© Videoinstallation in Budapest anlässlich der Übergabe einer Petition, die mehr als 100.000 Menschen unterschrieben.  Adam Tabori
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Inhaftierter Syrer will zu seiner Familie nach Zypern

2. Juli 2019

Der syrische Staatsbürger Ahmed H., der lange Zeit in Zypern gelebt hat, wird aktuell in einer Hafteinrichtung für Asylsuchende in Ungarn festgehalten. Im September 2015 war er in Ungarn inhaftiert und in fehlerhafter Anwendung der ungarischen Antiterrorgesetze zu Unrecht wegen der "Mittäterschaft an einer terroristischen Handlung" verurteilt worden. Seine Ehefrau und seine beiden Kinder sind zypriotische Staatsangehörige.

Setz dich ein für Ahmed H.

Im August 2015 verließ Ahmed H. sein Heim in Zypern, um seinen betagten Eltern und sechs weiteren Familienmitgliedern zu helfen, vor dem Konflikt in Syrien nach Europa zu fliehen. Einen Monat später fanden sie sich unter Hunderten anderer Flüchtlinge wieder, die an der ungarischen Grenze gestrandet waren, nachdem die Polizei den Grenzübergang zu Serbien abgeschottet hatte. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, als einige der Flüchtlinge versuchten, über die Grenze zu gelangen. Ahmed H. gehörte zu insgesamt elf festgenommenen Personen, wurde jedoch als Einziger im Rahmen des vagen, unklar definierten ungarischen Gesetzes zur Terrorbekämpfung eines terroristischen Vergehens angeklagt. Schließlich wurde er der "Mittäterschaft an einer terroristischen Handlung" für schuldig befunden.

Nichts von dem, was Ahmed H. während der Unruhen an der Grenze getan haben soll, lässt sich hinreichend als "Mittäterschaft an einer terroristischen Handlung" betrachten. Die ungarischen Behörden haben Ungarns drakonische Gesetze zur Terrorbekämpfung zu Unrecht auf Ahmed H. angewendet, um Flüchtlinge und Migrant*innen als "Terrorist*innen" abzustempeln. Sowohl das Europäische Parlament als auch das US-Außenministerium äußerten sich besorgt angesichts des Missbrauchs von Terrorismusanklagen durch Ungarn im Fall von Ahmed H.

Ahmed H. wurde am 19. Januar 2019 unter Auflagen freigelassen und wird seither in einer ungarischen Hafteinrichtung für Asylsuchende festgehalten, wo ihm die Abschiebung nach Syrien droht.

Hintergrund. Ahmed H. lebte seit 2006 mit seiner zypriotischen Frau in Zypern. Die beiden haben zwei Töchter. Im August 2015 verließ Ahmed H. Zypern, um einigen Familienmitgliedern bei der Flucht aus Syrien zu helfen. Bei ihrer Ankunft an der ungarisch-serbischen Grenze am 16. September 2015 fanden sie sich unter Hunderten von Flüchtlingen wieder, die dort gestrandet waren, nachdem die Polizei die Grenze zu Serbien abgezäunt hatte. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, als einige der Flüchtlinge versuchten, über die Grenze zu gelangen. Die ungarische Polizei reagierte mit Tränengas und Wasserwerfern. Dabei kam es zu zahlreichen Verletzten. Einige Menschen, darunter auch Ahmed H., warfen Steine. Auf Presseaufnahmen ist jedoch eindeutig zu sehen, dass Ahmed H. beide Seiten mit einem Megafon aufforderte, Ruhe zu bewahren. Dafür wurde er festgenommen und unter Ungarns vagem, unklar definiertem Gesetz zur Terrorbekämpfung schließlich der "Mittäterschaft an einer terroristischen Handlung" für schuldig befunden.

Amnesty International hat das Strafverfahren aufmerksam verfolgt und war auch bei den Anhörungen zugegen. Die Organisation kommt zu dem Schluss, dass die Terrorismusvorwürfe und die anschließende Verurteilung von Ahmed H. wegen "Mittäterschaft an einer terroristischen Handlung" eindeutig unbegründet waren. Die Verurteilung beruht ausschließlich auf der Behauptung, dass Ahmed H. versuch habe, die ungarische Polizei zur Öffnung des Grenzzauns zu bewegen, und während der Unruhen an der Grenze mit einigen Objekten geworfen haben soll. Während des endgültigen Schuldspruchs am 20. September 2018 räumte der Richter ein, dass Ahmed H. versucht habe, die Menge zu beruhigen und zwischen der Polizei und den Flüchtlingen zu vermitteln. 

Die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán hat – ohne Beweise für ihre Behauptungen anzuführen – versucht, einen engen Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und Migrant*innen und der Gefahr durch Terrorismus herzustellen. Die missbräuchliche Anwendung der Terrorismusgesetze im Fall Ahmed H. war Teil umfassenderer Bemühungen, Flüchtlinge und Migrant*innen, die Schutz suchen, als "Terrorist*innen" und eine Gefahr für die nationale Sicherheit abzustempeln. Amnesty International hat auch Aussagen von ungarischen Regierungsvertreter*innen dokumentiert, die bereits öffentlich die Schuld von Ahmed H. verkündeten, noch bevor sein Prozess beendet war. Derartige Aussagen beeinträchtigten die Fairness des Verfahrens, denn sie verstoßen gegen internationale Standards für faire Gerichtsverfahren, zu denen auch die Unschuldsvermutung gehört.

Das Recht auf Privat- und Familienleben ist verankert in Artikel 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und in Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Zypern ist Vertragsstaat dieser beider internationalen Menschenrechtsabkommen. Dieses Recht darf nur beschränkt werden, wenn dies erforderlich ist für die "nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer". Die Verurteilung von Ahmed H. in Ungarn wegen "Mittäterschaft an einer terroristischen Handlung" fällt nicht unter die nationale Sicherheitsausnahme für das Recht auf Familienleben, da die Anwendung von Antiterrorgesetzen auf seinen Fall falsch war und während des Strafverfahrens in Ungarn gegen sein Recht auf ein faires Verfahren verstoßen wurde.

Sollte Ungarn Ahmed H. nach Syrien abschieben, wäre dies ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement). Dieses internationale Menschenrechtsprinzip gewährleistet, dass niemand in ein Land abgeschoben wird, in dem dieser Person Folter oder andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe und anderer nicht wiedergutzumachender Schaden drohen.

Urgent Action läuft bis 9. August 2019