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Update: Am 31. Januar entschied die griechische Regierung, Asylsuchenden eine "vorläufige Versicherungs- und Gesundheitsversorgungsnummer" zuzuweisen. Diese soll ihnen den Zugang zu kostenloser öffentlicher Gesundheitsversorgung und zum Arbeitsmarkt gewähren, während sie auf die Entscheidung über ihren Asylantrag warten. So begrüßenswert die neue Regelung ist, schließt sie doch Kinder von Migrant*innen ohne regulären Aufenthaltsstatus und Asylsuchende aus, die noch keinen formalen Asylantrag stellen konnten.
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Das griechische Recht garantiert Angehörigen „schutzbedürftiger gesellschaftlicher Gruppen“ wie anerkannten Flüchtlingen, Asylsuchenden und Minderjährigen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, den freien Zugang zu medizinischen und pharmazeutischen Leistungen. Dieses Recht muss durch die Bereitstellung einer Sozialversicherungsnummer (AMKA) umgesetzt werden, bzw. bei denjenigen, die die Voraussetzungen zum Erhalt einer AMKA nicht erfüllen, durch das Aushändigen einer besonderen Gesundheitskarte für Ausländer*innen (KYPA). Doch nach der Entscheidung vom Juli 2019, ein Verwaltungsrundschreiben zurückzuziehen, das den Erhalt einer AMKA für nicht-griechische Staatsangehörige regelte, gibt es kein Verfahren mehr für die Ausstellung einer AMKA-Nummer, und es wurde auch kein anderes Verfahren eingerichtet, das Angehörigen dieser Personengruppe freien Zugang zur Gesundheitsversorgung gibt. Im Oktober 2019 regelte ein neues Verwaltungsrundschreiben die Situation anerkannter Flüchtlinge, doch nicht die von Asylsuchenden und Kindern von Migrant*innen ohne regulären Aufenthaltsstatus. Auch das Verfahren zur Bereitstellung einer Gesundheitskarte für Ausländer*innen ist noch nicht aktiviert worden. Das neue Asylgesetz von November 2019 enthält zwar einen alternativen Vorschlag für Asylsuchende, die „vorübergehende Versicherungs- und Gesundheitsversorgungsnummer für Staatsangehörige von Drittstaaten“ (PAAYPA). Dieses Instrument wurde jedoch noch nicht eingeführt.
In der Folge haben Tausende Asylsuchende, darunter auch die fast 50.000 Personen, die seit Juli 2019 in Griechenland angekommen sind, keinen Zugang zu der medizinischen Versorgung und Behandlung ihrer schweren und oft chronischen Erkrankungen. Ohne die AMKA ist möglicherweise auch der Zugang zu anderen Dienstleistungen erschwert, darunter die Arbeitssuche und die Inanspruchnahme von Sozialhilfe. Amnesty International ist sich darüber Klaren, dass Griechenland als EU-Außengrenze seit vielen Jahren eine große Zahl von Asylsuchenden zu versorgen hat, und das Land insbesondere unter Druck steht, da die übrigen EU-Länder ihren Anteil an dieser Aufgabe nicht in ausreichendem Maße übernehmen. Doch die Situation bringt die Gesundheit und das Leben von Menschen in Gefahr und stellt eine eklatante Verletzung des international anerkannten Rechts auf Gesundheit dar, das Griechenland unter nationalem, europäischem und dem Völkerrecht zu achten hat.
Hintergrund. Griechenland ist eines der europäischen Aufnahmeländer mit der größten Zahl an Asylsuchenden, Geflüchteten und Migrant*innen. Seit 2015 stehen die griechischen Asyl- und Wohlfahrtsysteme angesichts der zunehmenden Migrationsströme und der anhaltenden Auswirkungen der Wirtschaftskrise unter ständigem Druck. Auch wenn die Bemühungen Griechenlands gewürdigt werden müssen und gleichzeitig EU-Maßnahmen zur Bereitstellung von sinnvoller Unterstützung bislang nicht vorhanden sind, so sind doch die Lebensbedingungen von Asylsuchenden, anerkannten Flüchtlingen und Migrant*innen in Griechenland derzeit häufig unglaublich schlecht und sie haben auf lange Sicht kaum oder keinen Zugang zum Sozialsystem und nicht die Möglichkeit einer Integration in die griechische Gesellschaft. Durch die zunehmende Ankunft über das Meer Mitte 2019 ist die Bevölkerungszahl der Ägäisinseln auf einem Rekordhoch mit einer Bevölkerung von 42.041 Personen am 6. Januar 2020 verglichen mit 17.034 Personen am 6. Juli 2019. Trotz der Bemühungen der neuen griechischen Regierung die Ankunftszahlen zu verringern und ankommende Menschen auf das Festland zu bringen, sind die Bedingungen in den überfüllten Ankunftslagern weiterhin extrem schlecht.
NGOs wie Ärzte ohne Grenzen sowie Ärzt*innen im griechischen Gesundheitssystem tun ihr Bestes, um weiterhin Gesundheitsversorgung zu leisten und das staatliche Versagen auszugleichen, aber sie sind nicht dafür ausgestattet, den gesamten Bedarf zu decken. Es wird daher nach wie vor über sehr ernste Fälle berichtet. Im November 2019 konnte ein Mann aus Pakistan in Athen kein CT machen lassen und auch keine Chemotherapie beginnen, weil er keine AMKA hatte. Er konnte schließlich die Behandlung beginnen, weil die Verwaltung des Krankenhauses, das er aufgesucht hatte, entschied, ihn ausnahmsweise kostenfrei zu behandeln.
Ärzte ohne Grenzen berichtete zudem über die Verschlechterung der Lage in ihren Kliniken auf Lesbos, Samos und in Athen: zwischen Juli und November 2019 sei die Zahl der Patient*innen ohne AMKA in ihrer Tagesklinik in Athen stark angestiegen, von 18% im Januar auf 43% im November 2019. Die Organisation äußerte zudem die Sorge, dass ihre Erstversorgungsklinik weder langfristige noch fachärztliche Versorgung bereitstellen könne. Ärzt*innen, die Zivilgesellschaft, die UN-Menschenrechtskommission und die griechische Ombudsperson haben die griechischen Behörden bei mehreren Gelegenheiten aufgefordert, die Situation zu entschärfen, ohne dass wirksame Maßnahmen erfolgt wären. Während einer gemeinsamen Pressekonferenz äußerten Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International, der Griechische Flüchtlingsrat (GCR) und die Griechische Vereinigung für Menschenrechte (ELEDA) im Dezember 2019 erneut ihre Befürchtungen. Kürzlich sprach auch der EU-Kommissar und Vizepräsident für die „Förderung unserer europäischen Lebensweise“ das Thema an und sagte, dass eine Lösung gefunden werden müsse.
Paragraf 33 des griechischen Gesetzes 4368/2016 garantiert Angehörigen „schutzbedürftiger gesellschaftlicher Gruppen“ wie anerkannten Flüchtlingen, Asylsuchenden und Minderjährigen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, also auch unbegleiteten Minderjährigen und Minderjährigen ohne legalen Aufenthaltsstatus, den freien Zugang zu medizinischen und pharmazeutischen Leistungen. Das Gesetz schreibt vor, dass Personen, die unter Paragraf 33 dieses Gesetzes fallen, über eine AMKA-Sozialversicherungsnummer verfügen müssen, um Zugang zu unentgeltlicher Gesundheitsversorgung zu erhalten. Seit 2016 sind Asylsuchende und andere Angehörige “schutzbedürftiger Gruppen”, welche die Erfordernisse für die AMKA nicht erfüllen oder aus anderen Gründen keine AMKA haben, berechtigt, eine Gesundheitskarte für Ausländer_innen (KYPA) zu erhalten, die ihnen freien Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem gibt. Diese Karte gibt es jedoch noch nicht.
Amnesty International ist auf mehrere Fälle aufmerksam gemacht worden, bei denen sich Menschen in Athen und auf den Ägäisinseln solchen Zugangsbarrieren gegenübersahen. Nähere Informationen in englischer Sprache finden Sie hier: https://www.amnesty.org/en/documents/eur25/1213/2019/en/. Im September 2019 sprach Amnesty mit den Ärzt*innen von zwei HIV-positiven Asylsuchenden (ein Mann und eine Frau), die derzeit in einem großen Krankenhaus in Athen behandelt werden. Die Ärzt*innen berichteten, dass die beiden nach der Entlassung aus dem Krankenhaus keinen Zugang zu den antiretroviralen Medikamenten haben werden, da sie keine Sozialversicherungsnummer erhalten konnten. N*, eine dieser beiden HIV-positiven Asylsuchenden, stammt aus einem zentralafrikanischen Land und befindet sich seit Mai 2019 in diesem Krankenhaus, da es zu Komplikationen im Zusammenhang mit ihrer HIV-Infektion gekommen war und sie dort antiretrovirale und andere wichtige Medikamente erhält. N* hat Asyl beantragt, doch die AMKA wird ihr verweigert. Ihre Ärzt*innen haben erfolglos versucht, eine Unterkunft für sie zu finden und sind nun in Sorge, dass sie nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus obdachlos sein und keinen Zugang zu antiretroviralen und anderen Medikamenten haben wird und ihr Zustand sich wieder verschlechtert. Sie ist auch nicht in der Lage, für Medikamente zu bezahlen.
Urgent Action bis 25. März 2020