte, und nahm Julian Assange fest. Er wurde festgenommen, weil er 2012 gegen seine Kautionsauflagen verstoßen hatte.
Ein Londoner Gericht entschied am 4. Jänner 2021, dass eine Auslieferung Julian Assanges an die USA rechtswidrig wäre und erkannte an, dass er aufgrund seines Gesundheitszustands im US-Gefängnissystem Gefahr laufen würde, misshandelt zu werden. Die Richterin verwies auf die schlechte psychische Verfassung von Assange sowie auf die Gefahr für seine Gesundheit durch die in Großbritannien besonders schlimm grassierende COVID-19-Pandemie.
Am 6. Jänner folgte die Entscheidung, Julian Assange nicht gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen. Anstatt endlich zu seiner Familie zurückkehren und nach zehn Jahren wieder in seinem eigenen Bett schlafen zu können, wurde Julian Assange nun in seine Einzelzelle in einem Hochsicherheitsgefängnis zurückgebracht.
Amnesty International betrachtete Assanges fortgesetzte Inhaftierung als willkürlich.„Die Entscheidung, den Kautionsantrag von Julian Assange abzulehnen, bedeutet, dass seine fortgesetzte Inhaftierung willkürlich ist. Hinzu kommt, dass er seit über einem Jahr unter härtesten Bedingungen im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh festgehalten wird“, so Nils Muižnieks, Direktor für Europa bei Amnesty International. „Die US-Regierung tut so, als läge es in ihrer Zuständigkeit, überall auf der Welt Menschen zu verfolgen, die Informationen über das Fehlverhalten der Regierung erhalten oder verbreiten. Die Entscheidung soll offenbar zeigen, dass die britische Justiz dieser Haltung nicht im Wege stehen will”, so Nils Muižnieks weiter.
Julian Assanges Veröffentlichung interner US-Regierungsdokumente auf Wikileaks darf nicht bestraft werden. Das ist investigativer Journalismus. Eine strafrechtliche Verfolgung von Julian Assange könnte andere Journalist*innen abschrecken, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrzunehmen.
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Die US-Regierung verfolgt Julian Assange aufgrund der Veröffentlichung von Dokumenten, in denen mögliche Kriegsverbrechen des US-Militärs dokumentiert sind. Dies ist nichts weniger als ein Angriff auf die Meinungsfreiheit.
Heinz Patzelt, ehemaliger Generalsekretär von Amnesty International Österreich
Julian Assanges Geschichte von der Gründung von Wikileaks bis zu Botschaftsasyl, Haft und der Auslieferungsanhörung in London.
WikiLeaks wird von Assange gegründet.
WikiLeaks veröffentlicht das Verfahrenshandbuch für Camp Delta, das US-Gefangenenlager in Guantanamo Bay.
Am 5. April 2010 veröffentlicht WikiLeaks ein Video, das einen US-Militärhubschrauber zeigt, der 2007 zwei Journalisten und mehrere irakische Zivilisten beschoss und tötete. Von Juli bis Oktober veröffentlicht die Enthüllungsplattform Wikileaks rund 470.000 als geheim eingestufte Dokumente, die mit diplomatischen Aktivitäten der USA und mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu tun haben. Weitere 250.000 Dokumente kommen später hinzu.
Im November erwirkt die schwedische Staatsanwaltschaft einen internationalen Haftbefehl gegen Assange. Ihm werden Vergewaltigung und sexuelle Gewalt gegen zwei Frauen vorgeworfen. Assange weist die Anschuldigungen zurück und stellt sich kurz darauf der Polizei in London. Bis zur Entscheidung über einen Auslieferungsantrag Schwedens kommt er gegen Kaution auf freien Fuss.
Im Februar gibt ein britisches Gericht dem schwedischen Auslieferungsantrag statt. Assange äußert sich besorgt: Er fürchtet, dass Schweden ihn an die USA ausliefern könnte, wo ihm wegen der geleakten Dokumente ein Prozess und womöglich sogar die Todesstrafe droht. Im April beginnt WikiLeaks mit der Veröffentlichung von geheimen Militärdokumenten, die Einzelheiten über die Behandlung von Gefangenen im Gefangenenlager der US-Marine in Guantanamo Bay enthalten.
Der britische Oberste Gerichtshof lehnt im Mai Assanges Berufung gegen die Auslieferung an Schweden ab, gewährt ihm aber zwei Wochen, um eine Berufung einzureichen. Julian Assange flieht im Juni in die Botschaft Ecuadors in London und beantragt erfolgreich politisches Asyl. Ecuador bittet die britische Regierung vergeblich um die Erlaubnis, Assange nach Quito auszufliegen.
Schwedische Ermittler scheitern mit ihrem Anliegen, Assange in der Londoner Botschaft zu vernehmen. Eine Expertengruppe des UN-Menschenrechtsrates kommt zu dem Schluss, dass Assange im Botschaftsgebäude „willkürlich inhaftiert“ sei. Beide Länder weisen die nicht bindende Entscheidung zurück.
Im Juli mitten im US-Präsidentschaftswahlkampf veröffentlicht Wikileaks rund 20.000 E-Mails aus dem Parteiapparat der Demokraten. Sie stammen aus dem Wahlkampfteam der Kandidatin und früheren Außenministerin Hillary Clinton. Wahlbeobachter*innen vermuten, dass die Veröffentlichung dieser Emails wahrscheinlich den Wahlausgang zugunsten von Donald Trump beeinflussten.
Nach der Begnadigung von Chelsea Manning, einer Hauptquelle von Wikileaks,
erklärt Wikileaks, Assange könne sich Ermittlungen in den USA stellen, wenn seine Rechte garantiert würden. Unterdessen stellt die Staatsanwaltschaft in Schweden die Ermittlungen gegen Assange ein. Die britische Polizei will ihn allerdings weiterhin festnehmen, weil er seine Kautionsauflagen verletzt hat. Assange bekommt die ecuadorianische Staatsangehörigkeit, allerdings scheitert die Regierung in Quito mit ihrem Anliegen, bei den britischen Behörden Diplomatenstatus für Assange anzumelden. Das hätte ihm ermöglicht, das Botschaftsgebäude zu verlassen, ohne festgenommen zu werden.
Ecuador erklärt, es sei auf der Suche nach einem Vermittler, um Assanges „unhaltbare“ Situation zu beenden. Ein Antrag, den Haftbefehl aus gesundheitlichen Gründen zurückzuziehen, scheitert. Im März kappt das Botschaftspersonal Assanges Kommunikationszugänge, weil er sich in die Angelegenheiten anderer Länder eingemischt habe. Ein Wikileaks-Anwalt beschreibt Assanges Lebensumstände als «unmenschlich». Im Oktober erlegt Ecuador Assange neue Verhaltensregeln auf und warnt, eine Verletzung der Vorgaben könne zum Entzug des Asyls führen. Unterdessen taucht in den USA ein Dokument auf, wonach gegen Assange offenbar heimlich Anklage erhoben wurde.
Ecuadors Präsident Lenin Moreno erklärt, Assange habe die Auflagen für sein Botschaftsasyl „wiederholt verletzt“. Am 11. April nimmt die britische Polizei Assange fest, nachdem ihm das Asyl entzogen worden war.
Am 24. Februar 2020 startet die Auslieferungsanhörung Assanges in London. Amnesty beobachtet die Anhörung zur Auslieferung von Julian Assange genau.
Am 4. Jänner kommt eine Richterin in London zu dem Schluss, dass Julian Assanges Auslieferung rechtswidrig wäre. Sie verweist auf die schlechte psychische Verfassung von Assange sowie auf die Gefahr für seine Gesundheit durch die in Großbritannien besonders schlimm grassierende COVID-19-Pandemie.
Amnesty International begrüßt die Tatsache, dass Julian Assange nicht in die USA ausgeliefert wird und dass das Gericht anerkennt, dass er aufgrund seines Gesundheitszustands im US-Gefängnissystem Gefahr laufen würde, misshandelt zu werden. Doch die Anklagen gegen ihn hätten erst gar nicht erhoben werden dürfen. Die Vorwürfe waren politisch motiviert und die britische Regierung hätte die US-Regierung nicht so bereitwillig bei der unerbittlichen Verfolgung von Assange unterstützen dürfen.
Am 6. Jänner entscheidet das zuständige Gericht, Julian Assange nicht gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen. Assange wird in seine Einzelzelle in einem Hochsicherheitsgefängnis zurückgebracht.
Im Dezember 2021 entschied der Londoner High Court, dass Julian Assange ausgeliefert werden könne. Dies geschah auf Grundlage vorgebrachter Zusagen der US-Behörden für Assanges Schutz im Gefängnis, wenn er ausgeliefert werden würde. Die USA hatten schriftlich versichert, dass Assange nicht in einem Hochsicherheitsgefängnis untergebracht oder Sondermaßnahmen („Special Administrative Measures“) unterworfen werden würde. Dazu gehört auch die verlängerte Einzelhaft, welche nach dem Völkerrecht als Folter gelten kann. Außerdem versicherten sie, dass er angemessene medizinische Versorgung erhalten würde. Doch die USA haben in den schriftlichen Versicherungen einen Vorbehalt eingefügt: Sollte Assange in Zukunft irgendetwas tun, das erfordern würde, ihn doch Sondermaßnahmen zu unterwerfen oder ihn in ein Hochsicherheitsgefängnis zu verlegen, behielten sie sich das Recht vor, dies zu tun.
Der Londoner High Court hat entschieden, eine der von Assange aufgeworfenen Rechtsfragen als „von allgemeinem öffentlichen Interesse“ zu bewerten. Amnesty International begrüßt die Entscheidung des Londoner High Court, einen Aspekt der Zusicherungen der USA als von ‚allgemeinem öffentlichen Interesse‘ zu bewerten. Das gibt dem Obersten Gerichtshof die Möglichkeit, die Berufung zuzulassen.
Gleichzeitig ist es besorgniserregend, dass der High Court sich seiner Verantwortung entzogen hat, dass Angelegenheiten von öffentlichem Interesse umfassend von der Justiz geprüft werden. Die Gerichte müssen sicherstellen, dass niemand dem Risiko von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt wird. Dies war der Kern zweier weiterer Rechtsfragen, deren mögliche Prüfung durch den Obersten Gerichtshof der High Court mit seiner Entscheidung verhindert hat.
Im Dezember 2021 hatte der Londoner High Court grünes Licht für eine Auslieferung von Julian Assange in die USA gegeben, woraufhin dessen Rechtsbeistände angekündigt hatten, Rechtsmittel einzulegen. Am 15. März 2022 lehnte der Oberste Gerichtshof diese Rechtsmittel ab.
Im Juni 2022 hat die britische Innenministerin Priti Patel die Auslieferung von Julian Assange an die USA genehmigt. Die Auslieferung von Julian Assange an die USA zuzulassen, setzt ihn einer großen Gefahr aus und sendet ein abschreckendes Signal an Journalist*innen in aller Welt. Amnesty International fordert die britischen Entscheidungsträger*innen auf, Julian Assange nicht auszuliefern.
Ein Londoner Gericht hat Julian Assanges Auslieferung von Großbritannien an die USA im März 2024 vorläufig gestoppt und dem Wikileaks-Gründer die Möglichkeit zur Berufung eröffnet. "Anstatt dieses langwierige Gerichtsverfahren fortzusetzen, sollten die USA alle Anklagen gegen Assange fallen lassen", so Simon Crowther, Legal Adviser bei Amnesty International.
Am 11. April 2024 jährte sich die Verhaftung von Julian Assange bereits zum fünften Mal. Seit seiner Verhaftung wird er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London festgehalten und kämpft von dort aus gegen das Auslieferungsersuchen der US-Behörden.
Während der Kampf vor den britischen Gerichten weitergeht, fordert Amnesty International die USA erneut auf, dieser schändlichen Geschichte endlich ein Ende zu setzen, indem sie alle Anklagen gegen Assange fallen lassen. Damit würde der Prozess in Großbritannien sofort eingestellt und Julian Assange wäre frei.
Am Montag, 24. Juni 2024, hat Julian Assange das Gefängnis in London verlassen! Laut Medienberichten soll Assange vor einem US-Gericht auf der Pazifikinsel Saipan erscheinen. Ein Deal mit den US-Behörden soll dafür sorgen, dass er danach ohne weitere strafrechtliche Verfolgung in seine Heimat in Australien zurückkehren darf.