
Zivilbevölkerung in Catatumbo schützen!
25. Jänner 2025Seit dem 16. Januar 2025 eskalieren die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen in der nordostkolumbianischen Region Catatumbo. Berichten zufolge wurden Dutzende Zivilpersonen getötet, Tausende Menschen wurden vertrieben. Diejenigen, die noch dort sind, sind einem hohen Risiko ausgesetzt, zwangsisoliert oder ebenfalls getötet zu werden oder dem Verschwindenlassen zum Opfer zu fallen.
Die Gefährdung des Lebens und der Sicherheit der Zivilbevölkerung in der Region Catatumbo – einschließlich der dortigen Menschenrechtsverteidiger*innen – gibt Anlass zu großer Sorge. Seit dem 16. Januar eskalieren die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den bewaffneten Gruppen Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional, ELN) und der EMBF, einer Splittergruppe der früheren bewaffneten Gruppierung FARC-EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo, FARC-EP). Medien, UN-Vertreter*innen im Land, nationale Behörden und soziale Organisationen berichten von der Tötung zahlreicher Zivilpersonen, einschließlich Gemeindesprecher*innen und ehemaliger Mitglieder der 2016 demobilisierten FARC-EP. Die Gefahr massiver Vertreibungen, der Zwangsisolierung von Gemeinschaften sowie weiterer Tötungen und des Verschwindenlassens ist groß. Zivilgesellschaftliche Organisationen in der Region fordern die bewaffneten Gruppen auf, das Leben und die Sicherheit der Zivilbevölkerung zu respektieren und Maßnahmen zu deren Schutz zu ergreifen. Doch selbst wenn in den letzten Tagen Evakuierungsbemühungen zu verzeichnen waren und die kolumbianischen Behörden versprochen haben, die Zivilbevölkerung zu schützen, sind weitere Schutzmaßnahmen erforderlich.
Amnesty International hat das gewaltsame und feindliche Umfeld, in dem Menschenrechtsverteidiger*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen in Kolumbien tätig sind, bereits in der Vergangenheit dokumentiert. Die Region Catatumbo ist von extremer Armut und einem hohen Maß an Militarisierung und bewaffneter Gewalt geprägt. Die dortige Bevölkerung hat nur eingeschränkt Zugang zu Nahrung, Bildung, Wasser, Wohnraum und Gesundheitseinrichtungen. Außerdem soll zwar der Kokaanbau eingestellt werden, doch werden keine wirtschaftlichen Alternativen angeboten. Trotz eines vorübergehenden Rückgangs der militärischen Aktivitäten und trotz der Zwangsmaßnahmen zur Beendigung des Kokaanbaus seit 2023 sind die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Bevölkerung nach wie vor nicht gewährleistet. Die Menschenrechte der Zivilbevölkerung in der Region Catatumbo sind durch die Folgen der Waffengewalt massiv beeinträchtigt.
Hintergrund
Die Region Catatumbo liegt im Nordosten Kolumbiens im Departamento Norte de Santander. Sie erstreckt sich von den östlichen Anden bis in die Nähe des Maracaibo-Sees in Venezuela. Obwohl die Region reich an natürlichen Rohstoffen – insbesondere Erdöl – ist, ist sie von extremer Armut und einem hohen Maß an Militarisierung und bewaffneter Gewalt geprägt. Der eingeschränkte Zugang zu Nahrung, Bildung, Wasser, Wohnraum und Gesundheitseinrichtungen schafft ein feindliches Umfeld für Gemeindesprecher*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen. Darüber hinaus ist die Infrastruktur nur schlecht ausgebaut, sodass Catatumbo vom Rest des Landes isoliert ist. Die Region ist nach wie vor eine der wichtigsten Gebiete für den Kokaanbau und die Kokaproduktion im Land.
Amnesty International beobachtet die Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen in der Region Catatumbo seit mehreren Jahren. Dabei liegt der Fokus auf dem Komitee für soziale Integration von Catatumbo (Comité de Integración Social del Catatumbo, CISCA), das sich für die Landrechte der kleinbäuerlichen Gemeinschaften von Catatumbo stark macht. Seit 2020 weist Amnesty International darauf hin, dass die Menschenrechtsarbeit des CISCA vor allem durch zwei Hauptrisikofaktoren behindert wird: zum einen durch das hohe Maß an Gewalt, insbesondere gegen Personen mit gesellschaftlichem Einfluss wie Gemeindesprecher*innen, und zum anderen durch die angeordnete Vernichtung von Kokapflanzen. Amnesty International hat außerdem festgestellt, dass die extreme Armut und der fehlende Zugang zu wirtschaftlichen und sozialen Rechten ein angespanntes und feindseliges Umfeld in der Region schaffen, insbesondere für Gemeindesprecher*innen.
Amnesty International stellte fest, dass die kolumbianischen Behörden im Juli 2023 die erzwungene Vernichtung von Kokapflanzen eingestellt hatten und dass die militärischen Aktivitäten in der Region sowohl seitens der regionalen Sicherheitskräfte als auch der bewaffneten Gruppen etwas zurückgegangen waren. Doch die lange Geschichte der Militarisierung und die humanitären Auswirkungen des bewaffneten Konflikts standen der Schaffung eines sicheren Umfelds sowohl für soziale Bewegungen als auch für die Menschenrechtsarbeit entgegen. Außerdem setzten die bewaffneten Gruppen ihre Aktionen in den benachbarten Gebieten fort oder intensivierten sie sogar.
Jetzt, anderthalb Jahre später, kommt es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Gruppen. Am 18. Januar 2025 meldete die zuständige Ombudsstelle nach vorläufiger Schätzung etwa 60 Tötungen in den Gemeinden Convención, Ábrego, Teorama, El Tarra, Hacarí und Tibú. Angesichts entsprechender Drohungen durch die ELN wies die Ombudsstelle auf das besondere Risiko hin, dem Gemeindesprecher*innen und/oder ehemalige Mitglieder der 2016 demobilisierten FARC-EP ausgesetzt sind. Die Ombudsstelle berichtete außerdem über die Vertreibung von indigenen und kleinbäuerlichen Gemeinschaften – darunter 850 Familien, die nach Ocaña flohen, fast 2.500 Menschen, die nach Tibú flohen und Hunderte Familien, die nach Cúcuta flohen. Nach Angaben des kolumbianischen Außenministeriums flohen außerdem mindestens 60 Personen in die Region Zulia in Venezuela. Am 19. Januar meldete die Ombudsfrau, dass mindestens 11.000 Menschen in der Region vertrieben wurden.
Die kolumbianischen Behörden haben erklärt, dass der Schutz der Zivilbevölkerung für sie Priorität hat. Dementsprechend wurden in den vergangenen Tagen Evakuierungsbemühungen verzeichnet. Dennoch sind weitere Maßnahmen erforderlich, um den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten.
Bitte bis 7. März 2025 unterschreiben.