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In Ägypten werden Menschen, die vor dem Konflikt aus dem Sudan fliehen, in hohen Zahlen willkürlich festgenommen und rechtswidrig abgeschoben. Die Festgenommenen werden bis zu sechs Wochen unter grausamen und unmenschlichen Bedingungen festgehalten, bevor sie in den Sudan abgeschoben werden, obwohl dort ein Konflikt tobt. Die Betroffenen haben weder die Chance auf ein ordnungsgemäßes Verfahren mit einer individuellen Risikobewertung noch die Möglichkeit, Asyl zu beantragen. Laut Schätzungen des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) waren allein im September 2023 rund 3.000 Menschen betroffen. Zehntausenden sudanesischen Staatsangehörigen droht weiterhin die Abschiebung.
Die willkürlichen Festnahmen, Inhaftierungen und Abschiebungen sudanesischer Staatsangehöriger in Ägypten, allein aufgrund ihres Migrationsstatus, geben Anlass zu großer Sorge. Diese rechtswidrigen Abschiebungen erfolgen ohne individuelle Risikobewertung oder die Möglichkeit, Asyl zu beantragen. Weiteren Zehntausenden sudanesischen Flüchtlingen ohne Papiere – einschließlich derer, die auf einen Termin bei der UN-Menschenrechtskommission (UNCHR) warten – droht die Abschiebung in den Sudan, wo seit April 2023 ein bewaffneter Konflikt tobt.
Seit September 2023 führen ägyptische Polizei- und Grenzschutzeinheiten Massenfestnahmen von sudanesischen Flüchtlingen durch. Das UNHCR berichtet, dass allein in diesem Monat mindestens 3.000 Menschen abgeschoben wurden. Die Massenfestnahmen fanden bisher vor allem im Großraum Kairo und in den Grenzgebieten des Gouvernements Assuan statt. In Kairo und Gizeh geht die Polizei gezielt und in Zivil mit Personenkontrollen gegen Schwarze Menschen vor, was Furcht unter Geflüchteten auslöst und viele dazu bringt, ihre Häuser nicht mehr zu verlassen. Diejenigen, die ohne gültige Ausweispapiere oder Aufenthaltsgenehmigungen angetroffen werden, werden festgenommen. Auch im Gouvernement Assuan sind sudanesische Geflüchtete gefährdet: beim Einsteigen in Busse, während der Busfahrt, auf den Straßen der Stadt Assuan, in den Außenbezirken, in abgelegenen Gebieten an der Grenze zum Sudan oder in öffentlichen Krankenhäusern bei der Behandlung von Verletzungen, die sie sich auf der Flucht zugezogen haben – überall droht ihnen die Festnahme. Die Geflüchteten werden anschließend auf Polizeiwachen, in Lagern der Bereitschaftspolizei oder in anderen behelfsmäßigen Hafteinrichtungen wie Lagerhäusern und Ställen von Militäranlagen für einen Zeitraum von einigen Tagen bis zu sechs Wochen festgehalten, bevor sie abgeschoben werden. Die Bedingungen in diesen Haftanstalten sind grausam und unmenschlich: Es herrscht Überbelegung, es fehlt an Zugang zu Toiletten und sanitären Einrichtungen, die Ernährung ist minderwertig und unzureichend, und Inhaftierte werden nicht angemessen medizinisch versorgt.
Der Welle von Massenfestnahmen und -abschiebungen ging ein Erlass des Premierministers vom 29. August 2023 voraus, der von ausländischen Staatsangehörigen in Ägypten verlangt, mit Hilfe von ägyptischen "Sponsor*innen" und der Bezahlung von Gebühren ihren Status zu regeln. Gleichzeitig nahmen rassistische Äußerungen sowohl im Internet als auch in den Medien zu, und Regierungsvertreter*innen kritisierten immer offener die wirtschaftliche "Belastung" durch die Aufnahme von Geflüchteten.
Die ägyptische Regierung gab dem UNHCR gegenüber an, dass seit Ausbruch des Konflikts im Sudan im April 2023 bis 14. März 2024 etwa 500.000 sudanesische Staatsangehörige nach Ägypten eingereist seien, etwa die Hälfte von ihnen ist ohne Aufenthaltspapiere. Im Mai 2023 forderte das UNHCR die Staatengemeinschaft auf, die Rückführung von Staatsangehörigen und Staatenlosen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sudan hatten, auszusetzen und Zivilpersonen, die aus dem Sudan fliehen, Zugang zu ihren Gebieten zu gewähren – auch denjenigen, die keinen Pass oder andere Ausweispapiere besitzen. Doch im selben Monat begannen die ägyptischen Behörden, die Einreise von sudanesischen Staatsangehörigen zusätzlich zu erschweren. Sie führten eine Visumspflicht für alle sudanesischen Staatsangehörigen ein. Darüber hinaus haben die Behörden die frühere Praxis, sudanesischen Staatsangehörigen auch mit abgelaufenen Pässen oder vorläufigen Reisedokumenten die Einreise zu gestatten, eingestellt. Für Jungen und Männer im Alter zwischen 16 und 50 Jahren, die über den internationalen Flughafen Kairo nach Ägypten einreisen, wurden zusätzliche Sicherheitsprüfungen eingeführt. Angesichts dieser Maßnahmen sind Flüchtende zunehmend gezwungen, die Grenze ohne Einreisegenehmigung zu übertreten.
Seit Beginn des Konflikts im Sudan haben die ägyptischen Behörden weder Statistiken vorgelegt noch öffentlich zugegeben, dass sie eine Abschiebestrategie verfolgen. Deswegen ist die genaue Zahl der seitdem in Ägypten festgenommenen und abgeschobenen sudanesischen Staatsangehörigen nicht bekannt. Zwischen April und September 2023 verzeichnete das UNHCR über 5.000 Abschiebungen aus Ägypten in den Sudan auf der Grundlage von abgelaufenen Ausweispapieren und/oder eines fehlenden Aufenthaltsstatus. Im November 2023 wurden Berichten zufolge etwa 1.600 Sudanes*innen aus Ägypten abgeschoben, darunter auch registrierte Flüchtlinge.
Amnesty International dokumentiert in dem aktuellen englischsprachigen Bericht "Handcuffed like dangerous criminals": Arbitrary detention and forced returns of Sudanese refugees in Egypt detailliert, wie 27 sudanesische Geflüchtete zwischen Oktober 2023 und März 2024 zusammen mit etwa 260 weiteren Personen von den ägyptischen Grenzschutztruppen, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sowie von der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, willkürlich festgehalten wurden. Von den 27 wurden 26 abgeschoben. Darüber hinaus zeigt der Bericht, wie die Behörden zwischen Januar und März 2024 mindestens 800 sudanesische Gefangene abschoben, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, Asyl zu beantragen oder die Ausweisung anzufechten.
Ägypten unterzeichnete das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951, das Übereinkommen zur Regelung der spezifischen Aspekte der Flüchtlingsprobleme in Afrika der Organisation für Afrikanische Einheit von 1969 und ist an den Grundsatz der Nichtzurückweisung gebunden (Non-Refoulement-Prinzip). Das Verbot der Zurückweisung untersagt die Verbringung von Personen in Länder, in denen ihnen Verfolgung oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen würden. Abschiebungen ohne ordnungsgemäßes Verfahren verstoßen gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung.
Das Evidence Lab von Amnesty International hat Fotos und verifizierte Videos von Januar 2024 gesichtet, in denen Frauen und Kinder zu sehen sind, die in einem von ägyptischen Grenzschützer*innen kontrollierten Lagerhaus auf schmutzigen und mit Müll übersäten Böden sitzen. Neben diesem Lagerhaus in einer Militäranlage in Abu Simbel untersuchten die Amnesty-Expert*innen die Situation in einer anderen Militäranlage in der Nähe von Wadi Al Karur, beide im Gouvernement Assuan. Ehemalige Inhaftierte berichteten, dass in den Lagerhäusern Ratten- und Taubenbefall herrschte und die Menschen dort kalte Nächte ohne angemessene Kleidung und Decken durchstehen mussten. Die Männerlager waren mit jeweils mehr als 100 gemeinsam untergebrachten Männern überfüllt, und die Inhaftierten hatten nur begrenzten Zugang zu verstopften Toiletten, sodass sie gezwungen waren, nachts in Plastikflaschen zu urinieren. Solche grausamen und unmenschlichen Bedingungen verstoßen gegen das absolute Folterverbot. Amnesty International dokumentierte außerdem die Festnahme von mindestens 14 Geflüchteten in öffentlichen Krankenhäusern in Assuan, wo sie wegen schwerer Verletzungen behandelt wurden, die sie bei Verkehrsunfällen auf ihrem Weg aus dem Sudan nach Ägypten erlitten hatten. Die Behörden brachten sie – gegen ärztlichen Rat und bevor sie sich vollständig von ihren Eingriffen erholt hatten – in eine Haftanstalt, wo sie auf dem Boden schlafen mussten. Auch Kinder, einige unter vier Jahre alt, wurden zusammen mit ihren Müttern an diesen Orten festgehalten. Nach dem Völkerrecht hat jeder Mensch, unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus, das Recht, nicht willkürlich inhaftiert zu werden oder allein aus migrationsbedingten Gründen inhaftiert zu werden, ohne die Möglichkeit zu haben, die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung anzufechten. Kinder sollten niemals aufgrund ihres Migrationsstatus inhaftiert werden, da dies nie in ihrem besten Interesse ist.
Im März 2024 vereinbarten die Europäische Union und Ägypten, ihre Beziehungen zu einer strategischen und umfassenden Partnerschaft auszubauen. Die EU verpflichtete sich, Ägypten im Zeitraum 2024-2027 mit einem Finanz- und Investitionspaket in Höhe von insgesamt 7,4 Milliarden Euro zu unterstützen. Das Paket umfasst ein Darlehen in Höhe von 5 Milliarden Euro als Makrofinanzhilfe, 1,8 Milliarden Euro zur Unterstützung privater Investitionen und 600 Millionen Euro an Zuschüssen, darunter 200 Millionen Euro für die Migrationssteuerung. Laut der gemeinsamen Erklärung wird die EU "migrationsbezogene Programme" finanziell unterstützen. Dazu zählt die "Bekämpfung des Schleusertums und des Menschenhandels, die Stärkung des Grenzschutzes und die Gewährleistung einer würdigen und nachhaltigen Rückführung und Wiedereingliederung". Außerdem will das Staatenbündnis Ägypten weiterhin bei der Unterbringung von Flüchtlingen helfen. In der Erklärung wird zwar betont, dass sich "beide Seiten zum Schutz der Rechte von Migrant*innen und Flüchtlingen verpflichtet haben", doch weitere konkrete Einzelheiten zu Menschenrechtsgarantien werden nicht genannt.