
Ecuador: Schicksal von 23 Verschwundenen ungeklärt
10. Februar 2025Der Verbleib von 23 Männern ist nach den Militäroperationen im Jahr 2024 in der Küstenregion Ecuadors weiterhin nicht bekannt, so die jüngsten Recherchen der NGO CHA Guayaquil. Verwandte und Zeug*innen haben Angehörige der Armee als mutmaßliche Täter angezeigt. Berichten zufolge sind die Suchmaßnahmen ins Stocken geraten. Amnesty fordert die Staatsanwaltschaft auf, unverzüglich nach den Opfern zu suchen und die Vorfälle als mögliche Fälle des Verschwindenlassens zu untersuchen.
Es besteht große Besorgnis über das Verschwinden von mindestens 23 Männern in den Provinzen Los Rios, Guayas und Esmeraldas in der Küstenregion Ecuadors. Familienangehörige der Verschwundenen hatten das Verschwinden angezeigt und die lokale NGO CDH Guayaquil bestätigt dies. Nach Angaben der Familien wurden die Vermissten zuletzt nach den Militäroperationen gesehen, die im Jahr 2024 im Rahmen der als "Plan Fénix" bezeichneten Sicherheitspolitik von Präsident Daniel Noboa durchgeführt wurden. In allen Fällen haben Familienangehörige und Zeug*innen auf Angehörige der Streitkräfte als mutmaßliche Täter hingewiesen.
Bei den Verschwundenen handelt es sich nach Angaben der NGO CDH Guayaquil (Comité Permanente por la Defensa de los Derechos Humanos) um Bruno Rodríguez, Fardi Muñoz, Cirilo Minota, Oswaldo Morales, Neivi Quiñonez, Ariel Cheme, Jordy Morales, Dave Robin Loor Roca, Juan Santillan, Jairo Tapia, Dalton Ruiz, Cristian Sandoya, Oscar Adrihan, Jonathan Adrihan, Jeampier Castañeda, Justin Valverde, Justin Alvarez, Fabricio Alvarado, Jason Franco, Miguel Morán, Kleiner Pisco, Carlos Pisco und Jonathan Villon Velazco.
CDH Guayaquil prangerte an, dass die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe des Verschwindenlassens nicht geprüft hat, obwohl die ecuadorianischen Behörden unter dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen dazu verpflichtet sind.
Hintergrund
Die Gewalt in Ecuador hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, da es immer häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen organisierten kriminellen Banden, die sich um die Kontrolle von Territorien streiten, und zwischen diesen und den Sicherheitskräften kommt. Die Küstenregion des Landes ist besonders betroffen. Als Reaktion auf diese Herausforderungen haben sich die ecuadorianischen Behörden verstärkt auf die Streitkräfte gestützt und gleichzeitig eine ausreichende zivile Kontrolle vernachlässigt.
Amnesty International ist besorgt über die Vorwürfe möglicher Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsverbrechen im Zusammenhang mit der Verhängung des Ausnahmezustands durch Dekret 110 vom 8. Januar 2024 und dem internen bewaffneten Konflikt durch Dekret 111 vom 9. Januar 2024 als Reaktion auf die zunehmende Gewalt in Ecuador. Diese Dekrete wurden in einer Reihe von Provinzen in der Küstenregion des Landes verlängert. Derartige Maßnahmen sind Teil der Sicherheitspolitik von Präsident Noboa, bekannt unter der Bezeichnung "Plan Fénix", und ermöglichen seit mehr als einem Jahr einen umfassenden und anhaltenden Einsatz des Militärs auf den Straßen zur Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der öffentlichen Sicherheit.
In diesem Zusammenhang haben zivilgesellschaftliche Organisationen eine Zunahme von Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsverbrechen angeprangert, einschließlich möglicher Fälle von Folter, außergerichtlichen Hinrichtungen und Verschwindenlassen, die mutmaßlich von Angehörigen der Streitkräfte begangen wurden.
Am 8. Dezember 2024 verschwanden vier Kinder nach einer Militäroperation in Guayaquil in der Provinz Guayas. Sie wurden am 24. Dezember 2024 mit Folterspuren tot aufgefunden, und die Staatsanwaltschaft erhob am 31. Dezember 2024 Anklage gegen 16 Angehörige der Streitkräfte wegen des Verbrechens des Verschwindenlassens. Das Verschwindenlassen und die Tötung der Kinder fand in den Medien große Beachtung und wurde vom UN-Hochkommissar für Menschenrechte und von UNICEF verurteilt.
Nach diesen Ereignissen wandten sich die Familien von weiteren 23 vermissten Personen an CDH Guayaquil – die Organisation vertritt bereits den Fall der vie Kinder – und baten um Unterstützung, so die Organisation. Insgesamt vertritt die NGO nun 27 Fälle von verschwundenen Personen. In einem Bericht, der diese Fälle dokumentiert, stellte die CDH Guayaquil ein Muster des Verschwindenlassens während militärischer Operationen fest und bemerkte, dass die Staatsanwaltschaft diese Vorfälle als mögliches Verschwindenlassen nicht angemessen untersucht hat. Dieses Versäumnis geschah trotz der Verpflichtungen, die im Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen verankert sind, dem Ecuador beigetreten ist. In demselben Bericht prangerte die Organisation an, dass keine Suchaktionen unter staatlicher Leitung nach den Vermissten durchgeführt wurden. Der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen von Personen hat in mehreren dieser Fälle Dringlichkeitsmaßnahmen erlassen und Suchaktionen und Schutzmaßnahmen für die Familien der Opfer gefordert.
Gemäß Artikel 12 und 24 (2) des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen ergibt sich die Verpflichtung, verschwundene Personen zu suchen und ausfindig zu machen, aus der Anerkennung des Rechts auf Wahrheitsfindung in dem Übereinkommen. In den UN-Leitprinzipien für die Suche nach verschwundenen Personen ist außerdem festgelegt, dass die Suche eine kontinuierliche Verpflichtung ist, die unverzüglich beginnen, durch öffentliche Protokolle geregelt, unter der Annahme des Lebens durchgeführt und zwischen den verschiedenen zuständigen staatlichen Institutionen koordiniert werden sollte.
Bitte bis 31. März 2025 unterschreiben.